Predigt zum 8. Sonntag n. Trinitatis - 13.7.2008

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Textlesung: Röm. 6, 19-23

Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.

Liebe Gemeinde!

Wenn man Paulus so hört, dann muss man ihn für einen ziemlichen Pessimisten halten: „Ihr hattet eure Glieder hingegeben an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit ..." Ist das denn wirklich so? Ist einer ungerecht, dann ist immer wieder ungerecht? Ist das Böse, die Sünde wie ein Sog, in den wir immer tiefer herabgezogen werden?

An vielen anderen Stellen der Bibel äußert sich die selbe pessimistische Sicht vom Menschen: Wir hören im ersten Mosebuch vom Pharao in Ägypten, der auch nach den 10 Plagen, die über sein Land gekommen sind, die Israeliten nicht in die Freiheit entlassen will. Das ist ein Beispiel für die beharrliche Kraft der Sünde. Oder schauen wir in die Evangelien: Wenn wir einmal den Reichtum, der nicht mit anderen teilt, als böse ansehen, dann weist etwa dieses Wort Jesu in genau die gleiche Richtung: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme." (Mt. 19,24) Warum ist das so? Weil eben ein Mensch nur sehr schwer loskommt vom Bösen! Schließlich malt auch das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, ein sehr düsteres Bild von der Zukunft, soweit sie an den Menschen liegt: „Sie bekehrten sich nicht von den Werken ihrer Hände, dass sie nicht mehr anbeteten die bösen Geister und ... hölzernen Götzen, die weder sehen noch hören noch gehen können, und sie bekehrten sich auch nicht von ihren Morden, ihrer Zauberei, ihrer Unzucht und ihrer Dieberei." (Offb. 9,20f )

Aber auch bei vielen Dichtern können wir ganz ähnliche Gedanken lesen. Bei Goethe, der im Faust seinen Mephistopheles sagen lässt: „In jeder Art seid ihr verloren ... und auf Vernichtung läuft's hinaus." Aber auch bei Gryphius, Rilke und vielen modernen Dichtern und Schriftstellern aus unseren Tagen wird dem Menschen nicht viel zugetraut, was eine Änderung zum Guten angeht.

Und wenn wir noch uns selbst fragen und die Sprichwörter, die wir so benutzen, um unsere Erwartung an die Menschen auszudrücken, dann herrscht auch da eine eher pessimistische Haltung vor: „Eher wird der Mond eckig, als das der oder die sich ändert!", so sagen wir. Oder: „Mit einem ... Ehebruch, einer Schandtat, einer Sünde usw. ... fängt es an, doch dann kommt eine Reihe dran!" Und auch dieses Wort heißt eben bezeichnenderweise nicht: „Wer lügt, der kann auch einmal die Wahrheit sagen!", sondern „Wer lügt, der stiehlt auch!" Wir denken also auch meist mehr im Sinne der Gedanken des Paulus, die wir heute bedenken: „Ihr hattet eure Glieder hingegeben an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit ..." Das Böse, die Sünde ist ein Strudel, in dem wir - wenn wir uns einmal hinein begeben haben oder hineingerissen worden sind - immer tiefer hinabgezogen werden und aus dem wir nur ganz schwer wieder herauskommen!

Nun würde Paulus nicht solche Worte schreiben und die Bibel uns nicht solche Gedanken vorlegen, wenn das nun alles wäre und die letztgültige Feststellung: Hat uns die Sünde einmal am Wickel, dann kommen wir nicht mehr los von ihr! Darum lesen wir jetzt weiter: „...als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet ..."

Wir wollen das ganz genau hören - und in der richtigen Reihenfolge: Zuerst ist da die Frucht, also das Böse, die Sünde, die immer wieder neue Sünde gebiert. Dann folgt die Scham darüber, dass wir solche Frucht hervorgebracht haben und immer wieder neu hervorbringen. Diese Scham können wir auch Reue nennen und damit sind wir dann ganz nah bei dem, was auch wir evangelische Christen für den einzigen Weg halten, die Sünde zu überwinden: Sie muss uns ehrlich leid tun! Die Bußlehre spricht von „contritio cordis", der „Zerknirschung des Herzens". Aus diesem Gefühl und nur aus diesem Gefühl heraus, dass uns die Sünde, die Bosheit und Schuld, die wir begangen haben von Herzen leid ist, können wir über sie hinaus kommen. Aber - und das wollen wir auch sehr genau hören und in uns aufnehmen: Diese Zerknirschung, dieses Gefühl, dass wir mit Gott nicht im Reinen sind, dass wir allein unser Leben nicht machen können, vielmehr ohne ihn immer wieder auf falsche, schlechte Wege geraten, das muss echt sein! „Ei ja, es tut mir leid!" genügt nicht. Ein bisschen Reue gibt es nicht und auch nicht eine für bestimmte Sünden, die vielleicht so spricht: „Dies und das, was ich getan habe, war nicht recht. Nein, das "Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf", wie Gott es schon am Anfang seiner Geschichte mit uns Menschen sagt (1. Mos. 8,21). Und aus diesem Verhängnis kann uns nur die Reue erlösen, unser vorbehaltloses, ehrliches Ja zum Urteil Gottes über uns: Ja, ich bin verstrickt in die Bande von Schuld und Sünde, Bosheit und Hochmut, Ungehorsam und Auflehnung gegenüber meinem Schöpfer. Und ich kann allein davon nicht loskommen.

Hier gehört jetzt das hin: „Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid ..." Es ist Jesus Christus, auch wenn er hier nicht genannt wird, der das bei uns vollbringt, dass wir frei werden von der Sünde. Er hat sie ja auf sich genommen und uns damit zu Knechten Gottes gemacht, wir dürfen sicher auch sagen: zu Gottes Kindern. Allein in ihm liegt unsere Chance, aus dem Strudel des Bösen herauszukommen. Er tritt da ein, wo wir allein immer tiefer hinab gezogen würden. Jetzt kann es so weiter gehen: „Nun, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet ..." Wohlgemerkt: Dieses Heiligwerden ist nicht unser Verdienst, sondern allein das Jesu Christi, der für uns ans Kreuz gegangen ist. Allein können wir nicht aus dem Dunkel des Sogs der Sünde hinaufsteigen ins Licht. Nur mit ihm kann uns das gelingen: Jesus Christus! Es ist der Glaube, der sich an dieser Verheißung festhält. Es ist das Vertrauen, dass ER genug für uns getan und für unser Schuld bezahlt hat, das uns von nun an durch unser Leben trägt. Und es ist ein täglich neuer Glaube, ein an jedem Tag neues Vertrauen, das uns auf dem Weg der Heiligung fortschreiten lässt. Wie die Sünde, wenn wir in ihrem Strudel sind, täglich neue Sünde nach sich zieht, so kann uns auch nur der täglich frische Glaube und das Vertrauen auf Jesus Christus in seiner Spur halten. Der Glaube braucht also Pflege, tägliche Nahrung sozusagen. Das Vertrauen muss sich an jedem Tag neu an Christus orientieren, dass es den Weg, seinen Weg nicht verliert.

Und auch hierzu gibt es in der Bibel viele Beispiele und Vorbilder: „Ich will dich täglich loben und deinen Namen rühmen immer und ewiglich" heißt es im Psalm (145,2). Und im Evangelium lesen wir: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach." (Lk. 9,23) Und schließlich haben wir jetzt sicher wie von selbst auch an die 4. Bitte des Vaterunsers gedacht: „Unser tägliches Brot gib uns heute!" Immer wieder werden wir in der Heiligen Schrift erinnert, dass es nicht mit einem Entschluss an irgendeinem Punkt unseres Lebens getan ist, dass wir „heilig" werden, dass wir den Glauben fassen oder unser Vertrauen auf Jesus Christus setzen. Das geschieht jeden Tag neu - oder es geschieht nicht. Glaube, Vertrauen, Heiligung ... Alles das sind Dinge, die unsere tägliche Aufmerksamkeit brauchen, dass sie bei uns bleiben, wachsen und sich entwickeln können.

Aber es gibt auch Hilfen, dass wir mit unserem Leben in der richtigen, auf SEINEM Weg bleiben: Das Gebet ist so eine Hilfe. Auch das sollen und dürfen wir ja täglich tun: Die Hände falten und vor Gott alles ausbreiten, was uns belastet und erfreut, wofür wir ihm danken und worum wir ihn bitten wollen. Und die Gemeinde der Mitchristen ist so eine Hilfe: Hier können wir uns immer wieder gegenseitig in SEINE Spur bringen und unsere Erfahrungen mit IHM berichten. Das gibt uns Kraft und Anregung. Und gewiss ist auch der Gottesdienst ein Ort, an dem uns wertvolle Hilfe zuteil wird, dass wir den Kompass unseres Lebens immer wieder neu an Christus ausrichten.

Bei dem allem geht es um viel. Hören wir doch nur: „... das Ende aber ist das ewige Leben. Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn." AMEN