Predigt zum 6. Sonntag n. Trinitatis - 29.6.2008

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Textlesung: 1. Petr. 2, 1-3 (4-10) (Vielleicht liest man nur die drei ersten Verse?)

So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. (Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.« Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Psalm 118,22; Jesaja 8,14); sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).)

Liebe Gemeinde!

Heute ist es einmal ein Übersetzungsfehler, der uns in diesen schwierigen Versen auf die Spur ihres Sinns bringt. In einem schlauen Buch habe ich gelesen: „Die Milch des Wortes ist nicht vernünftig (wie wir es eben aus der Lutherübersetzung gehört haben), sondern »worthaft«, dem Wort entsprechend ..." Es geht also hier weniger darum, dass die „lautere Milch" unsere Vernunft anspricht als darum, dass die Milch, nach der wir „begierig" sein sollen, uns im Wort zum Trinken gereicht wird. Nun werden sie diese Gedanken vielleicht spitzfindig nennen oder doch eher unwichtig. Aber für Petrus ist das eine ganz entscheidende Sache: Alles liegt daran, dass wir das Wort Gottes hören und begreifen - und das im Doppelsinn: Nämlich die gute Botschaft Gottes, wie wir zum Heil gelangen und dann, dass wir das fleischgewordene Wort Jesus Christus in unser Herz aufnehmen. Und mit diesen Gedanken ist Petrus nicht allein im Chor der biblischen Stimmen: Denken sie an Paulus, der gesagt hat: Glaube kommt aus dem Hören des Wortes (Röm. 10,17). Oder an den Evangelisten Johannes, der schreibt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." ... „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit." (Jh. 1,1+14) Und schließlich lesen wir ja schon im ersten Buch der Bibel, dass es Gottes Wort war, das alles hat werden lassen, was ist: „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht!" (Gen. 1,3) Und genau so wie am ersten Tag ist es an allen weiteren Tagen der Schöpfung: Durch Gottes Wort entsteht die Welt, die Pflanzen, die Tiere, die Menschen. - Wir haben also allen Grund, die Macht und die Kraft des Wortes Gottes zu schätzen und - wie es hier heißt - von der „worthaften" Milch zu trinken. Alles andere, was wir heute aus dem Petrusbrief gehört haben, kommt dann von daher, dass wir „begierig" und reichlich von dieser Milch aufnehmen. Darum wollen wir heute einmal besonders über dieses Wort Gottes nachdenken und wie und ob wir es noch „trinken" und geistlich gebrauchen. Aber wir wollen dabei ehrlich sein und schonungslos offen!

Wann haben sie zuletzt ihre Bibel in der Hand gehabt? Nein, ich meine jetzt nicht, dass sie in einer Zeitung oder Zeitschrift oder in irgendeinem Buch oder bei einem Besuch im Krankenhaus an der Wand ein Bibelwort entdeckt haben. Ich meine ganz klar das: Wann haben sie ihre Traubibel oder die in der Konfirmandenzeit benutzte Heilige Schrift aus dem Regal genommen und aufgeschlagen und darin gelesen? - - - Ich nehme an, die meisten von uns müssten sagen: Das liegt Jahre, vielleicht Jahrzehnte zurück!

Nächste Frage in ähnlicher Richtung: Benutzen sie ein Losungsbuch oder einen religiösen Kalender, aus dem sie täglich - vielleicht vor oder nach dem Frühstück - einen Vers für den Tag lesen und sich darüber ein paar Gedanken machen? - - - Auch hier müssen viele sicher passen und werden sagen: In letzter Zeit eigentlich nicht oder nicht mehr. Und manche könnten vielleicht hinzufügen: Früher hatte ich so etwas schon!

Ja, apropos „früher": Sicher erinnern sie sich noch an einen alten Menschen aus ihrer Verwandtschaft, der das noch so gehalten hat: Jeden Morgen oder Abend ein Stück aus der Bibel gelesen oder morgens vor der Arbeit auf ein Wort und eine gute Geschichte aus dem Neukirchner Kalender gehört ...

Ich will das nun nicht fortführen. Aber ich kann mich auch nicht mit den Argumenten zufrieden geben, die uns jetzt mit einiger Sicherheit in den Sinn gekommen sind: „Die Zeit ist halt so kurzlebig geworden und so hektisch!" - „Wir sind schließlich den ganzen Tag gefordert, da bleibt für so etwas einfach kein Raum!" - „Immerhin gehen wir doch in die Kirche und hören dort am Sonntag einige Verse aus der Bibel und ihre Auslegung für heute!"

Zugegeben: Das letzte Argument ist nicht so einfach von der Hand zu weisen. Ich will das beileibe nicht schmälern, denn es bedeutet in dieser „hektischen, kurzlebigen" Zeit schon sehr viel, wenn Menschen in ihre Kirche gehen, um dort Gottes Wort für ihr Leben zu hören und zu bedenken.

Aber glauben sie mir, es ist noch etwas ganz anderes und ist jeden Aufwand und jeden - doch nur vermeintlichen! - Zeitverlust wert, wenn wir auch zu Hause oder vielleicht jetzt im Urlaub in unserer Bibel lesen und das immer wieder tun und dabei auch „dran" bleiben!

Ich bin jetzt auch ganz offen, was mich selbst angeht: Ich bin dankbar, dass ich durch meine Predigtaufgabe ja geradezu „gezwungen" bin, mich immer wieder neu mit den Worten der Heiligen Schrift zu beschäftigen. Und ich bin so ehrlich zu sagen: Ich weiß nicht, ob ich das täte, wenn ich nicht diese Verkündigungsaufgabe hätte. Aber ich sage auch das: Es ist einfach wunderbar und für das Leben hilfreich und wertvoll, in diesen oft so seichten Zeiten auch ewige Worte zu sich sprechen zu lassen und dabei immer wieder zu erfahren, wie das auch den Glauben stärkt und stützt und uns jeden Tag neu auf Gottes Sache und auf den Herrn Jesus Christus ausrichtet.

Ich habe eine wunderbare Geschichte gefunden, die ich in diesem Zusammenhang einfach erzählen muss. Sie soll uns heute wieder zu einem häufigeren Genuss der „Milch" des Wortes Gottes ermuntern und ermutigen. Es wird uns sicher nicht überfordern, wenn wir dabei anstelle des „Wassers" in dieser Geschichte an die „worthafte Milch" denken, über die Petrus schreibt. Ich bin nämlich überzeugt, dass die Geschichte eigentlich von Gottes Wort und dem Glauben handelt, der aus diesem Wort entsteht, auch wenn der Autor von beidem nicht ein einziges Mal ausdrücklich spricht. Aber hören sie die Geschichte:

Der alte Brunnen

Als Junge verbrachte ich jeden Sommer mit meiner Familie in einem alten Bauernhaus. Das Haus war schon hundertfünfzig Jahre alt, als es in den Besitz meiner Familie kam. Und es war nie modernisiert worden. Da mein Vater Pastor an einer recht bescheidenen Kirche war, hatten wir immer nur wenig Geld; deshalb lebten wir lange Zeit sehr einfach in diesem Haus, ohne die Vorteile der Elektrizität oder moderner Installationen. Unser Wasservorrat während dieser Jahre kam aus einem alten Brunnen. der draußen vor der Haustür stand. Das Wasser aus diesem Brunnen war ungewöhnlich kalt und rein und köstlich zu trinken. Und noch etwas war außerordentlich an diesem Brunnen: Er trocknete niemals aus. Selbst in der großen sommerlichen Dürre, wenn andere Leute gezwungen waren, sich ihr Trinkwasser aus dem See zu holen, gab unser alter Brunnen getreu sein kühles, klares Wasser.
Dann schließlich kam eine Zeit, da sich die familiären Vermögensverhältnisse besserten, und man beschloss, das Haus zu modernisieren. Elektrizität verdrängte nun die alten Petroleumlampen, ein elektrischer Ofen trat an die Stelle des altmodischen Ölbrenners, und eine moderne Wasserleitung wurde installiert. Dafür war eine neue Wasserstelle nötig und so wurde ein tiefer artesischer Brunnen gebohrt, ein gutes Stück vom Haus entfernt. Der alte Brunnen bei der Haustür, den man jetzt nicht mehr brauchte, wurde versiegelt, für den Fall, dass aus irgendeinem unvorhergesehenen Grund der künstliche Brunnen einmal nicht ausreichen würde.
So blieb es mehrere Jahre, bis ich eines Tages, aus Neugier und Anhänglichkeit. Den alten Brunnen abdecken wollte, um seinen jetzigen Zustand zu untersuchen. Als ich den Deckel abnahm. erwartete ich ganz selbstverständlich die dunkle, kühle, feuchte Tiefe zu sehen, die mir von meiner Kindheit her so vertraut war. Doch zu meinem Schrecken musste ich feststellen, dass der Brunnen völlig ausgetrocknet war.
Wir mussten etliche Nachforschungen anstellen, um zu begreifen, was geschehen war. Ein Brunnen dieser Art wird von Hunderten winziger Bäche gespeist, die unter der Erde für einen ständigen Wasservorrat sorgen. Wenn dem Brunnen Wasser entnommen wird, sickert neues Wasser durch die Bächlein nach, wodurch die winzigen Öffnungen rein und offen gehalten werden. Wird aber ein solcher Brunnen nicht benutzt und wird ihm nicht regelmäßig Wasser entnommen, dann versiegen die kleinen Bäche. Unsere Quelle, die so viele Jahre lang ununterbrochen Wasser gegeben hatte, war nicht deshalb trocken geworden, weil kein Wasser da gewesen wäre, sondern weil sie nicht benutzt worden war.
(Quelle unbekannt)

Liebe Gemeinde!

Seid begierig nach der worthaften lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.
AMEN