Predigt zum Sonntag "Okuli" - 27.2.2005

Textlesung: Mk. 12, 41 - 44

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Liebe Gemeinde!

Eigentlich gehört sich das ja nicht, was Jesus hier tut! Stellen sie sich nur vor, die KirchenvorsteherInnen wenn sie ihnen hier im Gottesdienst den Kollektenteller (Klingelbeutel) hinhalten, würden ihnen derartig auf die Finger sehen. Unmöglich so ein Verhalten! Und wenn dann sogar noch hinterher - wie Jesus es hier mit seinen Jüngern tut - vielleicht (beim Geldzählen) unter den Kirchenvorstehern darüber gesprochen würde, was dieser oder was jene gespendet hat ... Nicht wahr, so etwas darf einfach nicht sein!

Andererseits - das gibt es halt auch: Manche Menschen winken an Heiligabend oder am Erntedankfest wenn Kollekte gesammelt wird geradezu mit ihrem Geldschein, da kann man kaum widerstehen zu schauen, ob es ein 50er oder gar 100er ist!

Aber wie auch immer es dazu gekommen sein mag, jetzt wissen wir es: Viele Reiche haben viel in den Gotteskasten gelegt, die arme Witwe nur zwei Scherflein - das wären in unserer Währung ein halber Eurocent. Stimmt denn nun die Rechnung, die Jesus aufmacht? Hat die Witwe mehr als die anderen gegeben? Natürlich nicht, wenn wir einfach addieren. Im Gegenteil: Ihre Gabe könnte am Ende fehlen, es würde nicht auffallen und das Endergebnis nicht beeinflussen, jedenfalls nicht so, dass es der Rede wert wäre. Also geht es nicht um ein solches Rechnen. Worum geht es dann?

"Denn sie (die Reichen) haben alle etwas von ihrem Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte", sagt Jesus.

Mir fällt dabei die Flutkatastrophe in Südostasien ein. Ich will da jetzt nicht nörgeln, die Spendenbereitschaft der Deutschen war wirklich ganz enorm - auch im internationalen Vergleich. Und trotzdem, beim einen oder anderen prominenten Sportler oder Wirtschaftsmanager habe ich dann doch gedacht: Angesichts deines jährlichen Millioneneinkommens sind die 1.000 oder auch 10.000 Euro doch ein wenig mager. (Wobei ja wirklich verräterisch ist, dass wir bei den Prominenten immer gern erfahren dürfen, was sie gegeben haben!) Aber tun wir das beiseite und freuen wir uns über das schöne Gesamtergebnis! Und hoffen wir, dass es wirklich da ankommt und hilft, wo wir es wollten.

Aber noch einmal: Worum geht es Jesus, wenn er die Witwe mit ihrer im Grunde lächerlichen Spende so herausstellt? Ich glaube, es ist die Haltung, die hinter ihrem Opfer steht. Und eben, dass es wirklich für sie ein Opfer ist, das sie gibt. Wenn wir sie jetzt nach Hause begleiten würden, diese arme Witwe, dann könnten wir weder in ihrer Küche, noch in ihrer Vorratskammer irgend etwas Essbares entdecken. Und im ganzen Haus würden wir auch vergeblich nach Geld suchen. Stellen sie sich das vor: Sie hat wirklich nichts mehr. Das wäre also genau so, als wenn wir nachher in unsere Wohnung treten und man hätte sie ausgeräumt, während wir hier in der Kirche waren. Ein furchtbarer Gedanke! Aber halt! Wir hätten dann immer noch unser Konto bei der Bank. Vielleicht könnten wir sofort zum nächsten Geldautomaten gehen und uns dort ein paar Scheine besorgen. Und wenn unser Konto gerade schwach gefüllt wäre, dann hätten wir doch Kredit bei der Bank und beim Kaufmann, bis die Versicherung für unseren Verlust eintritt. - Die Witwe hatte das alles nicht. Im Grunde war sie dem Tod durch Verhungern preisgegeben. Wenn ihr niemand beistand, dann musste sie sterben.

Liebe Gemeinde, fragen wir jetzt bitte nicht, warum die arme Frau auch so dumm gewesen ist. Da liegt nicht der Kern der Sache! Was Jesus uns sagen will, hat auch mit Geld wenig zu tun. Wie gesagt, es geht um ihre Haltung. Und was steht hinter dieser Haltung?

Immerhin: Sie hat ihre zwei Scherflein in den Gotteskasten gelegt. Der Inhalt dieses Kastens war für die Armen bestimmt. Aber er stand am Ausgang des Tempels, des Hauses Gottes. Wer dort etwas einwarf, tat das eigentlich, um es Gott zu opfern! Da gaben die Reichen also aus ihrem Überfluss und sagten damit: Ich kann mir das leisten und im besten Fall, ich will den Bedürftigen von meiner Fülle abgeben ... Die Witwe aber gab aus ihrem Mangel - ein materiell ganz unbedeutendes Opfer zwar -, aber es war alles, was sie hatte. Also sagt sie damit: Gott, ich vertraue dir mein Leben an. Wenn du mich nicht versorgst, muss ich sterben. Aber ich weiß, du wirst mich nicht umkommen lassen!

Liebe Gemeinde, spätestens jetzt ahnen wir es: Es ist ein Bild für unseren Glauben, das Jesus uns hier vor Augen führt. So soll euer Glaube sein, vorbehaltlos, grenzenlos vertrauend, gewiss, dass der himmlische Vater euch nicht fallen lässt!

Darum wollen wir jetzt wegkommen von allen Gedanken um Geld und die Höhe der Spenden - und wollen dem Glauben nachdenken, den Jesus uns genauso zutraut, wie seinen Jüngern damals.

Die Bedürftigen unter uns, die sich fragen, ob sie wohl auch in Zukunft noch mit ihrem Gehalt oder ihrer Rente auskommen werden, sollen ganz getrost sein: Hinter euch steht Gott mit ausgebreiteten Händen, der euch segnet und wenn es einmal nötig sein wird, auffängt. Und wenn der Sozialabbau auch immer noch weitergeht, ihr seid geborgen in ihm. Und er wird auch Menschen bewegen und beauftragen, dass sich für euch und gegen die ungerechten Verhältnisse einsetzen.

Die Kranken unter uns dürfen sich sagen: Unser himmlischer Vater ist in unserer Nähe. Seine gütigen Augen liegen auf uns. Er hört jeden Seufzer, den wir tun. Wenn die Schmerzen kommen, wird er sie lindern. Und wenn die Angst uns überfällt, wird er uns Worte des Trostes zusagen. Wir sind nicht allein. Gott ist bei uns und die Menschen, die er zu uns sendet.

Alle, die in ihrem Leben mit einer Behinderung geschlagen sind, müssen eines wissen: Gerade ihr liegt Gott am Herzen. Er steht euch bei, dass ihr euer schweres Leben bestehen könnt. Auch wo eure Schritte langsam sind und unsicher, nimmt er euch bei der Hand. Und einmal wird das alles überwunden sein und Gott selbst wird euch alle Fragen beantworten.

Alle, die sich gerade große Sorgen machen - um sich selbst oder einen anderen Menschen -, sollen es hören: Gott weiß um eure Gedanken. Er kennt eure Furcht und begleitet euch auf allen euren Wegen. Vielleicht werden sich die trüben Gedanken bald auflösen und einer großen Freude Platz machen. Vielleicht aber auch werdet ihr den Kelch des Leids trinken müssen, den ihr angstvoll vor euch seht. Aber ihr werdet mit Gottes Kraft durch die schwere Zeit hindurchgehen und es wird ein neuer anderer Tag kommen.

Die Einsamen, denen ein Mensch fehlt, der sie hört und dem sie ihren Kummer erzählen können, werden in Gott ein Gegenüber haben und vielleicht neu entdecken: Er achtet auf unser Gebet. Er gibt uns Antwort - manchmal ganz leise! -, wir müssen schon in die Stille gehen. Und vielleicht führt er uns sogar mit einem anderen Menschen zusammen, der genau so allein ist wie wir - dann wäre uns und ihm geholfen.

Liebe Gemeinde, alles das kann der Glaube, den uns die arme Witwe zeigt. So viel Vertrauen in Gott können Christen haben - auch noch heute. Wer jetzt meint, das wäre ihm aber doch zu viel zugemutet, der denke daran: Es gibt solche Menschen, die so glauben können! Auch in unserer Zeit. Und wenn wir uns einen Augenblick besinnen, dann steht uns allen das Bild wenigstens eines solchen Menschen vor der Erinnerung: Vielleicht unsere Nachbarin, vielleicht unser Kollege, vielleicht unsere Mutter oder der Vater ...

Die Reichen haben alle etwas von ihrem Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte. - Noch einmal: Es geht nicht so sehr um das Geld, das hier gespendet oder geopfert wird. Es geht um die Haltung des Glaubens und des Vertrauens in Gott. Jesus hat solchen Glauben seinen Jüngern und uns heute zugetraut. So viel Vertrauen zum Vater im Himmel können auch wir aufbringen! Und vergessen wir dabei eines nicht: Dieser Jesus Christus, der hier spricht, hat am Kreuz selbst den Tod besiegt! Es ist also für uns so, dass im Hintergrund noch des härtesten, leidvollsten Lebens das Licht der Ewigkeit brennt. Wenn auch alles anders kommt, als wir hoffen, wenn Krankheit nicht mehr geheilt werden kann, wenn unsere Befürchtungen sich bewahrheiten - dann wissen wir, was die arme Witwe damals noch nicht wusste: Jesus Christus hat uns beim Vater eine ewige Wohnung bereitet. In einem letzten Sinn, kann uns nichts geschehen. Alles muss, alles wird gut werden. AMEN