Predigt zum 4. Advent - 21.12.2014

Textlesung: Lk. 1,(39-45) 46-55 (56)

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.

Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?

Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Liebe Gemeinde!

Eine schöne Geschichte, ohne Zweifel. Und so passend zu dieser schönen Adventszeit. Aber wenn wir fragen, was wir aus dieser Geschichte an Trost und Hilfe ziehen oder welchen Ansporn, uns zu verändern, dann fällt es uns schwer, eine Antwort zu finden. Und ein Textabschnitt, den wir predigen sollen, muss doch etwas davon enthalten.

Aber - Sie haben es sich schon gedacht - mir ist doch noch etwas eingefallen oder besser: aufgefallen, was an dieser Geschichte wert ist, dass wir einmal eine Predigt darüber halten und hören: Hier handeln in den beiden Hauptrollen Frauen! Zacharias, der Mann der Elisabeth, wird nur erwähnt, aber spielt weiter keine Rolle. Und nicht nur, weil er zu dieser Zeit damals noch stumm war, als Strafe dafür, dass er nicht glauben wollte, dass seine Frau in ihrem Alter noch ein Kind bekommen würde. (Lk.1,20ff) Zacharias war auch nicht wichtig für das, was uns dieser Textabschnitt sagen will: Dass es nämlich zwei Frauen sind, die am Anfang der Geschichte Jesu in dieser Welt stehen. Gott hat an beiden "große Dinge getan". Der Elisabeth hat er im Alter ein Kind verheißen genauso wie der Maria, die, wie sie das ausdrückt, "von keinem Manne wusste". Das eine Kind wird der Täufer Johannes sein. Das andere der Heiland der Welt. Wahrhaftig: Wir hören von zwei Frauen, die auf ganz besondere Weise Gottes Gnade erfahren haben, so wie kein Mann, von dem wir in der Bibel lesen.

Vielleicht fragen Sie jetzt, was daran so bemerkenswert sein soll, dass man darüber predigen kann?

Gehen Sie in Gedanken doch einmal die wichtigsten Geschichten durch, die uns die Bibel erzählt. Wer spielt meist die Hauptrollen - überwiegend Männer: Im Alten Testament - Esau und Jakob, Noah, Mose, Samuel, Saul, David, Salomo...und im Neuen Testament: Die 12 Jünger, der verlorene Sohn, der Barmherzige Samariter, der reiche Jüngling, Nikodemus, Pilatus, der Hohepriester Kaiphas...um nur einige zu nennen. Die Bibel besteht fast nur aus Geschichten, in denen Männer im Mittelpunkt stehen. Und - auch das muss hier noch gesagt werden: Es gibt ja auch kein einziges Buch der Bibel, das von einer Frau geschrieben wäre. Die Bibel, das Buch unseres Glaubens ist ganz eindeutig von Männern bestimmt.

Bevor wir nun sagen, das hat sich ja Gott sei Dank im Laufe der Geschichte geändert - auch der Geschichte der Kirche, bevor wir das sagen, schauen wir einmal genau hin: Die Weltgeschichte war immer viel mehr eine Geschichte von Königen, Kaisern, Kanzlern und Präsidenten. Erst in neuerer Zeit treten auch hin und wieder Frauen auf die Weltbühne und auch in der Leitungsebene der Wirtschaft und in der Ministerriege unserer Regierung sind sie immer noch stark unterrepräsentiert.

Und in der Kirche? Vom Papst bis hinunter zum kleinen Priester in Irgendwo - immer sind es Männer, die das Sagen haben und das katholische Glaubensleben prägen. Und auch in der Evangelischen Kirche ist es noch nicht so lange her, dass die Männer in der Kirchenleitung Frauen für das Pfarramt zugelassen haben. (Heute allerdings sind in einigen Deutschen Landeskirchen die Pfarrerinnen gegenüber den Pfarrern sogar in der Überzahl!) Aber wenn wir in die Gemeinden hineinschauen, sehen wir oft doch noch die Männer auf den für wichtiger gehaltenen Positionen, während die Frauen für die Bewirtung bei Gemeindefesten, Besuchsdienst bei Kranken und neuen Gemeindegliedern und den Kindergottesdienst zuständig sind. Wobei diese Dienste nicht wirklich unwichtiger sind!

Vor diesem Hintergrund verstehen wir jetzt sicher besser, warum die Geschichte von Elisabeth und Maria so beachtenswert ist! Und wir verstehen auch die Freude, die beide Frauen empfinden. Sie, als Frauen, sind so hoch gewürdigt, so begnadet, dass sie am Beginn der Verkündigung des Evangeliums stehen! Bei Elisabeth ist die Freude so groß, dass sogar das Ungeborene in ihrem Leib zu hüpfen beginnt. Maria aber fasst die Freude in Worte: "Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. [...] ...er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist."

Liebe Gemeinde, ich muss sagen, dass ich mich auch freue, wenn hier einmal die Frauen in der Mitte einer Geschichte stehen. Und mir kommt es fast so vor, als wären es vielleicht doch die Schreiber der biblischen Bücher gewesen, die immer lieber die Geschichten weitererzählt und von den Ereignissen berichtet haben, in denen Männer die Hauptrollen spielen. Denn wir wissen zum Beispiel, dass es eine große Schar von Jüngerinnen gegeben hat. In den Evangelien aber hören wir nur von Jüngern. Und wir wissen, denn wir können es ganz am Anfang der Bibel in der Schöpfungsgeschichte lesen, dass keins der beiden Geschlechter bei Gott einen Vorzug hatte, denn es heißt dort: "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau." (Gen.1,27)

Aber jetzt, da wir darüber reden und nachdenken, fällt uns vielleicht noch etwas auf: Jesus hat die Frauen, mit denen er im Laufe seines kurzen Erdenlebens zusammengetroffen ist, immer sehr freundlich und gut behandelt und ganz anders, als es zu seiner Zeit in der jüdischen Welt üblich war. Er hat ihnen die gleiche Würde zuerkannt wie den Männern. Denken Sie nur an die Samaritanerin am Brunnen, mit der er, der Mann und Rabbi ein Gespräch führt, obwohl die Juden mit den Samaritanern keine Gemeinschaft haben. (Jh.4,6ff) Oder denken Sie an die Frau, von der Jesus in Bethanien gesalbt wird. Jesus lässt sich von ihr berühren, was einen Tabubruch bedeutete und nimmt sie auch noch vor den anwesenden Männern in Schutz. (Mt.26,6ff) Einer dritten Frau hat Jesus geradezu das Leben gerettet, das sie schon verwirkt hatte. Ich meine die Ehebrecherin. (Jh.8,3ff) Er ergreift ihre Partei - und das vor einigen empörten Männern, die von ihm ein klares Urteil verlangt hatten, die Steinigung, die für Ehebruch nach dem Gesetz vorgesehen war.

Ich finde, Jesu Umgang mit den Frauen wirkt fast so, als wollte er die Achtung vor ihnen als gleichwertige Geschöpfe Gottes wiederherstellen, die seit der Schöpfung verloren gegangen war. Und wir ahnen, was das damals bedeutete, wenn wir heute die traurige Wirklichkeit wahrnehmen: Dass viele Männer es auch in unseren Tagen immer noch nicht fertigbringen, Frauen als gleichberechtigt anzusehen und von gleicher Würde vor Gott.

Aber wir wollen die Linie, die wir beim Besuch der Maria bei Elisabeth begonnen haben, über den Umgang Jesu mit den Frauen, von dem die Evangelien berichten, nun auch noch bis zu dem Ereignis ausziehen, das wohl das wichtigste Beispiel dafür ist, dass Gott den Frauen keine geringere Rolle in der Heilsgeschichte zugemessen hat als den Männern: Ich meine die Auferstehung unseres Herrn. Es sind nicht die Jünger Jesu, denen der Auferstandene zuerst erscheint, es sind zwei Frauen: Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Joses. (Mt.28,1ff) Sie, nicht die Männer aus der Umgebung Jesu, werden gewürdigt, die wunderbare Botschaft weiterzutragen: Dass Jesus den Tod besiegt und allen, die an ihn glauben, die Tür zum Ewigen Leben geöffnet hat.

Liebe Gemeinde, und wenn es nur das wäre, was wir aus der Geschichte von Maria und Elisabeth entnehmen können, die heute zu predigen war: Dass Gott den Frauen keineswegs nur Nebenrollen in seinem Evangelium gegeben hat - wäre das so wenig? Ich glaube, unsere Gesellschaft und gerade die Männer haben hier noch viel zu lernen, bis wirklich überall den Frauen die Achtung entgegengebracht wird, die ihnen als gleichwertige und gleich geliebte Geschöpfe Gottes zusteht.

Übrigens: Passt diese Geschichte als Erinnerung daran, dass Frauen genauso wertvoll und begnadet sind wie Männer, nicht auch sehr gut in diese Zeit kurz vor dem Fest, wenn bald wieder - außer Maria - ja eigentlich nur noch Männer die Szenen der Weihnachtsgeschichte bestimmen: Hirten draußen bei den Schafen, dann bei ihrem Besuch im Stall, die drei Weisen aus dem Morgenland, der König Herodes... Gut, dass wir heute von Maria und Elisabeth gehört haben! AMEN