Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis - 23.7.2006

Textlesung: Apg. 8, 26 - 39

Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und hörte, daß er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7-8): "Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen." Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, daß ich mich taufen lasse? Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.

Liebe Gemeinde!

Diese Geschichte muss man einfach von ihrem Ende her betrachten: "Er zog aber seine Straße fröhlich!" Ist das nicht ein wunderbarer "Erfolg" der Verkündigung des Evangeliums? Hat hier Philippus nicht alles erreicht, worum es bei der Sache Jesu Christi eigentlich geht: Dass Menschen froh werden und die Straße ihres Lebens im Glauben und im Vertrauen zu Gott dahin ziehen?

Aber ist es wirklich der Erfolg der Verkündigung gewesen? Hat Philippus das mit seiner Predigt von Jesus erreicht? Kam das nicht vielmehr vom "Herrn" selbst, der hier - wie wir am Anfang hören - seinen Engel zu Philippus gesandt hat mit dem klaren Auftrag, den Kämmerer aus Äthiopien abzupassen, ja, ihn zu verfolgen und zu belauschen, um ihm dann die gewünschte Anleitung zum Verständnis der Heiligen Schrift zu geben.

Vielleicht fragen sich jetzt einige von uns, ob das denn so wichtig wäre - wenn der Mann nur bekehrt und getauft wird und am Ende fröhlich nach Hause zieht. Aber ich muss sagen: Als beauftragter Verkündiger der frohen Botschaft interessiert mich das schon, wieso das bei dem Äthiopier - salopp gesprochen - so gut klappt mit der Bekehrung, während ich (und viele andere ja auch!) sich um den einen oder anderen Menschen und seinen Glauben jahrelang ohne sichtbaren Erfolg bemühen.

Bei der Gelegenheit möchte ich mich heute auch einmal ganz ausdrücklich dazu bekennen, dass ich sehr wohl gerne all die Menschen, die der Sache Gottes mit Vorbehalten und Unverständnis gegenüber stehen, zu ihm führen würde. Wohlgemerkt nicht darum, weil ich das für mich selbst verdienstvoll fände. Aber es macht halt Freude, Gottes Kind zu sein und das Leben mit ihm zu gestalten und ich wünschte den Menschen sehr, dass sie auch "ihre Straße fröhlich ziehen" können!

Und ich bin ganz sicher, dass es unter uns auch noch einige andere Menschen gibt, die sich lange Zeit schon sehr wünschen, dass vielleicht ein Freund, eine Angehörige oder sonst ein Mensch in ihrer Nähe doch zum Glauben an Jesus Christus findet.

Darum noch einmal die Frage auf den Punkt gebracht: Machen wir und unsere Verkündigung das oder ist es der "Herr", also die Macht Gottes, die den Glauben hervorbringt?

Vielleicht wundert sie das jetzt, wenn ich sage: Weder - noch! Aber ich kann das auch erklären. Schauen wir doch einmal hinein in die Geschichte an die Stelle, an der die entscheidende Wendung hineinkommt: "Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus."

Zum einen war Philippus also von Gott hingesandt zu dem Äthiopier. Das zweite ist, dass der Kämmerer nach dem Sinn dessen fragt, was er in der Schrift liest. Das dritte ist dann, dass Philippus das Evangelium von Jesus Christus verkündigt. So - und ich glaube: nur so - kommt es dazu, dass der Kämmerer am Ende die Taufe erbittet und froh wird!

Wer oder was macht es also, dass ein Mensch zum Glauben kommt? Nicht Gott (- der das gewiss könnte!) allein und nicht der Mensch und das Wort, das ihm zu sagen anvertraut ist, allein, sondern beide zusammen! Wir sollen, wir dürfen dabei mithelfen, dass Menschen im Glauben an Jesus froh werden. Gott will das nicht von sich aus tun, sondern indem er sich unserer bedient.

Nun ist aber noch ein - nein, es sind eigentlich zwei - ganz entscheidende Hinweise in dieser Geschichte: "Da lief Philippus hin und hörte, daß er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?"

Der zweite Hinweis zuerst: Der Kämmerer möchte Hilfe haben. Er will verstehen, was er liest. Er sagt es ganz deutlich: "Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?"

Was Menschen zu uns in diesen Dingen sagen, ist ja vielleicht nicht immer ganz so klar. Bei uns herrscht ja oft eine gewisse Befangenheit, wenn es um unser Innerstes, den Glauben geht. Aber ich bin ganz sicher, wenn wir uns ein wenig hineinversetzen in den anderen, wenn wir das, was er vielleicht unbeholfen und undeutlich ausspricht, wirklich verstehen wollen, dann wird uns das auch gelingen! Vielleicht sagt einer zu uns: "Ich staune immer wieder, woher du deine gute Laune nimmst, obgleich dich doch seit Monaten ein Schicksalsschlag nach dem anderen trifft." Und was will er eigentlich sagen?: "Ich hätte auch gern den Glauben, die Zuversicht und das Gottvertrauen, die ich an dir spüre!"

Oder denken wir an eine Situation, wie sie uns auf dem Friedhof begegnen kann. Eine andere Besucherin an einem Grab nebenan spricht uns so an: "Da gehe ich seit drei Jahren täglich ans Grab und es wird nicht besser mit mir ... mit meinem Lebensmut. Ich bin immer noch unendlich traurig und vermisse ihn so." Und die Frau will eigentlich sagen: "Sie kommen doch fast ebenso lang hierher, aber ich beobachte an Ihnen schon seit einiger Zeit, dass Sie auch wieder lächeln können. Ist das die Hoffnung, die Sie haben. Ist das der Glaube, dass wir uns einmal wiedersehen? Ach, könnten Sie mir doch ein Stück davon abgeben!"

Und sehr oft haben die kurzen Gespräche, die wir so über Tag bei allen möglichen Gelegenheiten führen, einen sehr tiefen Hintergrund. Wenn wir verstünden, was da in der Tiefe einer vielleicht belanglosen Frage angesprochen wird, wenn wir feinfühliger würden - auch für die zweifelnden oder unsicheren Untertöne mancher Sätze, die so laut, so überzeugt und scheinbar so überzeugend daherkommen ...

Und an dieser Stelle müssen wir eben auf den anderen Hinweis dieser Geschichte hören: "Da lief Philippus hin und hörte, daß er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest?"

Gewiss müssen wir nicht immer "hinlaufen" und eine "Frage nach dem Verständnis" ist auch oft überflüssig! Es geht vielmehr um diese Bereitschaft, ein Herz und ein Ohr für den anderen zu haben. Es geht um das Interesse an der Trauer oder der Not eines Menschen. Es geht darum, dass wir uns hineindenken und hineinfühlen wollen in das, was einen anderen Menschen beschäftigt, sorgt, ängstigt, krank macht und vielleicht zweifeln und verzweifeln lässt. Und das alles Entscheidende ist dies: Dass wir dazu im rechten Augenblick bereit sind, dann, wenn der andere Mensch das Signal dazu gibt und uns dadurch zeigt, dass er jetzt aufnahmefähig ist für unser Wort, unseren Zuspruch, unseren Trost, unser Mitgefühl ...

Aber wir sprechen hier nicht von billigem Trost, von Worten, die man so dahersagt, von Floskeln, die wir gelernt haben ... Wir sprechen davon: "Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus." Und wir dürfen, ja, wir müssen hier auch sehr persönlich werden, denn es ist dann eben der Augenblick, den Gott uns geschenkt hat, dass wir den Menschen das tröstliche, hilfreiche, froh machende Wort von Jesus Christus sagen können.

Ich weiß schon, liebe Gemeinde, dass jetzt der eine oder die andere denkt: Das liegt mir nicht. Das kann ich einfach nicht ... so christlich daherreden, so fromm ... Ich bin ja selbst noch auf der Suche und gar nicht so glaubensstark, wie ich manchmal wirke.

Trotzdem: Wenn der rechte Augenblick da ist, werden wir es können, denn Gott ist dann mit uns. Und was wir dann sagen wird uns selbst gar nicht so fremd vorkommen, wie wir vielleicht vorher dachten. Und wir werden es auch erfahren, wie unsere vielleicht unbeholfenen Worte genau ins Herz der Menschen treffen und etwas ausrichten. Und schließlich wird geschehen, was wir selbst nicht für möglich gehalten haben: Der Mensch, dem wir nach Kräften von unserem Glauben an Jesus Christus und unserer Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben erzählt haben, "geht seiner Straße fröhlich"!

(Alles kommt darauf an, dass wir erkennen, wann Gott uns zu einem Menschen gehen und mit ihm reden heißt. Alles hängt davon ab, dass wir uns, wenn er uns fragt oder mit uns spricht, dann wirklich von Herzen ihm zuwenden, ihn verstehen wollen und ihm von dem reden, der unser innerster Halt, unser Glaube und unsere Hoffnung ist: Jesus Christus. Gott will das nicht allein tun, er braucht uns, dass wir uns im richtigen Moment in seinen Dienst stellen.) AMEN