Predigt zum 8. So. nach "Trinitatis" - 17.7.2005

Textlesung: Jes. 2, 1 - 5

Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem: Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, laßt uns wandeln im Licht des HERRN!

Liebe Gemeinde!

"Schwerter zu Pflugscharen" und "Spieße zu Sicheln", das waren vor zwei, drei Jahrzehnten z.B. die Texte auf den Spruchbändern und Plakaten der Ostermarschierer. Und weil das meist linke Gruppen waren, die da marschierten, sind solche Worte vielleicht für uns ein wenig zu sozialistisch oder einfach ideologisch eingefärbt. Andere wieder hören das "Schwerter zu Pflugscharen" eher als den Ruf aus einer Zeit, in der in unserer Konsumgesellschaft noch biblische und christliche Gedanken eine Bedeutung hatten. Das ist so oder so je nach dem, wo wir politisch und gesellschaftlich stehen und wohl auch, wie alt und wie religiös wir sind und wie unsere Lebensgeschichte bis heute verlaufen ist.

Ich möchte sie heute einladen, diese Worte einmal ganz unvoreingenommen zu hören und damit so, wie sie zuerst gemeint waren: Von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.

Es ist der Gott Israels und damit unser Gott, der Vater Jesu Christi, der uns das sagen lässt. Und das ist hier keine politische Parole und schon gar keine Kampfansage an die herrschende Klasse, sondern eine Weissagung, eine Prophezeiung, die in vielleicht nicht mehr allzu ferner Zeit eintreffen soll, eintreffen wird. Und wenn wir diese Worte einmal so hören, dann könnte es sogar sein, dass sich eine gewisse Sehnsucht bei uns einstellt und der Wunsch, diese Zeit möchte doch endlich beginnen. Denn der Friede zwischen den Völkern ist ja nicht nur in dieser uralten Prophezeiung das wichtigste Zeichen dafür, dass die "letzte Zeit" anbricht und Gott selbst seine Herrschaft in der Welt antritt und Weisung von seinem Thron ausgeht. Es ist doch auch unsere Hoffnung und die Mitte vieler unserer Gebete, dass es endlich keinen Krieg mehr gibt, kein Drohen mit Gewalt und keinen Gebrauch von Waffen.

Aber, wenn wir jetzt ganz ehrlich sind, glauben wir nicht mehr so recht daran, dass sich unsere Hoffnung je noch erfüllt. Und das geht nicht nur uns so. Die Ostermarsch-Bewegung hat sich auch schon lange andere Themen gesucht und auf ihren Plakaten stehen andere Appelle. Da geht es etwa um Globalisierung, um Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Lage in unserem Land. Und auf den Spruchbändern heißt es: "Arbeit ist ein Grundrecht!" und "Weg mit Hartz IV!"

So wichtig es ist, auch hier Umdenken und Veränderung herbeizuführen, es zeigt doch auch, dass die Organisatoren des Ostermarsches im Blick auf den Frieden eher resigniert sind und ohne Hoffnung, ihn noch irgendwie herbeiführen zu können. Und wie eine Bestätigung dafür werden es auch in jedem Jahr weniger Menschen, die über die Ostertage mitmarschieren.

Haben wir Menschen dieser Zeit also - und haben wohl auch wir Christen - wirklich jeden Glauben daran verloren, dass einmal doch Gott seine Welt selbst regieren wird und dass er als vornehmstes Zeichen seiner Herrschaft Frieden in seiner Schöpfung und zwischen den Staaten und Völkern schafft? Man könnte es denken! Ich glaube aber, wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, dass die Weissagung, wie wir sie heute von Jesaja hören, inzwischen vielleicht überholt ist und nicht mehr gültig. Denn auf der anderen Seite wissen wir doch auch, wie lange die Worte Gottes scheinbar unerfüllt bleiben, bis sie doch eines Tages Wirklichkeit werden. Denken wir nur daran, wie lange den Juden der Messias angekündigt war, bis er dann endlich in Jesus Christus menschliche Gestalt angenommen hat. Oder denken wir daran, dass die Toten auferstehen und Gottes Leute ewig leben sollen, wie wir es auch im Glaubensbekenntnis sagen. Haben wir Zweifel daran, nur weil Gott in seiner Langmut noch ruft und die Menschen zu sich und dem Glauben an ihn einlädt?

Also wollen wir auch hier Geduld haben und uns den Mut nicht nehmen lassen! Einmal wird doch Friede sein, Friede in der Schöpfung, zwischen den Völkern und den Menschen unterschiedlicher Religion, Hautfarbe, Herkunft und allem, was Menschen heute noch trennt und zu Feinden macht. Der Tag wird kommen, an dem Gott selbst seine Weisung gibt und sein Thron inmitten der Völker steht. Davon wollen wir uns nicht abbringen lassen.

Bis dahin gibt es ein Denken, ein Verhalten auch, das uns Christen wohl ansteht und von dem uns verheißen ist, dass es einmal den Tag erleben soll, an dem Friede sein wird und Gottes Reich endgültig beginnt. Es ist das Denken, das in allem und mit jedem den Frieden sucht. Es ist das Denken, wie es in unseren Köpfen sein wird, wenn erst Gott seine Welt selbst regiert und zwischen uns sein Gesetz des Friedens und des Verständnis' herrscht. Und es ist das Handeln, das aus diesem Denken kommt: Tun, was dem Frieden dient, die Hand reichen, Gewalt ächten, den Kompromiss suchen, das erste Wort sagen, nachdem lange geschwiegen wurde.

Das Denken und Handeln also, um das wir uns als Christen bemühen können und bemühen sollen, nimmt Gottes Friedensreich vorweg, tut so, als wäre es schon angebrochen und wir selbst heute schon mittendrin! - Das geht doch gar nicht, meinen sie? Das ist doch Selbstbetrug?

Liebe Gemeinde, ich halte dagegen, dass es geht! Wie in anderen Bereichen unseres Glaubens auch. Ja, mehr noch: Nur so geht es! - Wie ist das z.B. mit der Liebe zu unseren Nächsten? Müssten wir nicht sagen: Das "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist in dieser Welt und in unserem Leben niemals ganz zu verwirklichen und durchzuhalten. Immer wieder wird die Selbstsucht und der Eigennutz über die Liebe triumphieren. Und gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten wie diesen, in denen die soziale Kälte wächst, empfinden wir ja besonders stark, wie oft Menschen nicht nach der Liebe handeln, sondern nach ihrem Bauch oder ihrem Geldbeutel. Aber gilt darum die Nächstenliebe nicht mehr? Oder ist sie sozusagen ausgesetzt - bis die Wirtschaft wieder brummt. Oder sollen wir jetzt gar auf die Liebe warten, bis sie in Gottes Ewigkeit alle umfasst und alles bestimmt? - Was wäre das für ein Gebot, das wir nur dann als Gebot anerkennen, wenn die Möglichkeiten, es zu verwirklichen, günstig erscheinen? Und was wären wir für Christen, wenn wir die Liebe zu unserem Mitmenschen nur übten, wenn sie nicht besonders viel von uns fordert und uns materiell kein Schaden entsteht und uns vom Engagement und vom zeitlichen Aufwand her keine größere Anstrengung abverlangt wird? Nein, auch die Liebe tun und leben wir darum, weil sie wie der Friede zu den Gesetzen der neuen Welt Gottes zählt, die uns hier schon aufgegeben sind, weil sie dort ganz und gar und ewig Wirklichkeit werden soll.

Und mit der Hoffnung ist es doch gar nicht anders: Wie wenig gibt uns diese Zeit doch Anlass dazu, festzuhalten, was wir hoffen? Dass wir einmal Leid, Krankheit und Behinderung loswerden - wird es nicht immer schlimmer werden damit im Laufe unseres Lebens, zumal wenn wir älter und schwächer werden? Dass wir am Ende eben nicht dem Tod und dem Vergessen anheim fallen, sondern in Gottes Hände - wird es uns nicht auch immer mehr zur Last, diese Hoffnung zu bewahren, je bedrückender wir die Ungerechtigkeit in der Welt, den Machtmissbrauch der Mächtigen und auch die eigene Ohnmacht und Verlorenheit erfahren? Und doch wird auch die Hoffnung von daher gespeist und immer wieder neu, dass wir einmal erleben sollen, wie sie sich ganz erfüllt. Auch hier nimmt unsere Seele vorweg, was bis zum jüngsten Tag noch aussteht und verborgen ist.

Und schließlich gehört es doch auch zum Wesen unseres Glaubens selbst, dass er glaubt, was er eben noch nicht sieht und sich auf das freut, was noch kein festes Wissen, sondern heute noch "nur" Gottes Wort und Verheißung ist. Und auch der Glaube kann uns in dieser Zeit ja sauer werden. Wenn wir etwa die Erfahrung machen, dass die gottlosen Menschen, die ausdrücklich keinen Glauben haben, doch oft so gut und manchmal in Saus und Braus leben können. Dagegen die Gläubigen: Sie erwarten und erbitten alles von Gott und doch vergehen sie oft in Kummer, Krankheit und Leid und es fehlt ihnen am Nötigsten. Aber eben auch der Glaube erwartet seine Erfüllung erst drüben in Gottes Ewigkeit und es ist ihm genug zu wissen, dass die Zeit kommt, in der unser Glaube zur Wirklichkeit wird.

Liebe Gemeinde, wenn sie mich nun fragten, wie das kommt, dass wir für den Frieden arbeiten können, auch wo er in dieser Welt doch kaum Fortschritte macht, dann könnte ich nur auf Gottes neue Welt verweisen, wo uns der ganze, ungeteilte, ewige Frieden versprochen ist. Und wenn sie mich danach fragten, warum wir Christen trotz aller Erfahrungen des Hasses und der Zwietracht noch die Liebe leben können, immer noch Hoffnung und Glauben haben, obgleich uns doch so viel davon abbringen könnte - dann würde ich es noch einmal so machen: Wir können das, weil es Gottes Verheißung ist, dass sich Liebe, Hoffnung und Glaube einmal ewig durchsetzen.

Vielleicht ist es ja so, dass wir von der Verheißung Gottes, wo wir an ihr festhalten und sie nach unserem Vermögen mit unserem Denken, Reden, Tun und Lassen schon heute zu verwirklichen versuchen, auch die nötige Hilfe, Kraft und Geduld dazu bekommen? Dass wir eben nicht resignieren, vielmehr immer wieder voll Mut und Ausdauer für Gottes Sache arbeiten können!

So verstehe ich auch den letzten Satz der Worte des Jesaja, die er uns heute ausrichtet: "Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, laßt uns wandeln im Licht des HERRN!" Wenn euch auch vieles den Mut nehmen will, wenn auch manche Leute euch für verrückt und weltfremd halten - auch wenn das "Licht des Herrn" erst in Gottes Welt ewig brennt, so können wir doch schon heute in seinem Schein leben und arbeiten. - Und es geht! AMEN