Predigt zum 20. So. nach "Trinitatis" - 21.10.2007

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Textlesung: Mk. 2, 23 - 28

Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Liebe Gemeinde!

Was Jesus hier über den Sabbat sagt, ist so einleuchtend und klar. Auf der anderen Seite aber weckt es auch einige Fragen und sogar Widerspruch! - Ich glaube, das muss ich erklären:

Selbstverständlich ist der "Menschensohn", also unser Herr auch der Herr über den Sabbat, der unser Sonntag ist. Und sicher könnten wir noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Überhaupt ist der Mensch nicht der Sklave des Feiertags und der gesetzlichen Vorschriften, was man an diesem Tag tun oder lassen soll. Allerdings kommt es damals wie heute darauf an, was man an diesem Tag tut oder lässt. Wenn Jesus nun am Sabbat eine Arbeit des Alltags getan hätte, dann wäre das nicht in Ordnung gewesen. Allerdings bin ich sicher: Das hätte er auch niemals getan. Was er tut ist ja nur, dass er seinen Jüngern erlaubt, sich mit den Körnern ausgeraufter Ähren zu sättigen. Grundsätzlich galt das damals als Mundraub - und daran nahm auch niemand Anstoß. Es geht um den Bruch des Sabbat-Gebots. Die Pharisäer nämlich deuten das Ährenraufen als eine Art Feldarbeit - und die war am Ruhetag nicht gestattet!

Wenn wir heute am Sonntag eine Arbeit tun, die eigentlich an den Werktag gehört, dann ist das auch nicht verboten, solange wir niemand anderem den Feiertag verderben und die Arbeit keinen ruhestörenden Lärm entwickelt. - Soweit also stimmt das sicher: Der Mensch ist Herr des Sabbats, Herr des Sonntags!

Jetzt aber kommt die andere Seite - und auch da will ich mit der Geschichte von damals beginnen: Jesus erlaubt seinen Jüngern das Ährenraufen nicht ohne Not. Sie hatten Hunger und ihre Vorräte waren zur Neige gegangen. Darum hätten sie die Wanderung, auf der sie unterwegs waren, vielleicht wegen der sie überkommenden Schwäche nicht bis zum Ziel geschafft. Mit anderen Worten: Es war eine Ausnahme, eben ein Notfall. Und genau so war es auch in der Geschichte aus der Zeit des Königs David, an die Jesus die Pharisäer hier erinnert: "Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?" Selbstverständlich hätten David und seine Leute nicht von den Schaubroten essen dürfen! Aber sie hatten Hunger und es gab weit und breit nichts anderes zu essen. Genau wie bei Jesus und den Jüngern.

Und jetzt fragen wir auch hier nach uns und wir erkennen dabei, inwiefern durch die Verse, die wir heute bedenken, auch Widerspruch geweckt wird: Denn wo ist das ein Notfall, wenn die Menschen am Sonntag auf der Straße vor ihrem Haus ihr Auto waschen oder die Gasse kehren? Und warum ist es unbedingt nötig, dass die Hausfrau am Sonntagmorgen ihre Wäsche aufhängt - manchmal demonstrativ in ihrem Vor-garten!? Oder warum muss man die in der Woche liegen gebliebene Büroarbeit unbedingt am Ruhetag erledigen? Bevor sie jetzt sagen: Aber das kann ja auch einmal ganz wichtig sein und es war vielleicht ja sonst keine Zeit ..., hören sie noch ein Beispiel, da wird es klar, worauf es bei all diesen Tätigkeiten am Feiertag heute ankommt: Es ist ein Unterschied, ob ein Bauer während einer wochenlangen Schönwetterperiode das Heu oder die Ernte am Sonntag einfährt oder ob er das am Ende einer wochenlangen nassen, verregneten Zeit tut. Im ersten Fall - sprechen wir es aus - ist es ein Bruch der Sonntagsruhe im zweiten ein absolutes, für alle Menschen verständliches Muss! Und da habe ich doch beim Autowaschen, Gassekehren, Wäscheaufhängen oder den Büroarbeiten am Sonntag meine Zweifel, ob die auch unbedingt am Feiertag erledigt werden müssen.

Und hier eben weckt auch die Geschichte vom Ährenraufen Unbehagen, wenn sie so klar und selbstsicher und doch auch so missverständlich daher kommt: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat." Denn solche Rede kann auch falsch verstanden werden und wenn sie schon einmal einen Mitmenschen auf die Sonntagsruhe angesprochen haben, werden sie vielleicht auch solche Sätze gehört haben: "Das sehe ich nicht so eng! Hat nicht sogar Jesus erlaubt, dass die Jünger am Sabbat Ähren ausreißen. Es gibt da doch so eine Geschichte ...!" Es ist nun einmal so: Die Menschen - und auch überzeugte Christen darunter - legen die Sache mit dem Ährenraufen gern sehr weit aus und so, dass ihre Aussage sie nicht allzu sehr stört und sie weiter das machen können, was sie auch am Sonntag nicht lassen wollen. Aber es bleibt dabei: Es muss die Ausnahme, muss ein Notfall sein, wenn Menschen den Sabbat brechen!

Liebe Gemeinde, ich habe das jetzt auch selbst gemerkt: Über das Halten des Sabbats und der Sonntagsruhe zu sprechen, hat auch eine Neigung dazu, dass man anfängt kleinlich und engherzig zu denken und zu reden und auch irgendwie gesetzlich. Darum gehen wir jetzt noch einmal ganz in die Tiefe der Geschichte vom Ährenraufen, in ihren Hintergrund sozusagen, auch wo dieser gar nicht ausdrücklich angesprochen wird: Aber hinter dem Gebot zur Sabbatheiligung stand ganz klar der Gedanke, dass dieses Gebot dem Menschen zum Segen geschenkt ist! Es geht ja auf die Schöpfungsgeschichte zurück, in der von Gott erzählt wird, dass auch er am siebten Tag geruht und diesen Tag "gesegnet" hat (1. Mos. 2,3). Und diesen Segen des Sabbats mit dem Ausreißen der Ähren verächtlich und mutwillig zu zerstören, das wäre Jesus und seinen Jüngern gewiss niemals in den Sinn gekommen.

Aber wie ist da mit dem Gedanken des Sonntags-Segens in unseren Tagen?

Im dritten der 10 Gebote haben wir es in der Konfirmandenstunde noch sehr fordernd kennen- und auswendig gelernt: "Du sollst den Feiertag heiligen." Im Grundgesetz unseres Staates aber hat sich diese Forderung - schon viel freundlicher formuliert - bis heute gültig so niedergeschlagen: Der Sonntag steht unter staatlichem Schutz als Tag der "Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung". Das Gesetz bringt dabei schön zum Ausdruck, dass es nicht so sehr um das Erfüllen von Gesetzen oder Vorschriften geht, sondern um den Menschen, um seine "seelische Erhebung". Sehr gut könnte man hier auch noch hinzudenken: Es geht um die seelische Erhebung und ihren Segen, den sie für uns bringt.

Vor diesem Gedanken des Segens betrachtet, sieht unser oft sehr lässiger und unbedachter Umgang mit dem Sonntag noch einmal ganz anders aus. Denn wir entscheiden uns mit unserer Arbeit am Sonntag - wohlgemerkt: der nicht not-wendigen! - eigentlich gegen den Segen Gottes. Anders und noch einmal deutlicher formuliert können wir auch sagen: Wir verachten Gottes Segen, den er uns durch die "seelische Erhebung" und die geistliche Besinnung am Sonntag gern schenken will. Und da müssen wir nun auch vom Gottesdienst reden, denn wo als dort gibt es denn heute noch die Gelegenheit für unsere Seele, sich zu erheben, sich zu besinnen und erbauen?

Uns Kirchenleuten wird ja immer gern unterstellt, wir wollten vor allem unsere Gotteshäuser voll bekommen. Erst einmal: Es sind gar nicht "unsere" Kirchen und Gemeindehäuser. Die gehören allen Christen aus der Gemeinde. Und dann: Ich glaube fest, dass unser Motiv als VerkündigerInnen und für den Gottesdienst Verantwortliche vor allen Dingen das ist, nämlich dazu beizutragen, dass die Menschen unserer Zeit wieder neu oder stärker etwas von dem Segen erfahren, der seit Schöpfungstagen auf dem Sonntag liegt und uns besonders für den Besuch unseres Gotteshauses verheißen ist.

Sicher kennen - gerade die Älteren unter uns - noch solche Sprichwörter über die Heiligung des Feiertags oder seine Entweihung: "Sonntag erwirbt's, Werktag verdirbt's!" oder "Auf Sonntagsarbeit liegt kein Segen, kannst Werktags Händ' und Füße regen!"

Ich bin gewiss, dass keine und keiner von uns solchen Sprichwörtern und ihrer Wahrheit widersprechen würde. Darum ist das heute mein Vorschlag für die kommende Woche: Laden Sie doch alle einmal wenigstens einen Menschen aus Ihrer Nachbarschaft oder Verwandtschaft zum Gottesdienst ein. Vielleicht gerade solche Menschen, die lange nicht in unserer Kirche zu Gast waren. Wenn einer erst wieder den Segen gespürt hat, der auf dem Sonntag und seiner Erhebung und Besinnung und dem Hören des Wortes Gottes liegt, dann wird die Entscheidung für die Arbeit oder die Heiligung des Sonntags etwa durch einen Kirchgang in Zukunft sicher anders ausfallen. AMEN