Predigt zum 1. Sonntag n. Trinitatis - 25.5.2008

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Textlesung: 5. Mose 6, 4 - 9

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.

Liebe Gemeinde!

Ein wenig seltsam kommen uns diese Vorschriften ja wirklich vor: "... du sollst die Worte, die ich dir heute gebiete binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore." Aber sie wissen es sicher: Die frommen Juden aller Zeiten haben es wirklich so gehalten und sie halten es bis heute so: Mit Gebetsriemen binden sie sich kleine Lederbehältnisse (tefillin), so groß wie Streichholzschachteln vielleicht, auf die Arme und vor die Stirn. In diesen Kapseln sind auf Zetteln einige Abschnitte aus der Thora, den 5 Büchern Mose, enthalten, die mit der Hand geschrieben sein müssen. Und auch an den Pfosten der Häuser orthodoxer Juden finden wir bis heute ähnliche Zettel in einer ähnlichen Kapsel (Mesusa). Aber wenn wir schauen, was auf diesen Zetteln an den Türpfosten steht, dann wird uns wenigstens dieser Brauch nicht mehr ganz so fremd vorkommen: "Er (gemeint ist der Gott Israels: JAHWE) beschütze die Türen Israels".

Sie ahnen gewiss, was es bei uns, im christlichen Bereich, genau: im katholischen, gibt, woran wir uns hier erinnern könnten: Es ist der katholische Brauch am Dreikönigstag (unserem Epiphaniasfest), den die Sternsinger alljährlich üben, wenn sie über die Türen der Gemeindeglieder, bei denen sie gesungen haben, C+M+B schreiben. Das bedeutet eigentlich nichts anderes als die christliche Form dessen, was an den Türpfosten der Juden zu lesen ist, nämlich: "Christus mansionem benedicat" – Christus segne dieses Haus.

In jedem Fall geht es bei den Merkzeichen, von denen wir heute hören, um eines: Die Gläubigen sollen in Kontakt mit den Weisungen und Geboten ihres Gottes bleiben. Sie sollen sie in ihrer ständigen Erinnerung haben und niemals, nicht einen Augenblick, aus dem Gedächtnis verlieren. Und schon den Kindern sollen sie das Einschärfen - und man hat ja auch - wenigstens bei den Juden ist das so - immer einen praktischen Anhaltspunkt: Die Kapsel am Türpfosten oder wenn der Vater und später der Sohn selbst die Gebetsriemen anlegt.

Vor allem eins oder genau genommen zwei Dinge soll der fromme Jude nicht vergessen: Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Er soll also immer wissen, dass es nur einen Gott gibt und dass er diesen Gott aus allen seinen Kräften lieb hat!

Liebe Gemeinde, gewiss möchte keiner und keine von uns die Sache mit den Merkzeichen so ganz von sich weisen oder gar als jüdisch und damit als überholt abtun. Es ist auch unser Gott, den die Juden anbeten. Und es sind die Psalmen aus der jüdischen Thora, die wir am Anfang jedes Gottesdienstes lesen. Und auch den wichtigsten Sinn dieser Merkzeichen können wir nur bestätigen: Es ist nur ein Gott und wir sollen ihn lieb haben mit allen Fasern unseres Herzens, überall und zu jeder Zeit! - Aber woher kommt dann unser Unbehagen, wenn wir uns vorstellen, wir sollten solche Dinge praktisch einführen: Kapseln zwischen den Augen, Gebetsriemen um die Arme, Zettelkästchen an den Türpfosten. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass unsere Traditionen halt anders sind. Gerade unsere Evangelische Konfession ist ja eher etwas arm an Dingen zum Anschauen, zum Be-greifen und mit den Händen und allen Sinnen Wahrnehmen. Und doch gibt es auch bei uns Evangelischen - vielleicht sogar inzwischen mehr als noch vor Jahren - ein großes Bedürfnis nach solchen sichtbaren Zeichen für die Dinge des Glaubens, für Symbole, die wir eben auch anfassen können. Mir fällt dazu ein, dass viele Kirchengemeinden ihren Konfirmanden ein Kreuz aus Bronze oder Messing zur Einsegnung schenken. Manchmal ist es größer und für die Wand gedacht. Manchmal aber bekommen die jungen Leute diese Kreuze auch an Kettchen um den Hals gehängt. Und es ist schon erstaunlich, wie gern diese Kreuze dann oft getragen werden. Immerhin in einer Zeit, in der Christin oder Christ zu sein, nicht immer leicht fällt und im Jugendalter auch nicht unbedingt als besonders "cool" gilt. Sehr oft wird auch bei Erwachsenen die Gelegenheit eines Besuchs an einem bekannten Wallfahrtsort genutzt - gleich ob man evangelisch oder katholisch ist - um ein Kreuzkettchen zu erstehen und dann auch deutlich sichtbar zu tragen. Inwieweit das dann einer Mode entspricht oder aus ehrlicher Überzeugung herrührt ... in jedem Fall ist so ein Kreuz ein Merkzeichen: Denke daran, du bist Christin, Christ ... Du hast einen Gott und sollst ihn lieb haben.

Aber es gibt noch ganz andere solcher Erinnerungshilfen - und sie werden heute wieder sehr oft genutzt: Das Losungsbuch z.B., das uns jeden Morgen (oder Abend?) einen Bibelvers aus dem Neuen und aus dem Alten Testament zu bedenken gibt. Viele Menschen haben auch einen christlichen Kalender an der Wand hängen und lesen täglich - oft mit Spannung und Freude - was ihnen das neue Kalenderblatt mitgeben will. Aber das ist noch nicht alles.

Auch wenn sie sich jetzt vielleicht wundern, ich nenne noch zwei ganz andere Merkzeichen, die wir haben: Unsere Kirchen, die uns an den Sonn- und Feiertagen für eine Stunde Heimat geben, dort mit den anderen Gliedern unserer Gemeinde zusammenführen und uns in Predigt und Lesung, Liedern und Gebeten auf die wesentlichen Dinge des Lebens aufmerksam machen und für das Leben selbst mit Trost und Zuspruch ausstatten wollen. Und die meisten Kirchengebäude sind ja auch baulich, also schon äußerlich wie ein Zeichen gestaltet, nämlich eine Hand mit einen ausgestreckten Zeigefinger nach oben.

Aber noch etwas ganz anderes kommt mir in den Sinn: Ich denke an die Geburtstage, die wir selbst feiern, aber auch an die der Menschen in unserer Nähe und Umgebung. Sind das nicht auch immer wieder Erinnerungstage daran, dass wir unser Leben nicht von uns selbst, sondern von Gott her haben? Und können uns daher diese Tage nicht wirklich gut ins Gedächtnis rufen, dass ein Gott über uns ist und wir ihn lieb haben sollen? - Und eigentlich ist es ja mit unseren anderen Jubiläen, dem Hochzeitstag, dem Konfirmations- oder Tauftag nicht viel anders: Immer werden wir doch an diesen Tagen auf Gott hingewiesen, der uns die Jahre geschenkt und uns behütet und bewahrt hat.

Vielleicht könnte uns ja Gottes Weisung an die Juden dahin führen, dass wir auch mit unserer "Merkzeichen" wieder bewusster umgehen und dann auch sicher wieder mehr Segen aus diesem Umgang empfangen: "... du sollst die Worte, die ich dir heute gebiete binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore." Es wird gut sein, wenn unsere Merkzeichen uns immer wieder, möglichst jeden Tag daran erinnern: "... der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft."

Wir wollen eine andere Weisung jetzt aber auch nicht vergessen: "...die Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden ..." Ich denke in dieser Zeit so oft, dass es für unsere Kinder und Enkel schwer geworden ist, in den Glauben der Christen wirklich hineinzuwachsen. Ich will dazu das Bild vom Konfirmandenkreuz noch einmal aufnehmen: Sicher hängt dieses Kreuz nach einer ein- oder zweijährigen Konfirmandenzeit oft nur an der Wand und um den Hals - aber es ist nicht wirklich drinnen im Herzen der jungen Leute. Warum? Weil in der Familie die Vorbilder fehlen, die Menschen, die den Glauben auch wirklich leben, die aus dem Glauben reden und handeln. Und - auch da nehme ich einen Gedanken von vorhin wieder auf - es gibt auch in der Nähe der jungen Leute zu wenig Erwachsene, die sich von den "Merkzeichen", die wir angesprochen haben, das Leben begleiten und gestalten lassen: Durch das Losungsbuch oder die Bibel, durch den Kirchgang oder die Dankbarkeit gegenüber Gott an Geburtstag und Jubiläum. Und es hilft ja nichts, das jetzt nur lautstark zu beklagen oder zu bestätigen: Ja, wirklich, so ist es heute!

Was hilft ist dies: Wenn wir persönlich anfangen, den Merkzeichen, die uns an Gott und die gebotene Liebe zu ihm erinnern wollen, wieder neu und mehr zu achten. Und wenn wir diese Achtung nicht nur in unserem Kämmerlein üben, sondern es durchaus auch vor den Augen der jungen Menschen in unserer Familie tun. Auf beidem liegt großer Segen für uns und andere. Amen!