Predigt zum Karfreitag   -   3.4.2015

Textlesung: Jh. 19, 16 - 30

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.

Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): "Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen." Das taten die Soldaten.

Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied.

Liebe Gemeinde!

Diese traurige Geschichte der Kreuzigung unseres Herrn können wir auf mindestens zwei unterschiedliche Weisen lesen. Einmal als Bericht, wie das schreckliche Geschehen weitergegangen ist, nachdem Jesus durch Pilatus in die Hände seiner Feinde überantwortet wurde: Wir erfahren von der Aufschrift über dem Kreuz, die Pilatus hat anfertigen lassen, auf der in drei Sprachen stand, wer da am Kreuz hing: "Jesus von Nazareth, der König der Juden." Wir hören, dass sich die Hohenpriester über diese Aufschrift ärgerten. Wir hören von den Soldaten, die Jesus ans Kreuz schlagen, von ihrer Kaltherzigkeit, wie sie ungerührt seine Kleider unter sich teilen. Wir erfahren von Jesu Fürsorge, die noch im Todeskampf seine Mutter dem Jünger anvertraut, dass er sie bei sich aufnimmt und den Jünger seiner Mutter, dass sie sich seiner wie eines Sohnes annimmt. Und wir hören, wie Jesus zuletzt von dem schmerzstillenden Essig trinkt und mit den Worten "Es ist vollbracht!", die Augen schließt und stirbt.

Sicher ist es gut und richtig, diese anrührende Geschichte immer wieder einmal zu lesen. Gerade auch im Blick auf unsere Kinder und Konfirmanden und die noch jungen Leute unserer Gemeinden, die oft erschreckend wenig über den Glauben der Christen und die Lebensstationen Jesu wissen.

Doch für uns andere, für die erwachsene Gemeinde, sind die Ereignisse der letzten Stunden Jesu vor seinem Tod meist auf schmerzhafte Weise vertraut. Aber gerade für uns gibt es eine andere Leseweise der Geschichte. Ich will sie einmal die Anfrage nennen, die sie an uns stellt. Um zu verstehen, was ich hier meine, eignet sich besonders gut die Sache mit der Aufschrift über Jesu Kreuz, die den frommen Juden so gar nicht gefallen hat:

Sie fordern von Pilatus, dass er dafür andere Worte wählt: "Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden." Ja, und das ist die Anfrage, von der ich spreche - damals an die Juden und heute an uns: Erkennen wir ihn als unseren König an oder weichen wir einer Antwort aus und flüchten uns dazu, wie es damals schon die Hohenpriester gemacht haben: "Er hat nur gesagt, er wäre der König der Juden!", was bei uns heißen müsste: "Er wollte nur ein König sein!" Ganz persönlich würde das dann so klingen: "Er wollte der König meines Lebens sein..." Und jetzt kommt alles darauf an, was wir in Gedanken oder ausgesprochen hinzufügen: "...und ich habe ihn als meinen Herrn und König angenommen!" Vielleicht aber ergänzen wir auch so: "...aber ich konnte ihn bis heute nicht als meinen König anerkennen!" Oder so: "...und ich wollte auch immer so leben, dass man erkennen kann, dass er mein Herr ist, aber das ist mir bis heute nicht gelungen!"

Liebe Gemeinde, wie halten wir es damit? Ist er der König unseres Lebens? Ist er es nicht? Konnten wir uns bis heute nicht so recht für ihn entscheiden? Drei unterschiedliche Beziehungen zu Jesus Christus, wie sie Menschen unserer Zeit haben. Aber vielleicht fragen Sie sich jetzt, ob denn heute in diesem Gottesdienst wirklich Menschen unter uns sind, die sagen würden, Jesus Christus ist nicht König meines Lebens! Was sollten diese Menschen denn hier suchen? Sie haben sich doch dagegen entschieden, ihn ihren Herrn sein zu lassen!

Was ich jetzt sage, wird Sie vielleicht etwas erschrecken, aber ich gehe davon aus, dass wir alle nie ganz sicher sagen können: Jesus Christus ist König meines Lebens! Es kann so viel geschehen in den Jahren, die wir in dieser Welt haben:

Eine Frau, als Kind im Glauben erzogen, die Eltern christlich und fromm, ein guter Konfirmanden- unterricht, ein engagierter Religionslehrer in der Schule, täglich hat sie gebetet, viel in der Bibel gelesen... Ein Schicksalsschlag, als sie zwanzig war, wirft sie völlig aus der Bahn. Ihre beste Freundin kommt bei einem Unfall ums Leben. Das hätte Gott nicht zulassen dürfen. Er ist doch der liebende Vater seiner Menschen. Und Jesus? Der hätte ihr doch niemals so wehtun können. Er ist doch der Bruder seiner Christen. Nein, es gibt keinen Gott! Es gibt keinen König Jesus.

Und auch das kann geschehen: Ein Mann, der ganz ohne religiöse Einflüsse aufgewachsen ist, hätte noch vor Wochen gesagt: Ich glaube nicht an Gott. Jesus Christus spielt in meinem Leben nicht die geringste Rolle! Wie gesagt: Vor Wochen... Er war neulich im Krankenhaus. Am Abend vor der Operation hatte er große Angst. Seinem Bett gegenüber hing ein Kalender mit Sprüchen aus der Bibel. Irgendwie kam er von dem Spruch, der gerade dort zu lesen war, nicht mehr los. "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch!" (1.Petr.5,7) Ein Kreuz neben dem Spruch sollte dem Leser sagen, wer mit "er" gemeint ist. Aber das wusste der Mann auch so. Er wusste auch, dass die Christen sagen, dass man zu diesem "Er" beten kann. Und das tat er, auch wenn er damit noch gar keine Erfahrung hatte. Und er spürte, wie nach und nach seine Angst kleiner wurde. Als sie ihn am nächsten Morgen in den Operationssaal schoben, war er ganz ruhig. Es kam ihm vor, als würde "ER" ihn begleiten. Nach der OP erholte er sich rasch und in seinem Leben war seitdem alles anders: Er hatte seinen König gefunden.

Und auch das geschieht immer wieder: Menschen, die nicht so recht wissen, ob sie Jesus vertrauen können, finden durch irgendein Erlebnis zu einem festen Glauben. Oder - das wollen wir auch nicht verschweigen - ein Ereignis, das sie verstört und erschreckt bringt sie ganz vom Glauben ab.

Liebe Gemeinde, alles das kann geschehen. Nichts ist ein für allemal fest - schon gar nicht, was unseren Glauben angeht. Niemand kann sagen: So und so stehe ich ein für alle Mal mit Jesus Christus. Alles kann sich auch ändern, schneller als wir denken. Das soll uns nun aber keine Angst machen, wenn wir heute gewiss sind im Glauben. Das kann uns allerdings Hoffnung schenken, wenn wir noch schwankend sind oder gar nicht glauben können.

Eines allerdings ist sicher: Heute ist der Tag, der uns wie kein anderer zum Glauben führen oder im Glauben festigen kann. Heute geht unser Herr und König für uns ans Kreuz. Dort trägt er deine und meine Schuld ab, dort gewinnt er den Sieg über den Tod - für dich und mich. Dort zeigt sich die Liebe, die dieser König für uns hat: Eine Liebe, die den Tod auf sich nimmt, für uns. Dort entscheidet sich unsere Zukunft - über den Tod hinaus. Sie heißt Ewiges Leben.

Liebe Gemeinde, setzen wir uns nun nicht unter Druck. Sagen wir uns jetzt nicht: Ich muss glauben! Schauen wir einfach nur hin: Jesus geht den Weg hinauf nach Golgatha. Er gibt sich in die Hände seiner Feinde. Er wehrt sich nicht gegen das, was die Soldaten an ihm tun. Er vertraut seinem und unserem himmlischen Vater. Der wird ihn nicht im Tod lassen. Noch im letzten Todeskampf denkt er an andere: "Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!" Dann kann er sagen - und es ist wahr: "Es ist vollbracht!"

Schauen wir hin! Über seinem Kreuz steht die Aufschrift: "Jesus von Nazareth, der König der Juden." Die Hohenpriester damals haben sich über diese Aufschrift geärgert: "Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden." Das ist die Frage an uns: Nehmen wir ihn als Herrn und König an? - Noch einen gesegneten Karfreitag! AMEN