Predigt zum 1. Sonntag n. Weihnachten - 28.12.2014

Liebe Gemeinde!

Das ist heute schon ein besonderer Sonntag: In manchen Jahren nämlich gibt es ihn überhaupt nicht (2010/11), weil er auf den Altjahrsabend oder den Neujahrstag fällt, die ja eigene Feier- und Predigttage sind. In anderen Jahren liegt er unmittelbar vor Silvester (2012), sodass die PfarrerInnen oder PredigerInnen vor dem Altjahrsabend und dem Neujahrsmorgen nicht noch einen dritten Gottesdienst und eine dritte Predigt vorbereiten wollen - was ich und Sie wohl auch verstehen können. In den Gemeinden, in denen es dann so gehalten wird, ist die Woche vom Gottesdienst zum 4. Advent bis zu dem am Silvesterabend dann halt einen Tag länger, was man ja doch ganz gut "verkraften" kann.

In diesem Jahr liegt dieser Sonntag aber ziemlich in der Mitte zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel. Da "lohnt" es sich schon, einen Gottesdienst anzubieten. Außerdem ist heute ein sehr interessanter Predigttext dran, über den alle, die heute zu predigen haben, sicher gern sprechen werden. Wir wollen diesen Predigttext einmal hören, er steht beim Evangelisten Lukas:

Textlesung: Lk. 2,(22-24) 25-32 (33-40)

Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Liebe Gemeinde, zuerst müssen wir noch die Frage klären, warum Maria und Josef mit ihrem Kind eigentlich in den Jerusalemer Tempel gekommen sind. Das hat zwei Gründe: Einmal machten sich die Frauen, die ein Kind geboren hatten, einige Tage nach der Geburt zur "kultischen Reinigung" zum Haus Gottes auf. Das gab es früher auch bei uns - besonders lange in ländlichen Gegenden. Man sagte dazu: Die Frau "ging aus der Woche". Im alten Israel und bei uns war das mit einer Segensbitte für die Frau verbunden, die vom Priester bzw. dem Pfarrer gesprochen wurde.

Der zweite Brauch, der allerdings nur in Israel geübt wurde, war die sogenannte "Darstellung" des erstgeborenen Sohnes. Dieser erste Sohn gehörte nämlich Gott und wurde später oft selbst ein Priester, der Gott diente. Dazu musste auch der Vater mitkommen. Man konnte den Erstgeborenen aber auch mit einem Opfer auslösen, dann war er in seiner Berufswahl später frei. Jesus freilich gehörte ganz selbstverständlich Gott, deshalb hören wir nichts weiter von seiner Darstellung oder gar Auslösung. Es heißt nur, dass die Eltern mit ihrem Sohn "nach dem Gesetz" verfuhren.

Ich glaube, jetzt wissen wir genug über den Anlass des Besuchs der Eltern und ihres Kindes im Tempel. Wir können uns der Geschichte selbst zuwenden.

Mir gefällt besonders gut, dass Simeon, der fromme, gottesfürchtige Mann, der so sehr auf den Messias gewartet hat, "auf Anregen des Geistes in den Tempel gekommen war". Es ist ja doch traurig, dass wir in unseren Tagen nur noch so wenige Wirkungen des Heiligen Geistes zu sehen bekommen. Oder schauen wir vielleicht nicht mehr genau genug hin, was uns und anderen oft Wunderbares geschieht???

Simeon jedenfalls hatte - und das ist auch schon eine Wirkung des Geistes Gottes gewesen - durch ein Wort Gottes erfahren, dass er nicht sterben würde, bevor er den Heiland gesehen hätte. Heute endlich war es soweit und es war wohl für ihn wie ein Zwang gewesen, den Tempel aufzusuchen. Und er wusste sofort, wer dieses Kind war, das da mit seinen Eltern vor dem Altar stand. Und er konnte nicht anders: Er musste den Kleinen in den Arm nehmen, ihn herzen und küssen und Gott über dem Kind loben und preisen.

Liebe Gemeinde, auch das gefällt mir gut! Dass der alte Mann so glücklich ist und froh, das Kind Gottes, den ersehnten Heiland zu sehen und im Arm zu halten. Wenn wir ganz ehrlich sind, haben wir diese Freude so noch nie empfunden oder vielleicht im Laufe unseres Lebens verlernt. Aber wenn wir das, was der alte Simeon damals im Tempel erlebt hat, einmal ganz genau anschauen, dann geht uns das sicher auf, es ist doch heute für uns gar nicht so viel anders als damals: Auch wir haben lange Zeit auf den Heiland gewartet. Und da meine ich gar nicht nur die Adventswochen. Die sind ja nur ein Abbild der viel längeren Zeit, die wir in unserem Leben schon darauf warten, dass der Heiland auch zu uns kommt. Und das Warten ist uns lang geworden. Vielleicht sind viele Weihnachten gekommen und wieder vorbeigegangen, ohne dass wir das Kind wirklich empfangen und in unsere Arme und unser Herz genommen haben. Vielleicht waren wir von zu vielen anderen Dingen abgelenkt. Vielleicht auch waren wir nicht oder noch nicht bereit dazu.

Wieder war vor Tagen ein Heiliger Abend. Wieder war Weihnachten. Wir haben die schönen alten Lieder gesungen. Wir haben die wunderbare Geschichte SEINER Geburt gehört. Vielleicht haben wir in der Kirche oder zu Hause auch an der Krippe gestanden, Maria und Josef daneben und das Kind, das in die Welt kam, um sie zu retten, lag im Viehtrog, als wär's das weicheste Bettchen. Da haben wir vielleicht gedacht: Ob das Kind mich in diesem Jahr wohl wirklich froh macht? Ja, ob ich zu diesem Fest einmal etwas von der "großen Freude" spüren kann, "die allem Volk widerfahren soll"?

Liebe Gemeinde, ich weiß ja nun nicht, warum Sie gerade heute zur Kirche gekommen sind an diesem Sonntag, den es in manchen Jahren gar nicht gibt und an dem wir in unseren Kirchen ja auch meist keinen besonders regen Gottesdienstbesuch haben. Dass Sie heute hier sind, kann beides bedeuten: Dass ER in diesem Jahr bei Ihnen angekommen ist und Sie die "große Freude", wie sie Simeon empfunden hat, auch erlebt haben. Oder aber, dass die Freude, die Sie doch auch so gern in Ihrem Herzen fühlen würden, bis heute wieder ausgeblieben ist.

Wie es nun auch sein mag und auch wenn es noch ganz andere Gründe hat, warum Sie heute hier sind, ich möchte uns jetzt zu Herzen sprechen und Ihnen allen sagen, was da mit diesem Gotteskind in die Welt gekommen ist:

Das Kind, das da in diesen Tagen geboren wurde, wird einmal der Heiland sein, der mit seiner Liebe die Menschen und die Welt verändert. Von nun an ist keiner mehr allein mit seinen Sorgen, Ängsten und Nöten. Unsere Gebete haben eine Adresse: Jesus Christus. Er hat immer ein Ohr für uns. Er hört auf unsere Stimme - zu jeder Tag- und Nachtzeit. Er hilft uns. Nicht immer bewahrt er uns vor dunklen Tagen, vor Unglück und Gefahr, aber er geht mit uns hindurch. Er begleitet uns und weist uns den Weg.

Er hat von unserem himmlischen Vater die Macht erhalten, Sünde und Schuld zu vergeben. Er ist dafür ans Kreuz gegangen und hat Leiden und Tod auf sich genommen, um uns von allem, was uns beschwert und bindet, loszumachen. Wenn er uns vergibt, dann sind wir frei und kein Mensch darf uns mehr auf unsere Fehler festlegen. Keine und keiner von uns ist schlechter und von geringeren Wert vor ihm als irgendeine oder irgendein anderer.

Der Weg durchs Leben, das hinter diesem Heiland hergeht, ein Mensch, der ihm nachfolgt, kommt am Ende ans Ziel: Gottes Ewigkeit, die allen verheißen ist, die in seiner Spur bleiben und zurecht seinen Namen tragen.

Liebe Gemeinde, ich könnte noch viel sagen und beschreiben, was ein Mensch erlebt, der mit dem Kind, dessen Geburt wir in diesen Tagen feiern, oder sagen wir besser, mit dem Mann, der aus diesem Kind geworden ist, im Glauben eine Beziehung aufnimmt. Ich könnte von den vielen schönen Erfahrungen reden, die er uns jeden Tag schenkt. Ich könnte die kleinen und manchmal größeren Wunder nennen, über die wir staunen müssen. Ich könnte auch den Sinn erwähnen, den er uns jeden Tag neu in unser Leben und in all unser Tun hineingibt.

Vor allem aber müsste ich die "große Freude" ansprechen, die unser Herz ergreift, wenn ER bei uns einzieht, um für immer zu bleiben. Es ist die Freude, die schon Simeon ergriffen hat und die ihn das Kind herzen und küssen und Gott singen und ihn preisen lässt.

Diese Freude übrigens steht nicht nur an Weihnachten im Kalender, sondern an jedem Tag - auch an diesem Sonntag, den es in manchen Jahren gar nicht gibt! Ich wünsche Ihnen allen diese Freude - heute! AMEN