Predigt zum Altjahrsabend - 31.12.2014

Textlesung: Lk. 12, 35 - 40

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun.

Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.

Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen.

Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Liebe Gemeinde!

Der Herr ist ausgegangen und die Knechte und Mägde warten darauf, dass er zurückkehrt. Er ist auf einer Hochzeitsfeier und bleibt länger aus, als sie gedacht haben. Die Zeit wird ihnen lang. Sie werden müde. Aber sie wollen sich lieber nicht hinlegen. Der Herr kann schließlich von ihnen erwarten, dass sie ihm die Tür öffnen, wenn er nach Hause kommt und ihm beim Zu-Bett-Gehen behilflich sind und ihm vielleicht noch einen Schlummertrunk reichen. Sie sind immerhin seine Dienerinnen und Diener. - Jetzt ist es schon nach Mitternacht! Wo er nur bleibt, der Herr? - - -

So fühlten sich die Jünger Jesu als ihr Herr nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt nicht mehr bei Ihnen war. Jesus aber hatte ihnen schon lange zuvor, als sie noch mit ihm in Israel unterwegs waren, die Worte gesagt, die wir eben gehört haben: "Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten."

Liebe Gemeinde, fühlen wir uns nicht auch so wie die Jünger damals?

Gewiss nicht alle Christinnen und Christen warten noch auf den Herrn. Viele sind schläfrig geworden und haben es aufgegeben, nach ihm auszuschauen. Sie haben sich zur Ruhe gelegt und kein Gedanke an den Herrn stört ihren Schlaf.

Andere sind unsicher geworden, ob sie noch warten sollen. Wird der Herr denn wirklich noch kommen? Doch nicht nur sie selbst sind nicht mehr sicher, dass der Herr doch irgendwann wiederkommt. Viele von den anderen Christinnen und Christen, die längst nicht mehr warten, wollen auch ihnen einreden, dass sie umsonst nach dem Herrn Ausschau halten.

Einige aber bleiben dabei: Der Herr hat gesagt, dass er zurückkommt. Und was er gesagt hat, das wird eintreffen. Für diese Menschen hat Jesus damals und heute diese Botschaft: "Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen..." Zu uns heute würde er vielleicht so sprechen: "So lange Zeit auch vergangen ist, seid immer gefasst darauf und vorbereitet, dass ich zu euch komme. Lasst euch nicht von den Dingen dieser Welt ablenken. Das macht es euch nur schwerer, mir euer Herz zu öffnen."

Wir werden erstaunt sein, wenn unser Herr kommt! Es wird ganz anders sein, als wir gedacht haben. Hören wir doch: "Selig sind die Knechte [und Mägde], die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen." Darüber müssen wir uns schon wundern: Nicht wir werden ihm aufwarten, wie es sich für die Dienerinnen und Diener gehört! Er wird uns dienen. Der Herr wird die Schürze anziehen und uns an seinem Tisch bewirten. - Wirklich erstaunlich, ja, fast unglaublich - und doch wahr!

Aber kennen wir das nicht schon von ihm, unserem Herrn: Wie ein Bettler zieht er als Wanderprediger durch das Land, er, der Sohn Gottes. Wie der niedrigste Sklave hat er dem Petrus und den anderen Jüngern die Füße gewaschen. (Jh.13,5) Wie ein Schuldiger geht er, der Unschuldige in Leiden und Tod für alle Menschen, um sie von Sünde und Schuld, von Tod und Teufel zu befreien. Da sollte er uns, die wir auf ihn gewartet haben, nicht an seinem Tisch bedienen?

Aber verlassen wir jetzt die Bilder, in die Jesus damals seine Worte gekleidet hat. Bald 2000 Jahre sind vergangen, seitdem er über diese Erde ging und uns durch sein Kreuz erlöst und durch seine Auferstehung eine Zukunft über den Tod hinaus eröffnet hat. Das ist eine lange Zeit gewesen. Viel ist geschehen in der Welt. Das Leben, unser Leben ist nicht mehr so wie damals. Ganz sicher hatten es die Jünger Jesu und die Christen der ersten Gemeinden leichter, immer bereit zu sein dafür, dass der Herr wieder kommt. Was konnte sie schon daran hindern, ihn freudig zu empfangen? Das bisschen Besitz, das sie ihr Eigen nannten? Die armselige Hütte, die sie bewohnten? Die Stellung als Fischer, Handwerker, Tagelöhner oder Sklaven, die sie und ihre Familien kaum ernährte? Die kleine Hoffnung, dass sich für sie in dieser Welt noch einmal etwas zum Besseren wenden würde?

Ganz anders wir: Wir leben in einer Welt des Überflusses und des Luxus'! Es gibt so vieles, an das wir unser Herz hängen können - und wir tun es auch: Das Haus, unser Auto, das Geld, das uns ein meist gutes Auskommen sichert, die Möglichkeit zu reisen, die Vergnügungen, die wir uns leisten können und noch so manches andere, was mit Geld zu bezahlen ist. Aber das ist lange nicht alles. Da ist noch der Beruf, der unser Herz bindet, unser Hobby, die Beziehungen zu anderen Menschen, in der Familie, zu den Freunden in unserem Verein und in der Nachbarschaft... Selbst die Armen unserer Zeit, die von der Fürsorge oder einer kleinen Rente leben müssen, sind noch viel besser dran als die Jünger Jesu und die ersten Christen damals.

Was heißt das also, wenn Jesus uns heute mahnt: "Seid immer bereit, dass, wenn ich komme und anklopfe, ihr mir sogleich auftut." Sicher nicht heißt es, dass wir jetzt für keinen anderen Gedanken mehr frei sein dürfen als den, dass Jesus an jedem Tag, in jeder Stunde kommen könnte und unser Leben und diese Welt an ihr Ende käme. Wohl kann das sein, aber es soll uns nicht bestimmen. Unser Leben, das uns in dieser Welt von Gott geschenkt wurde, ist auch wichtig und es hat seinen Sinn. Wir sollen es so führen, dass es erfüllt ist, dass es auch für andere Menschen hilfreich ist und etwas bedeutet. Wir sollen in diesem Leben auch Liebe zu den Mitmenschen und gute Gemeinschaft mit ihnen haben, teilen und abgeben können, woran wir reich sind und was sie brauchen.

Vor allem sollen wir nicht ängstlich und voll banger Erwartung dem Tag entgegensehen, an dem unser Herr kommt. Es ist doch derselbe Herr, der sich zum Diener seiner Jünger gemacht hat und für uns in den Tod gegangen ist. Und er sagt uns zu, dass er sich schürzen und uns zu Tisch bitten und kommen und uns dienen wird. Wovor sollten wir uns da fürchten?

Liebe Gemeinde, heute ist Altjahrsabend. Wieder liegen 12 Monate Leben hinter uns mit allem, was sie gebracht haben: Den schönen Stunden, den Sorgen, den guten und bösen Erfahrungen, den neuen und alten Beziehungen und den Abschieden... Wir wollen das alles gern heute Abend an der Schwelle des neuen Jahres - ja, nicht abtun und vergessen, aber doch ablegen, so dass wir offen sind und bereit für das, was in den nächsten 12 Monaten auf uns zu kommt. Was gewesen ist, können wir nicht mehr ändern. Was kommen wird, wollen wir aber mit freiem Herzen aufnehmen und aus Gottes guter Hand empfangen.

Ich glaube, dass uns die Worte aus dem Lukasevangelium auch in diesen letzten Stunden des alten Jahres, bevor wir heute Nacht die Tür zum neuen Jahr durchschreiten, etwas zu sagen hat: "Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten [...] Selig sind die Knechte [und Mägde], die der Herr, wenn er kommt, wachend findet." Man kann das ja gar nicht nur so end-gültig verstehen, so als wäre dann gleich auch das Ende da für Welt und Menschen. "Kommen des Herrn" kann ja auch sein, wenn er in unser Leben tritt, in unser Denken, Reden und Handeln. "Zu uns gekommen" ist er ja auch dann, wenn wir ihn auch in unseren Gebeten befragen, wenn wir unsere Pläne für das kommende Jahr machen, unsere Wünsche äußern und unsere Entscheidungen treffen. Ganz besonders nah kommt er uns aber, wenn wir ihm auch unseren Dank abstatten, ihn loben und preisen und ihn auch in Zeiten der Freude unseren Herrn sein lassen.

Alles das heißt auch wache, wartende Menschen zu sein und zu bleiben, Menschen, die immer aufmerksam sind für seine Stimme, die ja nie schreit, sondern ganz leise zu uns spricht. Wach sein und warten auf ihn bedeutet, an jedem Tag des neuen Jahres mit ihm in Verbindung zu bleiben, immer wieder sein Wort, seine Hilfe, seinen Trost zu suchen und sich auf seine Verheißung: "Ich bin bei euch alle Tage!" zu verlassen. Und nicht zuletzt ist es auch ein Zeichen dafür, dass wir auf ihn warten und wach sind, wenn wir die Liebe, die er uns schenkt, an unsere Mitmenschen weitergeben - genauso reichlich und bedingungslos, wie er sie uns entgegenbringt.

Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen allen die wunderbare Erfahrung, dass unser Herr zu ihnen kommt und an jedem Tag des Jahres, das heute Nacht beginnt, hörbar und fühlbar bei Ihnen bleibt.

Seid immer gefasst darauf und vorbereitet, dass er zu euch kommt. Lasst euch nicht von den Dingen dieser Welt ablenken. Lasst ihn in euer Leben und in euer Herz! AMEN