Predigt zum Sonntag "Judika" - 22.3.2015

Textlesung: Mk. 10, 35 - 45

Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden.

Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.

Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?

Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.

Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so soll es unter euch nicht sein; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Liebe Gemeinde!

Ich glaube, wenn wir die Bitte von Jakobus und Johannes hören, gehen uns allen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Vielleicht solche: "Die beiden haben ja nun wirklich überhaupt nichts verstanden! Als könnten wir uns irgendwelche besonderen Pätze im Himmel verdienen. Mit diesem Denken hat Jesus doch ein für allemal Schluss gemacht. Durch ihn sind wir frei von Sünde und Schuld. Er allein hat uns den Himmel verdient. Und dort hat keine und keiner von uns einen Vorzug!"

Aber wie kommen die beiden Jünger darauf, solch eine Bitte zu stellen? - Sie scheinen noch ganz dem alten Denken verhaftet, als könnten wir uns selbst durch unsere gute Lebensführung, unsere Taten und Werke einen Platz im Himmel besonders nah oder gar direkt neben Gott sichern. Unmöglich dieses Denken! Anmaßend und hochmütig.

Aber unser Zorn, vielleicht sogar unsere Verachtung gegenüber Jakobus und Johannes greift zu kurz! Die anderen Jünger sind auch nicht besser: "Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes." Wir könnten meinen, sie ärgern sich darüber, dass ihre Jüngerkollegen solche Bitten äußern, Forderungen, die niemals über ihre Lippen gekommen wären. Aber so ist es nicht. Ihr Ärger kommt von daher, dass sie selbst auch gern die Plätze nah bei Gott besetzen würden! Sie haben genauso wenig verstanden, was durch Jesus im Verhältnis zu Gott grundlegend anders geworden ist: Dass er, er allein ihre Schuld auf sich nehmen und ihnen Vergebung und das Leben in Gottes Herrlichkeit verdienen wird.

Wir müssen also feststellen, dass alle Jünger (noch) nicht begriffen haben, dass ihr verdienstliches Denken durch Jesus überholt und nicht mehr gültig ist.

Liebe Gemeinde, da wird es jetzt Zeit für die Frage, ob wir das begriffen haben?

Aber gewiss, werden wir sagen! Und wenn wir in die Gesangbuchlieder für die Passionszeit schauen - gerade in jene, die wir heute singen - sieht es auch wirklich so aus. Was lesen wir da?: "Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken; wollest mir vom Himmelsthron Geist und Andacht schenken. In dem Bilde jetzt erschein, Jesu, meinem Herzen, wie du, unser Heil zu sein, littest alle Schmerzen. Aber lass mich nicht allein deine Marter sehen, lass mich auch die Ursach fein und die Frucht verstehen. Ach die Ursach war auch ich, ich und meine Sünde: diese hat gemartert dich, dass ich Gnade finde." (EG 88,1+3)

Kein Zweifel: Mit diesem Lied bekennen wir uns dazu, dass allein Jesus unser Heil am Kreuz erworben hat und wir durch sein Verdienst Vergebung unserer Sünden und Gnade bei Gott finden.

Aber es gibt weitere Beispiele: "Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.

Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, an unsrer Statt gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen.
Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen; Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen. Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken am Kreuz erblicken."
(EG 91, 1,2+4)

Hier noch drei kurze Zitate aus den am meisten gesungenen Passionsliedern, die alle, ausnahmslos immer wieder das eine betonen: Dass Jesus Christus allein uns das Heil und das Leben verdient hat:

"Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, der Welt und ihrer Kinder; es geht und büßet in Geduld die Sünden aller Sünder..." (EG 83,1)

"Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad." (EG 85,4)

"Ach das hat unsre Sünd und Missetat verschuldet, was du an unsrer Statt, was du für uns erduldet. Ach unsre Sünde bringt dich an das Kreuz hinan; o unbeflecktes Lamm, was hast du sonst getan?" (EG 87,2)

Also: Wir singen diese Lieder mit. Wir tun das, ohne Probleme mit dem zu haben, was sie aussagen. Woher kommen dann aber solche Äußerungen, wie wir sie häufig hören und wie sie uns auch selbst immer wieder so oder ähnlich über die Lippen kommen?

Das hört sich so an: "Unsere Nachbarin ist eine so gute Frau! Sie hilft, wo sie nur kann bei der Pflege alter Leute in unserer Gegend. Und sie nimmt kein Geld dafür! Ganz bestimmt kriegt sie einmal einen Fensterplatz im Himmel!"

Oder ganz persönlich: "Warum nur musste ich so krank werden! Ich bin doch ein gläubiger Mensch und gehe auch jeden zweiten Sonntag in die Kirche. Womit habe ich das verdient, dass es mir jetzt so schlecht geht?"

Und auch so wird geredet: "Mein Kollege ist nun wirklich kein guter Mensch. Er nutzt jede Gelegenheit sich beim Chef einzuschleimen. Der will unbedingt in der Firma Karriere machen. Dabei geht er über Leichen! Ich warte schon lange darauf, dass der einmal dafür bestraft wird. Wenn schon nicht von Menschen, dann doch von oben!"

Wie vertragen sich die Gedanken, die im Hintergrund unserer Passionslieder stehen, mit solchem Reden? Können wir singen, dass vor Gott nur das Verdienst Jesu Christi zählt und nicht das irgendeines Menschen und können wir dann doch sagen, dass eine sich den Himmel verdient hat? Können wir davon singen, dass unser Herr am Kreuz Vergebung und Gnade für uns erworben hat und dann fragen, warum Gott uns eine Krankheit oder ein anderes Leid schickt? Was hat beides miteinander zu tun? Und erwarten wir wirklich die Strafe des Himmels für einen, der sich böse oder unmoralisch verhält und auf der Karriereleiter die Ellenbogen gebraucht? Warum sollte Gott denn einen Menschen bestrafen, der Böses tut? Und warum sollte er uns von der Bestrafung ausnehmen - tun wir nicht auch Böses? Und umgekehrt: Soll er alle Menschen, die Gutes tun, dafür belohnen? Ist das der Ausdruck seiner Barmherzigkeit und Gnade. Wird also doch Gnade von uns verdient und wer sie nicht verdient, zieht Strafe auf sich? Wofür hat er denn dann seinen Sohn ans Kreuz geschickt? Was wäre dann noch das Verdienst unseres Herrn?

Liebe Gemeinde, nein und nochmal nein! Es gibt keinen Zusammenhang zwischen unseren Verdiensten und Gottes Gnade! Und es gibt auch - Gott sei Dank! - keinen Zusammenhang zwischen unseren bösen Taten, unserem unmoralischen Verhalten, unserer Sünde und Schuld mit dem, was wir dann als Strafe Gottes empfinden: sei es Krankheit, Behinderung oder Unglück... Wir sind allemal erlöste und begnadete Menschen durch Jesu Tod am Kreuz - für uns.

Worum es wirklich geht, ist die Frage, ob wir das glauben! Und ob wir uns allein darauf verlassen im Leben und im Sterben! Singen wir also die schönen Passionslieder aus voller Kehle mit. Nehmen wir ernst, was sie uns immer wieder sagen: Jesus Christus allein hat unser Heil, die Vergebung unserer Schuld und all unserer Sünden und das Ewige Leben in Gottes neuer Welt für uns am Kreuz von Golgatha verdient. All unsere eigenen Versuche, Verdienste vor Gott zu erwerben, gehen ins Leere. Alles, was wir Gutes tun, tun wir für unsere Mitmenschen - als Dank für Jesu Opfer für uns, nicht um unserem Herrn zu gefallen und ihm zu dienen. "Denn ... der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele." AMEN