Predigt zum Sonntag "Okuli" - 24.2.2008

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Textlesung: 1. Kön. 19, 1 - 8

Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Liebe Gemeinde!

Elia, der Prophet, hatte im Auftrag Gottes die Priester des Götzen Baal umbringen lassen. Dafür hatte ihm Isebel, die Königin von Israel und Verehrerin dieses Götzen, blutige Rache geschworen. Nun fühlt sich Elia von Gott verlassen und der Wut der Isebel preisgegeben. Er hat Angst und will nur noch sterben. So geht er in die Wüste, setzt sich unter einen Wacholder und wartet auf den Tod.

Diese Geschichte ist uns sehr fern, nicht wahr? Und sie ist uns doch so nah!

Mir kam ein Mann aus dem Betriebsrat einer mittleren Firma in den Sinn, der sich seit über 20 Jahren für die Interessen der Belegschaft einsetzt. Bei jeder Lohnrunde wieder dieses Ringen mit der Arbeitgeberseite. Der ständige Kampf! Etwa um die Frauenquote oder die Achtung der Rechte der behinderten Mitarbeiter. Oft genug hat ihn die Arbeit bis in die Stunden seiner Freizeit verfolgt und ihn schlaflose Nächte gekostet. Wenn es ja nur die Betriebsleitung wäre! Aber auch die Kollegen haben ihn oft genug nach zermürbenden Verhandlungen um Lohnerhöhung noch verdächtigt und beschimpft, er stünde eigentlich auf der anderen Seite. Manchmal hat er es so satt! Manchmal möchte er aussteigen, am liebsten in den Vorruhestand gehen, selbst mit großen Einbußen bei der Rente!

Und eine Kirchenvorsteherin aus einer kleinen ländlichen Gemeinde fällt mir ein. Sie geht davon aus, dass die Menschen sie durch die Wahl in die Gemeindevertretung zu einem geistlichen Amt bestimmt haben. Als ihre Hauptaufgabe sieht sie darum die Förderung des geistlichen Lebens der Gemeinde. Aber sie steht in ihrem Kirchenvorstand auf ziemlich verlorenen Posten. Das Sagen haben dort andere, denen es nicht um die Menschen und schon gar nicht um deren Wachstum im Glauben geht. Das Credo dieser Leute heißt, auch wenn sie es nicht aussprechen: In der Gemeinde wird gemacht, was wir wollen und was unseren Einfluss und unser Ansehen auch in der weltlichen Öffentlichkeit steigert. Wichtige Gemeindeveranstaltungen sind solche, von denen man hinterher ein Bild in der Zeitung sehen kann - selbstverständlich mit den Initiatoren aus dem Kirchenvorstand. Wichtig heißt dabei nicht der Kindergottesdienst oder die Bibelstunde, sondern der jährliche Gemeindebazar, der in seiner Gestaltung keinen Unterschied zu einem Flohmarkt macht und der monatliche Altenclub mit seinem seichten Unterhaltungsprogramm.
Schon manchmal hat diese Kirchenvorsteherin überlegt, ob sie nicht ihr Amt aufgeben sollte. Dann aber kam sie mit ihrem Gewissen in Konflikt - und ist geblieben. Freude aber macht ihr die Arbeit nicht mehr und irgendwie fühlt sie sich von aller Hilfe der Menschen und Gottes verlassen.

Schließlich denke ich noch an viele Christen unserer Zeit, die sich redlich bemühen, dort wo sie leben und arbeiten etwas von dem einzubringen, was ihnen an ihrem Glauben wesentlich ist. Aber es schlägt ihnen heute so viel Ablehnung entgegen. Die Menschen reden gern abfällig über Gott und die Christen, denen er etwas bedeutet. In den Zeitungen schreiben die Redakteure kaum noch von einem christlichen Standpunkt aus, eher kann man dort etwas über ungläubige Theologen und zurückgehende Zahlen beim Gottesdienstbesuch lesen. Und im Fernsehen besinnt man sich auch meist nur zu Weihnachten auf christliche Werte und die werden dann noch wie ein uraltes Märchen aus vergangenen Zeiten dargeboten.

Manchen Christen unserer Tage macht das schwer zu schaffen. Sie ziehen sich zurück. Viele hadern mit Gott und fragen sich und ihn: Warum er denn das alles erlaubt und sie so allein lässt in dieser oft so gottlosen und kalten Welt. Und einige sind darüber wirklich schon fast verzweifelt ...

Wie war das bei Elia? Er will nur noch sterben. So geht er in die Wüste, setzt sich unter einen Wacholder und wartet auf den Tod. Aber der Tod kommt nicht. Vielmehr erscheint ein Engel Gottes, der ihm zu essen und zu trinken reicht, ihn wieder ins Leben holt und ihm sagt, dass er noch gebraucht wird und noch einen langen Weg vor sich hat.

Liebe Gemeinde, sie spüren das jetzt, so weit ist diese Geschichte wohl doch nicht von uns entfernt, schon gar nicht von den Menschen, von denen ich eben erzählt habe. Aber wie sollen wir sie verstehen, wie soll ich sie jetzt für die übertragen, deren Leben ich eben kurz skizziert habe? Soll ich ihnen den Besuch eines Engels ansagen, der sie stärken wird. - Wenn der dann nicht kommt? Soll ich selbst versuchen, sie aufzubauen, ihre Fragen zu beantworten und sie ins Leben zurückzuholen und sie ermutigen bei ihrer Sache zu bleiben und nicht aufzugeben? - Ja, das will ich! Dabei weiß ich wohl, dass ich das nicht kann. Aber ich muss es ja auch gar nicht tun! Die Stärkung kommt allemal von Gott her und dem traue ich zu, dass er in der Stunde, in der wir alle Hoffnung fahren lassen wollen, zu uns tritt und uns neue Kraft und seinen Segen schenken kann - und schenken will! Aber erwarten wir nicht zu viel. Er stellt Elia einen Krug mit Wasser hin und ein Stück Brot - Zeichen dafür, dass er sein Leben erhalten will. Aber Gott gibt die Stärkung nur für diesen Tag. Wie ein erster Anstoß ist das. Mehr nicht.

Aber so wird es auch bei uns sein: Brot ... Wasser ... vielleicht auch ein gutes Wort, das uns erreicht, oder ein Erlebnis, das wir haben, ein Ereignis in unserer Umgebung, ein Gespräch, das wir "zufällig" führen, eine glückliche Wendung des Geschicks bei einem Angehörigen oder sonst einem Menschen, um den wir uns gesorgt haben ... Und auf einmal haben wir die Kraft: Weiterzumachen, dran zu bleiben, nicht aufzugeben und vielleicht aufzubrechen ... wie Elia.

Aber achten wir darauf, wohin Gott ihn sendet: "Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb." Der Horeb ist der Berg des Bundes Gottes mit seinem Volk. Es ist der Ort, an dem Gott einst seine Geschichte mit Israel begonnen hat. Dorthin soll der Prophet gehen und das Brot und der Trunk wird ihn stark genug machen, bis dahin zu gelangen.

Ob Gott nicht auch uns dorthin führen will, wo unser Anfang mit ihm und seiner Sache war? Aber wo ist dieser Ort in unserem Leben?

Bei dem Betriebsrat, von dem ich vorhin sprach, ist es vielleicht der Tag, an dem er sich vor zwanzig Jahren entschlossen hat, sich für die Mitarbeiter in seiner Firma einzusetzen. Damals wusste er auch schon, dass es nicht immer leicht sein würde. Und irgendwie hat er das auch als Verpflichtung angesehen, denn seine Kolleginnen und Kollegen hatten ihm ja das Vertrauen ausgesprochen und ihm damit gesagt: Du sollst uns damit dienen, dass du unsere Interessen wahrnimmst, auch wo es dir schwer fällt, weil du vielleicht wenig Anerkennung bekommst und dir der Wind von der Arbeitgeberseite entgegen bläst.

Bei der Kirchenvorsteherin ist der "Anfang" gewiss die Wahl durch die Gemeinde, die sie für ihre Aufgabe bestimmt und bestätigt hat. Dahin zurück zu gehen, könnte für sie vielleicht heißen: Nicht nur stumm darunter zu leiden, dass einige andere aus dem Kirchenvorstand ihrem geistlichen Auftrag nicht nachkommen, sondern das einmal in einer Sitzung anzusprechen oder in einem Brief an die KollegInnen aus der Kirchengemeindevertretung zu schreiben. Und warum soll sie dabei nicht auch erwähnen, wie große Not ihr das macht, wenn die Gemeinde geistlich immer mehr verkommt?

Am schwierigsten ist das sicher, den Ort des Beginns bei den vielen Christen zu bestimmen, die unter der nur noch weltlichen Orientierung unserer Gesellschaft, der Politik und der Medien leiden. Aber ich glaube fest, immer gibt es diesen Ort, die Zeit, vielleicht gar den Tag, an dem unsere Beziehung zu Gott und zu seiner Sache begann: Vielleicht war das ein Kindergottesdienst, eine Jungscharstunde, unsere Konfirmation oder später eine uns prägende Erfahrung, die unser Leben verändert und uns für den Glauben geöffnet hat? Dorthin zurück gehen, könnte nun für uns heißen, uns wieder einmal und vielleicht für eine längere Zeit immer wieder vor Augen und die Seele zu führen, was uns damals bewegt hat, wie wir damals gefühlt haben, was wir tun, erreichen und wie wir als Christin, als Christ gern leben wollten.

Ich bin ganz sicher, die "Kraft der Speise" wird reichen, bis wir dorthin kommen. Und wir werden an diesem Ort unserer persönlichen Geschichte dann auch wieder stark genug werden, den Weg mit Gott, im Glauben weiterzugehen - trotz aller Enttäuschungen, die uns auch weiter verunsichern wollen und durch alle trüben Stunden des Zweifels und der Mutlosigkeit hindurch.

"Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir."

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns allen, dass uns Gott - vielleicht durch einen "Engel" mit einem uns vertrauten Gesicht - Brot und Wasser reicht, so dass wir den langen Weg dorthin gehen können, wo es für uns neuen Mut, neue Ausdauer und neue Kraft gibt. AMEN