Predigt zum Drittl. Sonntag des Kirchenjahres - 9.11.2008

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Textlesung: 1. Thess. 5, 1 - 6 (7 - 11)

Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

Liebe Gemeinde!

Es sind mindestens drei Dinge, die wir in diesen Zeiten lernen können oder besser: lernen müssen: Einmal dies, dass nichts vorhersehbar ist, so dass man sagen kann, dann und dann werden wir dies oder das erreicht haben. Zum andern müssen wir gerade lernen, dass sich wirklich über Nacht alles ändern kann, was immer so sicher und fest aussah. Und das dritte ist, dass wir keinem Menschen letztlich vertrauen können, abgesehen einmal von unseren familiären und partnerschaftlichen Beziehungen.

Sie haben jetzt sicher schon verstanden, wovon ich rede: Die Finanzkrise. Ich will das aber nicht weiter vertiefen. Sie soll mir vielmehr nur ein aktuelles Beispiel dafür sein, was wir gewiss auch schon früher - im privaten, im politischen und wirtschaftlichen Leben - erfahren haben. In diesen Tagen aber drängen sich diese drei Erkenntnisse ja geradezu auf: Nichts ist von uns Menschen vorherzusehen - wer hätte vor Monaten noch an die Pleite von einigen der größten Banken der Welt gedacht und wer glaubt heute noch an einen ausgeglichenen Bundeshaushalt in 2011?
Da gehen wir am Abend mit guten Gedanken zu Bett, wähnen unsere Wirtschaft auf Erfolgskurs - am Morgen hat sich alles verändert und die Angst vor der Rezession und dem Verlust unseres Ersparten geht um. Und das Vertrauen zu unserem Bank- oder Aktienberater, zu unserem Freund oder Kollegen, der uns „gute" Anlage-Tipps gegeben hat und in die Prognosen unserer Wirtschaftsweisen und die Versprechungen unserer Politiker ist geschwunden oder doch stark erschüttert.

Genau so ging und geht es den Christen aller Zeiten und auch uns heute angesichts der Fragen um die Wiederkunft Christi, das Ende der Welt, das jüngste Gericht und den Anbruch von Gottes Ewigkeit: Wir können nichts vorhersagen. Es kann ganz plötzlich eintreten, was wir nie (mehr) geglaubt hätten. Wir können keinem Menschen und dem, was er sagt, voll vertrauen. Das eben meint Paulus, wenn er den Gemeindegliedern von Thessaloniki und uns heute diese Worte schreibt:

„Von den Zeiten und Stunden aber ... ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen."

Aber trotzdem wir doch wissen - genau wie schon die Thessalonicher -, dass Gottes Tag kommt, wie ein Dieb, der sich nicht ankündigt ... trotzdem leben wir so, als wüssten wir den Zeitpunkt! Zwar nicht genau, aber eins ist doch sicher, wie wir meinen: Dass dieser Zeitpunkt nicht so bald sein wird, allenfalls in ganz ferner Zukunft, dann, wenn wir schon lange gestorben sein werden. - Und wenn es nun doch noch heute soweit wäre, oder morgen oder in der kommenden Woche???

Und obwohl wir es gerade jetzt und doch auch schon in der Vergangenheit immer wieder erfahren haben, dass auf einmal Dinge eintreten, die wir nicht - oder nicht mehr - für möglich gehalten haben, rechnen wir nicht mit dem Unvorhersehbaren. - Warum aber soll nicht geschehen, was doch möglich ist und wofür wir ja auch immer wieder einmal Beispiele erlebt haben?

Schließlich - und ich spüre, dass es an dieser Stelle ein wenig heikel wird! - bringen wir immer wieder Vertrauen zu Menschen auf, von denen wir genau wissen, dass sie doch eigentlich nur in ihrem eigenen Interesse handeln. Warum das „heikel" ist, haben sie jetzt auch empfunden: Weil Vertrauen doch schließlich eine Grundvoraussetzung für jede zwischenmenschliche Beziehung ist! Dennoch: Manchmal werfen wir unser Vertrauen auch weg an Leute, von denen wir annehmen müssen, dass sie es nicht verdient haben. Dann aber wird Vertrauen zur Gutgläubigkeit und sogar zu Leichtsinn! - Aber genug davon. Paulus will ja etwas bei uns erreichen, etwas, das uns weiterführt: „Ihr aber ... seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein."

Wir Christinnen und Christen sollen wachsam sein! Das gilt im Blick auf ein allgemeines Weltende genau so, wie vor der Erwartung des eigenen Sterbens. Denn für jeden Menschen persönlich würde das ja keinen großen Unterschied machen. Und wir können in dieser Wachsamkeit auch ganz gelassen sein , denn wir sind „im Licht" und nicht „in der Finsternis". Wer uns erleuchtet hat, wissen wir: Jesus Christus, das Licht der Welt. Darum ist für uns jetzt immer „Tag" und wir müssen den „Tag des Herrn", der kommt wie ein „Dieb in der Nacht" nicht fürchten. - Klare, verständliche Bilder! Aber zunächst nur Bilder. Sie müssen auch in unser Leben überführt werden. Wie könnte das aussehen?

Ich musste an die alte Frau denken, die einmal zu mir gesagt hat: „Ich bin immer zur letzten Reise bereit. Mein Koffer ist gepackt. Wenn ich gerufen werde, kann ich gehen." Und - ich glaube schon, dass es mit dieser Einstellung zu tun hatte - diese alte Frau hatte dann ein leichtes Sterben; sozusagen im Schlaf ist sie hinüber gegangen.

Nun kann man sich das bei alten Menschen ja durchaus vorstellen, dass sie immer mit dem Abschied rechnen. Aber ich kenne auch einen Mann in den mittleren Jahren, der sich einmal ganz ähnlich geäußert hat: „Ich hänge nicht an den Dingen dieser Welt. Nichts davon kann mich hier festhalten. Ich freue mich sogar auf die Stunde, wenn ich heimgehen darf. Ich kenne den, der mir drüben eine Wohnung bereitet hat und fürchte mich nicht. Ich hoffe nur, dass ich einmal nicht lange leiden muss."

Hier denken wir wahrscheinlich, dass dieser Mann doch eine Frömmigkeit hat, die nicht jedem so gefällt und zugänglich ist. Gerade in den jüngeren und den besten Jahren des Lebens hat man doch noch so viel vor! Wer beschäftigt sich da schon mit den Gedanken an den Tod und was danach kommt? - Aber genau an dieser Stelle kommt etwas in den Blick, was doch sehr seltsam und eigentlich rätselhaft ist: Warum nur befassen wir uns so ungern mit dem Abschied von dieser Welt? Warum verdrängen wir hier so gern und machen uns vor, es ginge ja wohl immer und immer so weiter mit dem Leben? Und gerade wenn wir Christen sein wollen, ist das doch ganz unangemessen, das Sterben zu verdrängen. Einmal ganz abgesehen davon, dass der Tod heute ja fast täglich um uns ist: Wir hören, dass der und der Nachbar gestorben ist. Wir sehen im Fernsehen die Bilder eines Unfalls, bei dem eine ganze Familie umgekommen ist. Es bringt uns ins Nachdenken, dass in Afghanistan inzwischen 30 noch junge deutsche Soldaten Anschlägen zum Opfer gefallen sind. Das alles zu verdrängen und aus unserem Bewusstsein auszublenden hat doch eigentlich gar keinen Sinn. Und es kann uns doch auch kaum gelingen und es bindet so viele Energien, es auch nur zu versuchen! - Warum also diese Gedanken nicht einfach zulassen? Warum nicht wahrnehmen und annehmen, dass alle Menschen sterben müssen und wir selbst auch auf den Tod zugehen. Wir Christen können das! Dieses Ziel unseres Lebens ist nicht nur angsterregend, es ist auch herrlich und wunderbar! Wir werden auferstehen und bei Gott sein. Wir werden bei ihm ewig sein und in seiner Nähe ungeahnte Wunder erleben. Alles, was uns hier beschäftigt hat, worum wir gekreist und worüber wir uns gesorgt haben, wird fern sein und unwichtig.

Wenn wir das Ende aller Zeit auch während unseres Lebens nicht mehr erfahren sollten, unserem eigenen, persönlichen Abschied werden wir nicht ausweichen können. Aber auch wenn der vielleicht plötzlich kommt, so muss er doch nicht „unerwartet" sein, wie wir immer wieder in den Todesanzeigen lesen. Wir Christen leben im Licht der Erkenntnis Jesu Christi. Wir sind „Kinder des Tages". Das Ende wird für uns nicht „wie ein Dieb in der Nacht" erscheinen, sondern wie das lang erwartete und manchmal auch ersehnte Öffnen einer Tür, von der wir immer nur wussten - jetzt aber dürfen wir eintreten, schauen, staunen und uns ewig freuen ...

Zu Menschen können wir letztlich kein unbedingtes Vertrauen haben, es sei denn, uns verbindet eine wirkliche, echte Liebe. Gott, der uns das Leben verspricht, das nach dem Tod erst wirklich beginnt, dürfen wir Glauben und Vertrauen schenken, denn er ist die Liebe selbst: Ihr aber, liebe Schwestern und Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. AMEN