Predigt zum 3. Adventssonntag - 11.12.2005

Textlesung: Röm. 15, 4 - 13

Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): "Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen." Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): "Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!" Und wiederum (Psalm 117,1): "Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!" Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): "Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen." Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.

Liebe Gemeinde!

Es fällt nicht leicht, in diesen Paulusworten voller Mahnungen und Zitate aus dem Alten Testament das Thema zu finden, über das man heute einfach sprechen muss! Denn alle Themen passen nicht in eine Predigt. Und wenn wir eins wählen, dann kann ein anderes nicht besprochen werden. Nun helfen wir uns ja in solchen Fällen gern damit, dass wir fragen: Was ist denn am wichtigsten? Und um das entscheiden zu können, fragen wir weiter: Wovon redet einer denn am meisten? Nun, am meisten ist hier - nämlich viermal - von „Hoffnung" die Rede und genauso viel von „Christus". Und ich denke, das ist kein Zufall, denn wer von Jesus Christus spricht, der muss auch von Hoffnung sprechen - denn er ist unsere Hoffnung.

Da könnten wir jetzt tieftheologische Gedanken anknüpfen: Wie denn genau unsere Hoffnung aussieht, wie wir sie fassen können oder wie sonst sie in unser Herz kommt, auf welche Weise Christus sie denn erworben und begründet hat und wie das Verhältnis vom Glauben und der Liebe zu dieser Hoffnung ist ... Ich will das nicht tun. Ich finde in den Adventswochen brauchen wir etwas anderes als hohe Theologie! Ich glaube, ich weiß etwas, das passt besser in diese Zeit:

Wenn ich über „Hoffnung" nachdenke, kommt mir - neben dem Gedanken an Christus - immer eine Geschichte in den Sinn, die ich einmal gelesen habe. Ich will sie ihnen heute erzählen:

 

Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache." Die Weisen sagten: "Das ist eine gute Aufgabe." Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: "Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen." Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: "Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger. Der Vater antwortete: "Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten." Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein. Der Vater sagte: "Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen." (DIE HALLE DER WELT MIT LICHT ERFÜLLEN, Geschichte von den Philippinen)

Liebe Gemeinde, sie ist zwar kein einziges Mal in dieser Geschichte erwähnt, aber dennoch steht die Hoffnung in ihrer Mitte! Sie ist das Licht, das eine ganze große Halle füllen kann und schon gar unsere Seele. Sie ist das, was die Menschen brauchen. Sie - so klein sie auch sein mag - ist größer und wertvoller als alles andere in der Welt und lässt alles sonst unbedeutend werden - eben wie ausgedroschenes Zuckerrohr oder leeres Stroh. Und noch etwas können wir über die Hoffnung aus dieser Geschichte lernen: Wer sie hat, der kann ein Nachfolger werden, gerade so, wie der jüngere Sohn des Königs. In wessen Nachfolge uns die Hoffnung beruft, ist sicher klar: Jesus Christus! Und da sind wir zurück bei diesem Bezug: Christus ist die Hoffnung - und wir wollen jetzt noch ein wenig ausmalen, warum und worauf wir hoffen dürfen. Vielleicht kann uns das in diesen adventlichen Tagen dahin führen, dass wir - neben allen Vorbereitungen auf Weihnachten - das Wesentliche dieser Zeit nicht vergessen oder vernachlässigen.

In einer Krippe kam unsere Hoffnung zur Welt. Gott, der sich selbst als Kind in einen Futtertrog gelegt hat, wollte uns da schon eine Ahnung geben, dass wir in diesem Leben keine verlorenen Menschen ohne Zukunft sind, sondern seine geliebten Kinder. Er selbst hat uns in der Welt aufgesucht, hat unsere Gestalt angenommen, um uns zu zeigen, wieviel wir Menschen ihm wert sind.

An einem Kreuz hat Gott in Jesus Christus den Grund unserer Hoffnung besiegelt: Nichts, was uns noch von ihm trennen muss. Keine Schuld, die nicht vergeben werden kann. Kein Weg, auf dem es nicht auch ein Zurück, eine Umkehr gibt. Das Haus des Vaters steht offen und er selbst steht mit ausgebreiteten Armen davor. Glaube führt uns dahin. Glaube entzündet die Hoffnung.

Durch Christi Auferstehung am dritten Tag hat Gott die Hoffnung vollendet. Jetzt wissen wir, dass diese Welt und dieses Leben für uns nicht alles ist. Jetzt ist uns der Blick hinüber eröffnet, dorthin, wo wir einmal ewig in Gottes Nähe sein dürfen. Ahnen wir auch kaum, wie es sein wird, so wissen wir doch, dass es sein wird, ja, dass für uns drüben schon eine Wohnung bereitet ist (Jh. 14,2).

Ein solches Licht der Hoffnung wollte Gott in uns anzünden.

(An dieser Stelle kann vielleicht erst die 3. Kerze am Adventskranz entzündet werden! HelferInnen können das Licht in die Bankreihen geben und dort die vorher an die Gemeindeglieder ausgeteilten Kerzen entzünden. Wenn alle Lichter brennen, weiter:)

Mit diesem Licht der Hoffnung in Händen und im Herzen können wir jetzt die Nachfolger des Königs Jesus Christus werden: Das Licht der Hoffnung beleuchtet uns die Spur, in der er uns vorausgeht. Das Licht begleitet uns durch unser Leben. In guten Zeiten erfreut es unser Herz. In schweren Tagen und im Leid gibt es uns Mut und Geduld. Denn wir wissen es: Was auch immer in unserem Leben für uns kommen mag, wir sind schon hindurchgegangen, wenn wir auf dem Weg hinter Jesus Christus her bleiben. Ihm folgen wir, wenn wir in allem, was wir denken, reden und tun fragen, was hätte er jetzt gedacht, geredet und getan. Das mag in dieser bewegten und manchmal bedrückend glaubenslosen Zeit nicht leicht sein. So viel ausgedroschenes Stroh, das uns doch nichts mehr geben kann. So viele Versuche und Versuchungen, unsere Seele und unser Leben mit anderen, wertlosen Dingen auszufüllen.

Liebe Gemeinde, wir wollen uns jeden Tag neu aus unserer Hoffnung die Kraft zum Weitergehen holen und uns auch von diesem Licht den Weg hinter Jesus her beleuchten lassen. Und wir wollen seinen Schein auch immer wieder auf das Ziel unseres Lebens richten: Gottes ewiges Haus.

Als die Nachfolger unseres Herrn und Königs zünden wir auch unseren Mitmenschen ein Licht der Hoffnung an! An uns sollen sie sich aufrichten können. Durch uns sollen sie neue Zuversicht gewinnen. Mit uns - durch unsere Worte, unser Vorbild und unsere Hilfe - sollen sie auch ihre ersten Schritte in der Nachfolge des Königs Jesus Christus wagen, bis sie selbst wieder das Licht der Hoffnung weitergeben können an andere, bei denen es heute noch dunkel ist.

Fangen wir an damit, dass wir alles leere, ausgedroschene Stroh aus unserem Herzen und unserem Leben entfernen. Die besinnliche Adventszeit ist eine gute Gelegenheit dazu!

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes. Amen.