Predigt zum Sonntag "Laetare" - 6.3.2005

Textlesung: Jh. 6, 55 - 65

Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich ißt, leben um meinetwillen. Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und ge- storben sind. Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte. Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören? Da Jesus aber bei sich selbst merkte, daß seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch das? Wie, wenn ihr nun sehen werdet den Menschensohn auffahren dahin, wo er zuvor war? Der Geist ist's, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben. Aber es gibt einige unter euch, die glau- ben nicht. Denn Jesus wußte von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verra- ten würde. Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.

Liebe Gemeinde,

man kann es schon verstehen, wenn den ersten Christen von ihrer heidnischen Umwelt nachgesagt wurde, sie wären Kannibalen! "Denn mein Fleisch ist die wahre Speise ..." Und es lässt sich für uns auch leicht nachvollziehen, wenn Jesu Jünger so sprechen: "Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?" Und nicht nur die Jünger damals ärgern sich, uns heute geht es doch nicht anders, wenn Jesus solche fragwürdigen Dinge behauptet: Wir müssten seinen Leib verzehren. - Wie gehen wir damit um? Und - noch wichtiger: Was lassen wir uns von solchen Worten heute noch sagen?

Schon einige der Reformatoren haben empfunden, dass wir solche Gedanken nicht mehr einfach stehen lassen können: "Wer mich ißt, wird leben um meinetwillen." So haben sie darum gerungen, ob der Wein und das Brot beim Abendmahl wirklich das Blut und der Leib Christ "ist" oder nur "bedeutet" und "symbolisch darstellt" Ja, und vielleicht ärgert uns das heute ja auch: Es war nämlich ausgerechnet "unser" Martin Luther, der darauf beharrte: Brot und Wein sind Leib und Blut des Herrn!

Nun könnten wir das nach bald 500 Jahren des evangelisch-lutherischen Glaubens ja endlich fallen lassen und abhaken, wie wir heute gern sagen. "Luther, der ja doch mit einem Bein in der katholischen Zeit stand, hat das noch so gesehen, wir aber sehen das heute anders!" Und dann sind wir schnell dabei, dass wir erklären: Wein und Brot stehen nur für Blut und Leib Christi! Wer kann denn wirklich noch glauben, er verspeise sozusagen den Herrn? Das ist uns ja doch fast anstößig, auch nur so zu denken!

Es wird sie jetzt vielleicht wundern, wenn ich mahne: Wir wollen das ein wenig langsamer angehen und vor allem verantwortlicher. Immerhin: Es ist Jesus, der uns das aufgibt: Mein Fleisch ist die wahre Speise! Er wird gewusst haben, warum er so spricht!

Kommen wir doch einmal von einer ganz anderen Seite her: Wein und Brot stehen doch in jedem Fall für das Blut, das Jesus am Kreuz vergossen hat und für seinen Leib, der dort die schändlichsten Qualen erleiden musste und am Ende im Tod erloschen und in die Grabeshöhle gelegt worden ist. Das könnte gewiss jeder Christ nachsprechen! Was aber, wenn wir jetzt anfingen, an diesem Tod und diesem Begräbnis herumzudeuteln. Vielleicht so: Jesus ist nicht wirklich gestorben! Das war ein Scheintod! Und der geschundene Körper, den sie ins Grab senken, hat nur geschlafen.

Sicher spüren sie, was da passiert, wenn wir so sprechen: Das wäre nicht mehr die wahre Mitte unseres Glaubens! Und noch härter: Das wäre überhaupt kein Gegenstand mehr, den man glauben könnte und der irgend eine Bedeutung hätte: Jesus nur scheintot? - Dann gäbe es heute kein Christentum mehr. Denn wie sagt Paulus: "Der Tod ist der Sünde Lohn." (Röm. 6,23) Die Sünde kann also nur abgetragen werden, wenn einer den Tod auf sich nimmt - für alle! - und das hat Jesus für uns getan! Und wenn Jesus nicht wirklich gestorben wäre, dann wäre Gott auch noch nicht das Opfer dargebracht, um dessentwillen er uns vergibt und das ewige Leben schenkt. Und auch davon können wir im Evangelium lesen: "Denn ... der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele." (Mk. 10,45)

Es liegt also doch sehr viel daran, ob etwas nur so scheint, oder tatsächlich so ist, ob wir es symbolisch verstehen oder als Wirklichkeit, die wir erfahren können.

Vielleicht gewinnen wir von daher jetzt doch eine gewisse Hochachtung vor solchen Worten Jesu: "Denn mein Fleisch ist die wahre Speise ..." - "Wer mich ißt, wird leben um meinetwillen."

Es bleiben harte, anstößige Gedanken und wir hätten uns gewünscht, dass unser Herr es den Gegnern unseres Glaubens nicht gar so leicht macht, dass sie sagen können: Das ist doch wohl eine seltsame Religion, die bei ihrer Mahlfeier den Leib ihres Herrn zerbeißt und sein Blut trinkt!

Liebe Gemeinde, ich denke aber, gerade weil von den wichtigsten Gedanken und Inhalten unseres Glaubens so viel Anstoß und Anlass für Missverständnisse ausgeht, liegt etwas daran, dass wir an ihnen festhalten! Und immerhin: Jesus spricht ja nicht nur hier hart und ärgerlich für seine Hörer! Darum könnten wir jetzt das sagen: Gerade weil uns seine Worte so ärgern, müssen wir sie umso fester bewahren, bedenken und ernst nehmen!

Aber es gibt noch ein wichtiges Argument, warum wir dabei bleiben wollen, dass es Jesu Leib ist, den wir beim Abendmahl zu uns nehmen: Wenn nämlich alles nur symbolisch ist ... Jesu Leiden, sein Tod, seine Grablegung, sein Leib, sein Blut ... dann wäre auch unsere Sünde nur symbolisch! Und wir hätten recht, wenn wir mit solchen Worten zum Tisch unseres Herrn gingen: Da ich ja nicht wirklich ein Sünder bin, trinke ich dort auch nicht wirklich Christi Blut! Da wir ja alle freundliche, gute Menschen sind, musste Jesus für uns auch nicht wirklich sterben. - So würde das Abendmahl zur symbolischen Feier einer symbolischen Vergebung von nur symbolisch gedachter, aber nicht wirklich konkreter Schuld. - Wozu aber wäre dann das Abendmahl noch gut?

Aber gehen wir noch einmal von der anderen Seite heran: Warum hat sich das Mahl unseres Herrn bis heute gehalten. Warum feiern Christen seit bald 2000 Jahren an Christi Tisch nicht nur die Gemeinschaft untereinander und mit ihrem Herrn, sondern eben auch, dass ihnen dort die Schuld ihres Lebens und die täglichen Sünden vergeben werden? Zu einem nur symbolischen Vergebungsmahl, da bin ich sicher, würde heute kein Mensch mehr gehen! - Aber genug mit den theologischen und irgendwie doch auch sehr theoretischen Betrachtungen. Ich möchte noch eine Geschichte erzählen, die bringt uns auf klare und für mich auch sehr rührende Weise nah, worum es beim Abendmahl geht und was uns das Mahl unseres Herrn - und das eben nicht nur symbolisch - schenken will:

Draußen glitzern die Sterne in der eiskalten Nacht. In der Holzhütte sitzen die Fischer. Tage und Nächte haben sie im Nordmeer gearbeitet. Sie sind todmüde. Aber sie können nicht schlafen. Vor ihnen liegt der schwerkranke Kamerad, in Felldecken gewickelt. Er stöhnt und spricht im Fieber. Jetzt öffnet er die Augen und sagt: "Ich muss zum Abendmahl gehen." Die Fischer rücken auf ihren Plätzen hin und her. Dann sagt einer: "Es ist viele Meilen weit zum Pfarrer." - "Es ist noch weiter - zur Gnade", sagt der Kranke, Eleseus mit Namen. Dann wird es wieder still, bis der Sterbende wiederholt: "Ich muss um Vergebung bitten. Ich muss zum Abendmahl gehen." Man hört seine schnellen Atemzüge.

Da steht Henrik auf und geht aus der Hütte. Vor der Tür bleibt er stehen, faltet die Hände, so gut es in den dicken Fausthandschuhen geht, und kniet im Schnee nieder. Alle schweigen, als er hereinkommt. "In Gottes Namen denn", sagt Henrik. Und jetzt erst scheint er daran zu denken, was er braucht. Wein haben sie nicht, und auch kein Brot. Henrik gießt Balsam in die Tasse, mischt etwas Wasser darunter, versucht. Dann schneidet er ein Stück von dem feinen Kuchen ab, den die Frau des Eleseus ihrem Mann mitgegeben hat. "Eleseus", sagt Henrik und rüttelt ihn sanft, "wir können keinen Pfarrer holen, aber willst du, dass ich dir das Abendmahl gebe?" - "Ja".

"Glaubst du an Gott, Eleseus?" - "Ja". "Und bereust du alles, was du getan hast und was nicht war, wie es hätte sein sollen?" - "Ja, o ja!" Henriks Hand liegt auf der Stirn des Kranken. "So verkündige ich dir im Namen Gottes, des Allmächtigen, dass dir alle deine Sünden vergeben sind im Namen Gottes, des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes." Damit gibt er ihm das kleine Stück Kuchen und einen Schluck aus der Tasse.

Am anderen Morgen sagt der Schiffsführer: "Wir müssen nun einen Sarg zimmern, Eleseus ist tot."

Liebe Gemeinde, warum haben die Fischer den Sterbenden nicht so getröstet: Eleseus, du weißt es doch: Durch Jesus Christus ist dir alle Schuld vergeben!? Warum musste es doch diese - ein wenig seltsame - Abendmahlsfeier sein? - Warum, wenn nicht deshalb: Weil das Mahl der Christen nun einmal wirklich keine nur symbolische Sache ist!

Halten wir das fest: Es kommt nicht darauf an, dass ein Pfarrer das Mahl des Herrn austeilt. Es kommt nicht darauf an, dass es Wein gibt und Brot, es mag auch Kuchen und Balsam sein. Alles aber liegt daran, dass wir unsere Schuld ernst nehmen, dass wir wissen, dass Jesus Christus ganz leibhaftig und wirklich für uns gestorben ist, dass sein Opfer am Kreuz kein bloßer Schein war, sondern ihn Leid und Schmerzen gekostet hat, dass also auch die Vergebung, die wir empfangen, echt und tatsächlich ist.

"Denn mein Fleisch ist die wahre Speise ..." - "Wer mich ißt, wird leben um meinetwillen." AMEN