Predigt zum Sonntag "Laetare" - 2.3.2008

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Textlesung: Jes. 54, 7 - 10

Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Liebe Gemeinde!

Mir kamen bei diesen wunderbaren Worten aus dem Jesajabuch verschiedene Menschen in den Sinn. Ich habe sie sozusagen vor Augen gesehen und ihre Stimmen gehört:

"Warum nur musste mir dieser Unfall zustoßen“, sagte die erste. "Ich bin nun schon so lange krank, muss so viele Schmerzen aushalten und habe so wenig Freude im Leben - wie reimt sich das eigentlich mit der Gnade Gottes?“ Das fragte die zweite. Und eine dritte hörte ich: "Ich glaube nicht mehr an den gütigen Gott; viel zu oft hat er mein Gebet schon nicht erhört!“

Und ich musste an die vielen unausgesprochenen Fragen denken, die man in den Gesichtern der Menschen lesen kann: "Warum gibt es so viel Böses in der Welt? Wo ist Gerechtigkeit? Womit habe ich das jetzt verdient? Was hat dieser getan, dass ihn Gott so bestraft? Wie hat jene dieses Leid auf sich gezogen?“

Es fällt uns offenbar schwer, Gott, den Jesus Christus uns als seinen - und unseren! - Vater bekannt gemacht hat, mit einem Geschick zusammenzubringen, das uns nicht gefällt, das  hart  ist und schmerzlich. Daher kommt auch das wohl wichtigste Argument der Menschen, die Gott nicht kennen (wollen): Da es den Menschen, die Gott angeblich liebt, nicht immer gut geht und ihnen auch nicht alles zum besten ausschlägt, kann es diesen Gott nicht geben. Basta. So einfach ist das.

"Nun“, werden wir entgegenhalten, "Gott muss doch nicht immer nur Gutes schicken, Freude und Gelingen! Ein Vater kann seine Kinder doch auch einmal prüfen, mit harter Hand zurechtbringen und auch einmal züchtigen! Auch Väter werden einmal zornig und strafen!“

Das Dumme dabei ist, dass uns, was wir da sagen, selbst nicht recht überzeugt, wenn wir ehrlich sind. Bei nächster Gelegenheit werden wir wieder fragen: "Warum schickt mir Gott das? Womit habe ich das nur verdient? Wie kann dieser guten Frau so etwas geschehen?“

Es ist offenbar tief in unserer Seele verwurzelt, dass wir glauben: Gottes Kindern könnte nichts wirklich Schlimmes passieren. Und umgekehrt: Wer viel leiden muss, der kann kein echtes Verhältnis zu Gott haben. Rechter Glaube - gutes Leben, meinen wir. Fehlt die Beziehung zu Gott, dann muss der Mensch sich auch auf Unglück und Not, Krankheit und Leid gefasst machen, so denken wir im innersten unseres Herzens. Wenn die Rechnung nicht aufgeht - und sie geht nicht auf! - dann kommen wir nicht darauf, dass wir vielleicht falsch gerechnet haben. Dann beklagen wir uns vielmehr und jammern, dass Gott uns mit unserem Meinen und Dünken vor uns selbst und den Leuten so dumm dastehen lässt und unser Denken nicht bestätigt!

Liebe Gemeinde, wollen wir nicht endlich umdenken?

Ausdrücklich nein!, der himmlische Vater lässt es dem Gottlosen nicht kratzig gehen in dieser Welt. Er darf vielmehr oft bestens leben, erfreut sich guter Gesundheit und kann seine bohrenden Fragen und seine Zweifel und oft seinen Spott über die "Frommen“ bis ins hohe rüstige Alter verbreiten. Und ja!, denen, die Gott vertrauen, die ihn als einzige Chance für ihr Leben angenommen haben, bleibt keineswegs alles erspart. Manchmal müssen wir doch vielmehr staunen und verstehen die Welt nicht mehr wie übel ihnen mitgespielt wird: Ein Schicksalsschlag nach dem anderen zwingt sie zu Boden; sie kommen manchmal gar nicht mehr dazu, auch nur einmal Luft zu holen in der Zeit zwischen ihren schlimmen Erfahrungen! Und fast möchten wir dann manchmal auch daran zweifeln, dass sie wirklich so "gläubig“ sind, wie sie immer vorgeben - denn das kann doch gar nicht sein ... Ja und da ist es dann wieder, dieses Denken!

Aber drehen wir das jetzt auch nicht herum: So als wäre es ein Zeichen für rechten Glauben, wenn es uns schlecht geht und wir hart geprüft werden! Oder dass es dem Menschen, der ohne Gott lebt, nun gleich immer nur bestens ginge. - Nein, gar nichts können wir sagen, wenn wir den Menschen von außen sehen - und wir sehen ihn nur von außen! Gott sieht das Herz an, aber er straft das kalte Herz nicht stets und vor allem nicht gleich und er belohnt den Glauben nicht immer und nicht nur! Das nämlich ist menschliches Dünken! Wir wollen so in den Griff bekommen, was wir nicht begreifen. Und nicht erst wir verstehen das ja nicht! Auch Jesus haben sie schon gefragt: Wer hat gesündigt, wenn dieser Mensch so krank und behindert ist, dieser selbst oder seine Eltern? Denn das muss doch einen Grund haben, dachten sie, dass einer mit Krankheit oder Behinderung leben muss. Was antwortet Jesus? "Weder dieser noch seine Eltern haben gesündigt, sondern es sollen an ihm die Werke Gottes offenbar werden!“

Was sagt uns das? Es gibt diesen Zusammenhang nicht, den wir so gern sehen wollen: Wie einer glaubt und wie es ihm geht ... Es ist uns Menschen nicht gegeben, den Grund zu erforschen, warum einer gut und herrlich und ein anderer arm und belastet leben muss. Aber hören wir auch das: Gott weiß warum und er hat seinen Plan mit uns, seine "Werke sollen offenbar werden“, seien wir gesund, reich und glücklich oder elend und bedrückt in Sorgen und Krankheit. Und das ist ja beileibe nicht das einzige Mal gewesen, dass Jesus ein solches Denken abweist: Der Turm zu Siloah war umgestürzt und hatte viele Menschen unter sich begraben. Was sagt Jesus dazu: "Meint ihr, jene Männer wären schuldiger gewesen als andere?“ Er fragt damit genau das, was sie natürlich gedacht hatten! Aber er fährt gleich fort: "Wenn ihr nicht Buße tut, wird es euch nicht besser ergehen!“ Nichts da mit dieser ewigen Meinung seit es Menschen gibt, Gott bestrafe und peinige die Bösen und belohne und beglücke die Frommen. Nein, seht lieber auf euch selbst und dass ihr Buße nötig habt, sie ist mehr wert als euer fragwürdiges Forschen und Dünken und Spekulieren. Aber selbst die Buße wird euch dann nicht schützen können, dass euch auch schweres Geschick, Unglück oder Krankheit widerfährt! - Schwierige, sperrige Gedanken, nicht wahr. Wir wüssten jetzt endlich auch gern, wie es denn ist. Wie es  nicht  ist, haben wir ja nun gehört.

Ich möchte uns noch einmal einen Satz aus den Jesajaversen in Erinnerung rufen, die wir vorhin gelesen haben: "Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser!“

So ist es, liebe Gemeinde! Hier wird eigentlich alles gesagt, was wir zu diesen Fragen wissen müssen und wissen dürfen: Mit ewiger Gnade sind wir beschenkt! Unser Glaube darf darauf vertrauen, dass wir in einem ewigen Sinn nicht verloren gehen sollen. Aber deswegen fallen doch weiter Türme um und werden weiter Menschen geboren, die behindert sind! Und es wird auch in Zukunft Krankheiten geben - auch in unserer Familie - und Menschen werden einander mit Mutwillen oder aus Unachtsamkeit Schaden zufügen. Warum sollte der Christ etwa besser Auto fahren als andere und nicht auch einmal einen Unfall verursachen? Oder warum soll ein gottloser Mensch nichts im Beruf leisten und darum wenig Einkommen haben?

Wir spüren jetzt: Das hat doch eigentlich alles überhaupt nichts mit der Tatsache zu tun, dass ich gläubig bin an Gott - oder nicht. Das trifft doch nicht meinen Glauben oder Unglauben, wenn ich krank werde oder verunglücke. Und wie sollte Gott mein Vertrauen zu ihm belohnen oder meine Verachtung bestrafen, wenn ich schon von Geburt an als blind oder taub, lahm oder sonstwie behindert leben muss?

Und doch hat es sehr viel miteinander zu tun, ob ich glaube oder nicht glaube, wie ich mit Unfall oder Krankheit, Not oder Behinderung umgehe und fertig werde! Und dieser Gedanke liegt ja auch in diesen Jesaja-Versen: Mag mir nun Gott auch Böses schicken, mag er mir Lasten auflegen, ja, mag er mir sogar "einen Augenblick zürnen“, wie es hier heißt, aber "mit ewiger Gnade will sich Gott meiner erbarmen, spricht der Herr!“ Es geht also im Glauben der Christen nicht mehr darum, aus den alltäglichen Schickungen Gottes darauf zu schließen, ob ich nun bei ihm beliebt oder strafenswert bin. Die Fügungen Gottes treffen und betreffen den Frommen wie den Gottlosen. Es geht darum, die Gnade Gottes zu sehen, zu glauben und darauf zu vertrauen, die hinter diesen Dingen liegt, hinter Unglück oder froher Zeit, hinter Leid oder Freude. Und ich meine schon, dass es dem Menschen, der von dieser ewigen Gnade Gottes weiß, leichter fallen müsste, auch ein Leben mit Krankheit und Behinderung, auch Durststrecken und dunkle Lebenstäler zu bestehen, ohne die Hand Gottes zu verlieren. Und umgekehrt meine ich, ja, weiß ich durch mancherlei Erfahrungen, dass der Mensch ohne Gott auf die Dauer gesehen zerbrechen wird, wenn er durch Dunkel und Not muss, ohne den Halt des Glaubens zu haben.

Liebe Gemeinde, nein, es ist nichts dran an diesem Denken: Guter Christ - gutes Leben und ungläubiger Mensch - schweres Schicksal ... Es ist nichts dran! Es liegt aber die ganze Welt des Glaubens darin, dass wir wissen dürfen: "Mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser!“ Verlassen wir uns nicht darauf, dass uns als Menschen im Glauben nichts geschehen kann und uns kein Unglück je schaden könnte. Verlassen wir uns aber auf die Zusage Gottes, die uns in allem Unglück, in aller Krankheit, in Not, in Behinderung und einmal im Tod halten und hindurch bewahren will: "Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ AMEN