Predigt zur Christvesper / Christmette - 24.12.2007

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Textlesung: 1.Tim 3,16

Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde am Heiligen Abend!

Wenn wir in dieser freundlichen Nacht vom „Geheimnis des Glaubens" hören, dann denken sie, die ihre ganz persönlichen Vorstellungen von Weihnachten, ihre Sorgen und Nöte, ihre Wünsche und Hoffnungen mit in diesen Gottesdienst gebracht haben, sicher an etwas ganz anderes als es die Theologen normalerweise tun. Die würden uns - in einer ansonsten hoffentlich ansprechenden und verdaulichen Predigt - gewiss auch erklären, was denn mit „Fleisch" gemeint ist und mit „Geist", wer die „Engel" sind und die „Heiden" und was es bedeutet: „geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit". Das wäre dann sicher ein gute, geistliche Predigt.

Ich möchte heute Abend nur einen einzigen Gedanken ansprechen und mit ihnen bedenken, nämlich, was denn vielleicht für uns heute dieses „Geheimnis des Glaubens" sein kann. Und dabei entsteht dann wohl eher eine einfache Ansprache, aber eine, die wirklich an-spricht. Und ich glaube, heute an Heiligabend gefällt uns das allen besser. Außerdem heißt es ja auch in diesen Versen gleich am Anfang: Er - und da ist unser Herr Jesus Christus gemeint - ist offenbart im Fleisch. Da darf ich heute sicher auch einmal mehr „nach dem Fleisch" predigen und weniger geistlich.

Bevor wir nun auf eine Geschichte aus unseren Tagen hören, lassen sie uns zwei Strophen singen aus dem Lied „Dies ist der Tag, den Gott gemacht ..." EG 42, 1+2

Ich möchte ihnen eine Geschichte erzählen, in der sich für mich wenigstens ein Stück des Geheimnis' des Glaubens offenbart:

Das ist am Heiligen Abend gewesen, da gehen Herr und Frau Meier, ein Ehepaar so in den mittleren Jahren, noch um 17.30 Uhr, also kurz vor dem Ladenschluss, in den Supermarkt einkaufen. Die beiden haben sich für dieses Jahr etwas vorgenommen: Heiligabend und der ganze Weihnachtsrummel soll ausfallen. Die Idee hatte Herr Meier gehabt. „Annemarie", so hatte er zu seiner Frau schon im November gesprochen, „wir wollen diesmal den Heiligen Abend und Weihnachten nicht feiern. Keine Hektik zuvor, keine Geschenke, keine Besorgungen. Wir tun einfach so, als wären das nur zwei oder drei Tage wie all die anderen auch im Jahr." Frau Meier hatte geantwortet: „Du, Walter, das lag mir schon lange auf der Seele! Mir ist das auch seit einigen Jahren schon zu viel: Den Baum schmücken, die Plätzchen backen, die Schenkerei und die Gans am zweiten Feiertag. Unsere Kinder wollen in diesem Jahr sowieso in ihren Familien bleiben. Also abgemacht: Weihnachten fällt in diesem Jahr bei uns aus!"

So hatten die beiden keinen Adventskranz gehabt, sie hatten sich von den Weihnachtsmärkten der umliegenden Städte fern gehalten. Es wurden keine Plätzchen gebacken und die Adventswochen waren wirklich so wie alle Tage.

Jetzt also stehen die Meiers auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt und hören gerade, wie der Mann vom Weihnachtsbaum-Verkaufsstand in ihre Richtung schreit: „Das ist der letzte in diesem Jahr. Wenn sie jetzt nicht zugreifen, gibt's erst nächsten Advent wieder neue Bäume!" Die Meiers starren auf die mickrige Tanne in den Händen des Weihnachtsbaum-Verkäufers und Herr Meier sagt zu ihm: „Dieses armselige Bäumchen können sie jemand anderem anbieten! Wir feiern kein Weihnachten!" Dann begeben sich die Meiers in den Supermarkt, sehen gerade noch, wie der Verkäufer das mickrige Tännchen in den Abfallcontainer neben seinem Verkaufsstand wirft. - Aber was wollen die Meiers im Supermarkt?

Nun das ist so: Frau Meier will in den Weihnachtstagen Wäsche waschen und sie dann auf dem Balkon aufhängen. Dazu will sie neue Wäscheklammern besorgen. Herr Meier hat sich für die kommenden freien Tage vorgenommen, endlich die Türen vom Wohnzimmerschrank zu richten - die sind schief und klemmen auch teilweise. Dazu braucht er einen Satz Schraubendreher.

So also trennen sich die beiden jetzt an der Rolltreppe: Sie fährt hinauf in die Haushaltswarenabteilung und er hinab zum Bedarf für Heimwerker. In einer halben Stunde wollen sie sich wieder an der selben Stelle treffen.

Als die halbe Stunde um ist, kommt zuerst Herr Meier an den Treffpunkt. Zwei Minuten später erscheint auch Frau Meier - aber nicht von oben sondern aus der Lebensmittelabteilung. Und merkwürdig, beide tragen an zwei riesigen Plastiktüten, die hoch gefüllt sind. Das können doch nicht nur ein paar Wäscheklammern und ein Set Schraubendreher sein! Und wie sie sich ansehen! Fast so, als wäre es ihnen peinlich, was sie da in ihren Tüten schleppen. Verstohlen schaut jetzt einer in des anderen Plastiktüten und es ist schon erstaunlich, was sie da sehen: Er hat obenauf einen Kasten auf dem „Christbaumbeleuchtung" steht und daneben sieht Frau Meier noch drei Päckchen Wunderkerzen. Und sie? Herr Meier meint, verpackt in Cellophansäckchen, Zimsterne, Mandelplätzchen und Vanillekipferl zu erkennen. Und ist das daneben nicht ein Christstollen? Die zweite Einkaufstüte scheint richtig schwer und ist offenbar von innen beschlagen. Da könnte der Form nach eine mittlere Weihnachtsgans drin sein!

Die Meiers sagen kein Wort. Sie verlassen jetzt nur ganz eilig den Supermarkt. Beide gehen nicht in die Richtung, in der ihr Wagen steht, nein, sie halten stracks auf den Verkaufsstand zu, von dem der Verkäufer eben die letzten Baumständer und Absperrungen auf seinen Pritschenwagen räumt. Als der Verkäufer kurz den Blick hebt, sieht er gerade wie der Mann, der vorhin gesagt hat, dass sie kein Weihnachten feiern, den Deckel vom Müllcontainer anhebt und wie seine Frau das mickrige Bäumchen herausholt. Als sich die beiden jetzt mit Tüten und dem Bäumchen beladen zu ihrem Auto begeben, ruft der Verkäufer ihnen nach: „Fröhliche Weihnachten!" Und die beiden rufen wie aus einem Mund zurück: „Fröhliche Weihnachten!"

Bevor wir jetzt noch ein paar Gedanken zu dieser Geschichte und zum „Geheimnis des Glaubens" hören, wie sie hier deutlich werden, singen wir vom Lied EG 42 die Strophen 3 und 4.

Liebe Gemeinde, ich weiß nicht, ob sie die eben gehörte Geschichte als besonders weihnachtlich empfunden haben. Aber ich finde, sie ist es! Und sie ist es gerade darum, weil das Ehepaar Meier Weihnachten doch gar nicht feiern wollte ... Aber das ging eben nicht! Nicht nur die Meiers, auch wir können Weihnachten nicht entgehen! Schon viele Menschen haben sich das vorgenommen: Wir lassen das Fest ausfallen, wir fliegen über die Festtage auf die Malediven oder in die Türkei oder bleiben auch zu Hause und gehen nicht vor die Tür und schalten auch den Fernseher nicht an ... Es geht nicht! In der Hotelhalle auf den Malediven oder in Antalya steht ein Weihnachtsbaum und man spielt „Alle Jahre wieder" - auf Deutsch. Und sich zu Hause abzuschotten funktioniert schon gar nicht: Wir bekommen Einladungen oder selbst Besuch, vielleicht gar von den Kindern und Enkeln. Wenn wir dann keinen Baum in der Stube haben! Und selbst die Menschen, die sonst auch an Heiligabend allein bleiben würden, suchen an diesem Abend doch die Gesellschaft anderer - und wenn es in der Kneipe wäre oder bei der Bahnhofsmission. Und wir greifen zu kurz, wenn wir jetzt sagen: Das ist halt die Gewohnheit oder die Tradition. Und es ist auch nicht nur die Nostalgie oder die Sehnsucht nach den Gefühlen unserer Kindheit und die Freude an den äußerlichen Dingen von den Kerzen über das Lametta bis hin zu den Liedern und den Geschenken. Es ist im tiefsten Grund die wunderbare, nie überbotene und unüberbietbare Botschaft der Weihnacht: Gott wird Mensch! Es ist die Nachricht, dass in Jesus Christus Gott unser Bruder wird und in unser kleines Leben in dieser Welt eingeht.

Aber, so denken sie jetzt, das ist doch kein Geheimnis! - Sie haben Recht. Das Geheimnis des Glaubens - oder sagen wir besser: ein Geheimnis des Glaubens - haben wir an der Geschichte der Meiers erahnen können: Dass wir nämlich an dieser gewaltigen Botschaft nicht vorbeikommen! Und die gescheiterten Versuche, die wir selbst oder die andere unternommen haben, Weihnachten ausfallen zu lassen, sprechen von dem selben Geheimnis: Dieses „Gott wird Mensch" lässt sich nicht unterdrücken, nicht ausblenden, nicht verdrängen. Es ist in uns und es will immer wieder - wenigstens einmal im Jahr - heraus in unser Bewusstsein, in unser Herz, in unsere Seele - in unsere Christvesper (-mette) und in unsere Weihnachtsstube!

Und ich sage: Gott sei Dank, dass es so ist! Gott sei Dank hat es die Meiers innerlich so getrieben, dass sie in letzter Minute noch die Vorbereitungen für Heiligabend getroffen haben. - Was wäre das ein öder, trauriger Abend geworden! Gott sei Dank, hat die Nachricht vom Kind in der Krippe die Weihnachtsflüchtlinge noch immer bis nach Antalya und auf die Malediven verfolgt. - Denn wir müssen diese gute Botschaft hören, weil nur sie uns Sinn und Hoffnung in unser Leben geben kann. Und schließlich: Gott sei Dank, haben auch wir heute dieses wunderbare Wort vom Mensch gewordenen Gott gehört! - Jetzt können wir richtig Weihnachten feiern!

Hinter aller Tradition und hinter allen Weihnachtsbräuchen, hinter unseren Gefühlen, wie wir sie aus unserer Kindheit kennen und im Hintergrund unserer Nostalgie steht die Krippe, in der Gott selber liegt - als kleines Kind ... Gott ist Mensch geworden, einer wie wir, einer von uns und einer für uns. Damit er uns mit Jesus Christus erlöst von allem, was uns in dieser Welt Angst macht, beschwert und bedrückt, damit wir frei werden zu einem Leben im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. AMEN

Lied EG 42, Strophen 5 bis 7