Predigt zum Trinitatissonntag - 11.6.2006

Textlesung: Eph. 1, 3 - 14

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluß, den er zuvor in Christus gefaßt hatte, um ihn auszu- führen, wenn die Zeit erfüllt wäre, daß alles zusammengefaßt würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluß seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde!

Vielleicht haben sie das ja schon einmal selbst erlebt, gewiss aber haben sie einen Film davon gesehen im Kino oder im Fernsehen. Und sie haben dann das Besondere eines solchen "Rechtsaktes" empfunden und die Spannung und die fast weihevolle Atmosphäre einer solchen Stunde gefühlt.

Wovon ich spreche? Von einer Testamentseröffnung natürlich, denn das, was wir gerade aus dem Epheserbrief gehört haben, hat einiges davon! Wenn das Testament in diesem Fall auch nicht vom Erblasser geschrieben ist, sondern von Paulus, einem Beauftragten sozusagen. Und gestorben ist auch niemand - im Gegenteil hier geht es um das Erbe unseres lebendigen Gottes - und die Erben, das sind wir, du und ich! Und was erben wir? Eine ganze Menge:

Geistlichen Segen ... seine Liebe ... herrliche Gnade ... Erlösung ... Vergebung unserer Sünden ... den Reichtum seiner Gnade ... das Wort der Wahrheit ... das Evangelium von unserer Seligkeit ... den Glauben ...

Und wie bei einem richtigen Testament gibt es auch Bestimmungen, die ausgeführt werden sollen, damit das Erbe angetreten und die Erbschaft gültig werden kann:

Unser Wandel soll heilig und untadelig sein! Wir sollen Gottes Kinder und Erben sein durch Jesus Christus. An uns soll das Lob seiner Herrlichkeit sichtbar werden.

Und schließlich ist uns sogar noch einer verheißen, der uns dabei helfen soll, alle Bestimmungen des Testaments zu erfüllen: der Heilige Geist.

Wie gesagt: Manches heute Morgen ist ähnlich wie bei der Eröffnung eines Testaments. Eine Voraussetzung aber fehlt - und über die wollen wir jetzt sprechen:

Wenn wir von einem Menschen Abschied genommen haben und er uns in seinem Testament bedacht hat, dann wissen wir das längere Zeit vorher, zumindest rechnen wir damit oder hoffen doch wenigstens, dass auch wir ein Stück des Nachlasses erhalten werden. Und wenn dann der Brief vom Notar kommt, dann haben wir die Gewissheit: Wir werden erben - wenn wir auch noch nicht wissen, was. Nun beginnt eine Zeit des Wartens, der Gedanken und der Vorbereitung und vielleicht sogar der Vorfreude ... Und das eben ist es, was uns heute Morgen fehlt: Wir haben uns nicht vorbereiten können. Wir wussten ja nicht, was heute geschehen würde. Wir hatten ja keine Ahnung, dass uns heute ein Testament eröffnet wird und wir erben sollen! Wir sind also sozusagen noch nicht darauf eingestellt, mit unseren Gedanken noch nicht hier, eben nicht vorbereitet auf das, was wir vorhin gehört haben und was wir heute mitnehmen sollen: Geistlicher Segen ... Liebe ... herrliche Gnade ... Erlösung ...

Wir nehmen uns jetzt also noch einmal etwas Zeit um zu schauen, wie wir heute Morgen hierher gekommen sind, was wir mitgebracht haben - und dann sehen wir uns das an, was wir heute erben und was das aus uns macht:

- Wie oft haben wir schon gedacht, wie wenig Tiefe doch in unserem Leben ist, wie vordergründig unser Alltag, wie durchschnittlich unser Denken und Handeln ... Und ein Tag ist wie der andere: ohne besondere Höhepunkte, immer derselbe bekannte Trott, keine Veränderung, keine Anfänge mehr ... - Wir werden heute mit "geistlichem Segen" im Herzen von hier fortgehen! Wenn wir es nur wollen, wird heute ein neues Leben beginnen, in dem immer wieder etwas Gutes, Überraschendes und vielleicht sogar Wunderbares geschieht: Menschen werden froh durch das, was wir ihnen sagen. Jemand kann wieder lachen, weil wir ihm eine Freude gemacht haben. Einer findet Trost, weil wir ihm von unserem Glauben erzählen. Das alles und noch mehr wird Gottes Segen an uns tun und durch uns an anderen!

- Sicher einmal an jedem Tag beklagen wir, wie lieblos und kalt die heutige Welt, die Gesellschaft und die Menschen doch sind. Und so scheint es ja auch wirklich, solange wir von außen, als Beobachter und Beobachterinnen auf die Welt und die Dinge blicken. - Heute aber sagt Gott uns neu seine "Liebe" zu: Du bist mein Kind, ich habe dich lieb, so wie du bist. Diese Liebe, wenn wir sie heute mitnehmen und sie von heute an immer bei uns ist, kann alles verwandeln: Wie wir geliebt sind, werden wir jetzt auch die anderen Menschen mit den Augen der Liebe ansehen. Sie werden nicht bleiben, wie und wer sie sind! Und bei ihnen wird es genau so sein: Auch sie können auf einmal ihre Mitmenschen annehmen und die Liebe wird sie nicht so bleiben lassen, wie sie waren.

- Jede und jeder von uns kennt das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein, nicht so, wie es unserem Christennamen entspricht und nicht, wie Gott uns haben will. Bis heute haben wir darum immer gern verglichen: Ganz so schlimm wie die oder der bin ich aber nicht! Mein Nachbar hätte es sicher nötiger, hin und wieder in die Kirche zu gehen - er tut's aber nicht; ich gehe alle 14 Tage! Da gibt's nun wirklich größere Sünder als ich einer bin! - Was wir heute erben bringt all diese Gedanken und die Versuche, uns zu rechtfertigen an ihr Ende: "Herrliche Gnade ... Erlösung ... Vergebung unserer Sünden". Wir dürfen unsere Lasten abgeben, Jesus Christus hat sie ans Kreuz getragen. Wir dürfen aufrecht gehen, denn Gott richtet uns auf. Wir können den Kopf heben - Gott sagt uns zu, dass wir mit ihm im Reinen sind.

- Täglich stürmen Nachrichten, Meldungen, Bilder und Fragen auf uns ein. Wir suchen unter all den Worten und Wörtern, Bildern und Nachrichten das, was uns wirklich angeht, was wichtig für uns ist und was uns weiterbringt. - Heute hören wir "das Wort der Wahrheit" und es spricht zu uns von Jesus Christus, seinem Leben für uns, seinem Leiden und Sterben für uns. Und was wir da hören ist "das Evangelium von unserer Seligkeit", denn es verspricht uns, dass auch wir leben sollen - hier und heute und einmal ewig! Und ich kann mir wahrhaftig kein wichtigeres Wort denken als dieses. Da fällt alle Angst von mir ab. Mein Leben in dieser Welt bekommt auf einmal einen ewigen Ausblick durch die Nachricht: Christus hat für dich die Ewigkeit verdient! Da muss ich mir keine Sorgen mehr machen, wie auch immer mein Leben hier und heute verläuft: Es ist schon entschieden wie es am Ende für mich ausgeht, denn mein Herr sagt mir zu: Ich lebe und ihr sollt auch leben!

- Aber immer wieder ist das ja doch auch schwierig für uns, dass wir's glauben können, dass wir unser Vertrauen auf dieses Wort setzen und das Evangelium, die frohe Botschaft, die darin liegt, uns im Herzen erreicht und uns wirklich froh macht. - Aber selbst das dürfen wir heute noch erben: "den Glauben"! Und es gehört sicher zu dem Wunderbarsten an der Sache Gottes mit uns Menschen, dass wir nicht einmal dazu eigene Anstrengungen anstellen müssen, dass uns Gottes Wort so groß wird und so bedeutend, dass wir uns darauf verlassen können! Auch den Glauben will er uns schenken, denn Glauben kommt aus dem Hören, so lesen wir es auch in der Bibel (Röm. 10,17). Und zum Hören sind wir heute hierher gekommen - also steht auch dem Glauben nichts mehr im Weg!

Liebe Gemeinde, das hört sich nun alles ganz gut an und ganz einfach. Ich bin überzeugt davon, dass es auch einfach ist - nur machen wir es uns immer wieder selbst schwer mit diesen Dingen, an denen zuletzt ja nicht weniger hängt als unser Leben, die "Wahrheit" und der Seelen "Seligkeit".

Hören wir uns noch einmal an, was wir uns heute bei dieser "Testamentseröffnung" von Gott selbst zum Erbe vorgelegt wird: Geistlicher Segen ... Gottes Liebe ... herrliche Gnade ... Erlösung ... Vergebung unserer Sünden ... den Reichtum seiner Gnade ... das Wort der Wahrheit ... das Evangelium von unserer Seligkeit ... der Glaube ...

Denken wir nicht mehr lang darüber nach, wie das gehen soll und ob wir wirklich gemeint sind. Greifen wir zu, nehmen wir heute all das mit nach Hause und tun wir, was Paulus uns noch mit auf den Weg gibt: Lassen wir uns von Gott unserem Vater gern mit dieser wunderbaren Erbschaft beschenken und werden wir dankbar, "damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit." AMEN