Predigt zum 3. So. nach "Trinitatis" - 24.6.2007

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Textlesung: Lk. 19, 1 - 10

Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.

Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Liebe Gemeinde!

Immer wieder höre ich (und andere Prediger sicher auch) nach dem Gottesdienst: Das war heute aber eine harte Predigt! Oder: Was sie auf der Kanzel gesagt haben, war aber starker Tobak!

Wenn unsere Verkündigung also nicht nur unterhalten, sondern aufrütteln will, dann sind die Reaktionen immer wieder Abwehr und Rechtfertigung. Ansprachen, die es dem Hörer schwer machen zu glauben, bei ihm wäre doch alles in Ordnung, lösen immer wieder nicht nur Zustimmung aus, sondern auch Ablehnung, ja Protest. Es fällt vielen Menschen nicht leicht zu erkennen und zu bejahen, dass ihnen, dass ihrem Leben die Mitte oder das Ziel fehlt. Aber es ist so und irgendwie hat man ja auch eine Ahnung dafür - bloß: es tut weh, das ohne Selbsttäuschung zu sehen und sich dem ohne Ausflüchte zu stellen.

Meiner Erfahrung nach ist das gerade für noch junge Leute schwierig: Sie denken ja mehr als die Älteren wie stark sie doch sind, was sie alles können und wie sie ihr Leben meistern werden: "Mir kann keiner!" Und das geht ja auch lange gut mit dieser Meinung von sich selbst, von der eigenen Kraft, der eigenen Leistung: Mit 20 wird die Familie gegründet. Mit 25 steht das Haus. Mit 30 kennt man das Leben, weiß worauf es ankommt. Und dann soll man sich an einem schönen Sonntagmorgen anhören: Du bist auf dem falschen Weg. In deinem Leben ist der Wurm. Dir fehlt das Wichtigste. - Ich verstehe, wenn einem das als starkes Stück erscheint. Schließlich macht man sich ja vor, bei mir stimmt es auch mit dem Christentum: "Ich haue niemanden über's Ohr. Ich stehle nicht. Ich bin meiner Frau treu. Bin ich Gott denn dann nicht recht? Gut, ich gehe nicht so oft in die Kirche, aber deshalb bin ich auch kein schlechterer Christ und vor allem, die in die Kirche rennen sind noch lange nicht besser!"

So oder ähnlich sind die Gedanken, wie sie nicht nur aber gerade jüngere Leute denken und manchmal äußern. Was mir dabei aufgefallen ist: Es wird immer nur gesehen, was man als Christ tun muss, was die Pflichten sind, was einem das Christentum auferlegt, worum es einem bringt, wenn man glaubt ... Dass der Glaube an Jesus Christus befreit, dass er alle Zwänge von uns nimmt, dass die Angst weicht und mein Leben Fülle und Sinn bekommt, das sehen nur wenige. Ich behaupte, das liegt an der mangelnden Erfahrung mit dem Glauben an diesen Herrn. Hat denn Zachäus, von dem wir eben in der Textlesung gehört haben, die Begegnung mit Jesus als Zwang oder Last empfunden? Hat er nicht vielmehr eine Befreiung erlebt, war das nicht das schönste Ereignis in seinem bisherigen Leben: Da kommt einer zu ihm, dem Verachteten, den jeder meidet, den alle hassen? Hätte er nicht laut jubeln können? Oder die Ehebrecherin, deren Geschichte wir doch auch kennen: War das eine schreckliche Erfahrung für sie, ist das eine dunkle Stunde gewesen als sie vor Jesus geführt wird? Oder war das nicht ein großes Glück, eine unbeschreibliche Freude für sie, dass er ihr das schon verwirkte Leben neu geschenkt hat: "Ich verdamme dich nicht!" Und der Hauptmann von Kapernaun und die Mutter des Petrus und so viele andere biblische Figuren - war ihnen der Glaube an Jesus eine Last oder war er ihnen große Freude, herrliche Zukunft und Freiheit?

Und heute? Ist das denn bei denen, die an diesen Herrn glauben, heute anders? Muss ich mir den Kirchgang auferlegen wie ein Kreuz? Muss ich mir das Eintreten für die schwachen Mitmenschen abfordern wie eine drückende Aufgabe? Ist mein ganzes Glaubensleben wirklich eine einzige Qual, eine Marterstraße, zu der ich mich täglich neu zwingen muss? Oder habe ich nicht auch schon spüren dürfen, wie mir der Glaube an den Herrn Jesus Christus die Ängste nimmt, mich sicher gehen lässt, meine Tage sinnvoll macht und selbst die Furcht vor dem Letzten, dem Tod, von mir nimmt. Ist dieser Glaube also wirklich nur beschwerlich?

Ich meine, viel haben die Menschen, die so denken, vom Glauben der Christen noch nicht begriffen. Sie malen sich ein falsches Bild von diesem Glauben aus, eine Karikatur, die sie dann leicht und problemlos abwehren können. Aber um welchen Preis! Es geht ja doch gar nicht nur darum, hier in dieser Welt 60 oder 70 Jahre mehr oder weniger schön und kurzweilig zu gestalten. Es gibt eine andere Welt, das Reich Gottes und das werden alle die sehen, die schon hier nach den Maßstäben handeln, die dort gelten. Und ein Haus gebaut zu haben und die Lebensregel: Jeder ist sich selbst der Nächste - gehören wohl nicht zu den Maßstäben dieses Reiches.

Gewiss, es ist schwer, sich hier neu auszurichten, einen neuen Anfang zu setzen. Dann das würde ja heißen, die gesamte bisherige Lebensplanung und Ausrichtung aufzugeben. Nicht mehr die persönliche Karriere in den Mittelpunkt des Denkens zu stellen, nicht mehr "etwas erreichen" wollen, nicht mehr nur den Sachen, dem Genuss, dem Spaß, dem leichten Vergnügen nachlaufen. Es ist wohl hart, aus den eingefahrenen Gleisen zu springen, gewohnte Standorte zu verlassen - aber es ist not-wendig. Wenn einer nicht zu sich selbst sagen kann: Meine Zeit bis heute hatte falsche Schwerpunkte - dann verfehlt er das Leben in der Spur des Herrn der Christen. Wenn einer nicht sogar sagen kann: Alles bisher, mein ganzes Streben war unnütz, ich bin Götzen nachgelaufen - dann wird ihm kein neuer Beginn gelingen. Zachäus nimmt viel auf sich. Er klettert auf den Baum. Er lässt sich verlachen, verspotten - nur um Jesus zu sehen. Zachäus aber hat begriffen: Dieser Herr ist jedes Opfer wert, für ihn muss ich alles aufgeben können. Und Jesus kommt zu ihm, schenkt ihm seine Gemeinschaft, Freiheit von seiner Schuld und eine unbeschreibliche Freude. Ein Zachäus, der nicht auf den Baum gestiegen wäre, der sich nicht dem Gespött der Leute preisgegeben hätte, der wäre derselbe geblieben bis an sein Ende, bis zum Tod - und in der Bibel würden wir von ihm auch nichts lesen.

Ich glaube, ohne ein solch schmerzhaftes Opfer alles dessen, was uns bisher wichtig war, worauf wir uns lange verlassen haben, finden wir nicht zu diesen Herrn. Vielleicht hilft es uns, wenn wir in Gedanken einmal ein paar Jahre oder Jahrzehnte in die Zukunft blicken: Was wird übrig bleiben von dem, was ich mir heute aufbaue? Was wird helfen, dass ich nicht verzweifle, wenn meine Kraft schwindet, wenn das Alter mir die Hände bindet und ich nichts mehr leisten kann? Wie werde ich das bestehen, wenn ich den Gedanken nicht mehr verdrängen kann, ich bin den falschen Weg gegangen? Wir sollten jetzt nicht sagen: Dann wird es Zeit sein, uns neu zu orientieren, denn dann kann es zu spät sein.
Ich will das noch einmal betonen und bezeugen: Der Entschluss zu Jesus zu gehen, mag dich hart ankommen, aber es ist das einzige, was letztlich für dein Leben Bedeutung hat. Diesen Entschluss immer wieder aufzuschieben, ist gefährlich, denn keiner weiß, wie lange er Zeit hat. Und noch etwas: Es ist nur diese Entscheidung am Anfang, die wehtut. Wenn der Herr mir erst begegnet ist, wenn ich erst mit ihm in Kontakt bin und mit ihm und von ihm lebe, dann wird auch eine Freude da sein, die ich mir nicht erträumt habe. Dann wird der Gottesdienst am Sonntag nicht qualvolle Bürde sein, sondern eine Stunde, in der ich auftanken darf, die mir hilft und nach der es mich immer wieder verlangt. Dann wird Nächstenliebe keine Last, sondern gern geleistete Zuwendung sein. Dann wird mir mein ganzes Leben als Geschenk erscheinen, das ich erhalten habe, um es an andere auszugeben. Die Freude wird dabei nicht weniger werden, sondern mehr - bis sie einmal zur ewigen, zur unendlichen Freude wird.

Liebe Gemeinde, weil es letztenendes um nicht weniger geht, als dieses ewige Leben und ob die Menschen den Weg dorthin finden, darum werde ich nicht aufhören, so zu predigen, dass es manchen Zuhörer aufrüttelt und vielleicht auch einmal ärgert. Jesu Sache ist schon damals auf Ablehnung und Protest gestoßen. Wir hören es doch auch in dieser Geschichte: "Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt." Unser Herr wollte es nicht allen Menschen recht machen, er wollte sie zurecht bringen. Dazu hat er auch einmal hart gesprochen und den Leuten das gesagt, was ihnen nicht gefallen hat.

Nein, schönrednerisches Gewäsch, diplomatisches Einlullen war nicht Jesu Sache. Unsere soll es auch nicht sein. Was auf dem Spiel steht ist einfach zu wichtig! AMEN