Predigt zum 1. Sonntag nach Epiphanias - 9.1.2005

Textlesung: Mt. 4, 12 - 17

Als nun Jesus hörte, daß Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jes. 8,23; 9,1): "Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen." Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Liebe Gemeinde!

Über einige Themen könnte man sprechen, wenn man diese Worte aus dem Matthäusevangelium hört. Könnte man! An einem Satz aber kommen wir sicher nicht vorbei. Zu schön ist er. Zu klangvoll und poetisch. Aber auch sehr tröstlich, wenn man ihn recht versteht. Was ich meine?

"Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen."
Zuerst hat das der Prophet Jesaja gesagt. Der Evangelist Matthäus und mit ihm die ersten Gemeinden und die Christenheit bis heute haben dieses Wort auf Jesus hin gedeutet, den Christus Gottes, das Licht der Welt. Und ich kann mir eigentlich kein schöneres und treffenderes Bild vorstellen, das uns ausmalt und schildert, wer und was Jesus Christus für uns ist: Das Licht, das uns irgendwann im Leben einmal aufgeht, das unseren Weg durch Freude und Leid begleitet und hell macht und uns einmal durch die letzte dunkle Tür hinüber begleitet in Gottes ewige Welt, wo es uns dann für immer scheinen wird.

Aber, so schön dieses Bild auch ist und so gut es uns auch gefällt, die Gedanken, ob es denn wahr ist und wirklich mit diesem Licht, diese Gedanken kommen uns dennoch! Was haben wir auch an einem nur schönen Bild? Wenn wir seine Wahrheit nicht auch sehen und greifen können, wenn es uns nicht zu leben hilft und uns an jedem Tag neu vor Augen führt, was wir tun, wie wir entscheiden und welchen Weg wir gehen sollen. Wie also erkennen wir das Licht der Welt, Jesus Christus, in unserem Leben, bei Arbeit und Freizeit, wenn es uns gut geht und wenn wir schwere Tage haben? Und mit dem klangvollen, schönen Wort des Jesaja gefragt: Wo haben wir, die in der Finsternis sitzen, sein großes Licht gesehen? Wo und woran geht uns dieses Licht auf?

Viele Menschen unserer Zeit würden sicher so antworten: Mir ist dieses Licht nicht aufgegangen. Mein Leben ist dunkel. Ich bringe mich so durch. Ich musste immer mehr Leid tragen, als ich Glück erfahren habe. Darum kann ich an ein "Licht der Welt" nicht glauben und Jesus Christus, den sie den Sohn Gottes nennen, ist mir nie erschienen.

Andere würden vielleicht so sprechen: Es gab eine Zeit in meinem Leben, da hatte ich das Gefühl, mit dem verbunden zu sein, den die Christen das Licht nennen. Aber das ist lange her. Damals habe ich auch noch gebetet. Und immer wieder einmal hat er mir meine Wünsche erfüllt. Aber heute? Das liegt alles sehr weit. Meine Gesundheit ist nicht mehr zum Besten. Die Freude und der Glaube haben mich verlassen. Irgendwann habe ich auch aufgehört zu beten. So lange wird es ja auch nicht mehr währen, dann ist es zu Ende. - Was dann kommt? Ich weiß es nicht, ich mache mir auch keine Gedanken darum ... nur manchmal ...

Wie würden wir von diesem Licht der Welt reden? Wir, die heute hier zusammen sind? Wir Christinnen und Christen, die so verbunden sind mit IHM, dass wir hier Gottesdienst feiern?

Gewiss, es gibt auch Menschen, die wirklich fest im Glauben stehen, die nicht vom Leid gebeutelt, nicht von Zweifeln angefochten und nicht durch die Angst vor dem Tod oder der Zukunft bedrückt sind. Aber, wir wollen ehrlich sein, den meisten von uns geht es anders: So ganz fremd sind uns die Äußerungen der Menschen nicht, die Gottes Licht nicht gesehen haben oder denen es wieder verloren gegangen ist. Vielleicht ist das der Unterschied zu ihnen, deren Worte wir eben gehört haben, dass wir noch auf der Suche sind, dass wir noch Hoffnung haben, noch Glauben ... Aber manchmal ist er schon arg bedroht durch das, was uns geschieht, durch Nöte, Kummer, Krankheit, Behinderung, Sorgen, Furcht und was uns noch alles den Mut nehmen will. Wir könnten es wohl so ausdrücken: Unser Licht flackert schon und es war schon oft und ist immer wieder in Gefahr zu verlöschen. "Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen." Noch können wir das von uns sagen. Noch gehören wir zu diesen Menschen. Aber ob wir unseren Glauben an das Licht der Welt immer werden festhalten können? - Was müssen wir tun, dass uns das Licht nicht ausgeht?

Ich habe eine kleine Geschichte gefunden, die kann uns hierzu etwas Wichtiges sagen. Eine wirklich sehr kleine Geschichte, sie besteht nur aus drei Sätzen, aber sie hat ein große Botschaft. Sie heißt: Der Blinde.

In einem Jugendkreis, an dem auch ein blinder Junge teilnahm, wurde über die Existenz Gottes diskutiert. "Ich glaube nur, was ich sehen kann" - behauptete einer der jungen Leute.

Der Blinde entgegnete ihm: "Ich sehe die Sonne nicht, aber ich fühle sie."

Liebe Gemeinde, vielleicht sind wir an die Frage nach Gott und ob uns sein Licht in unserem Leben begleitet, bisher immer zu sehr mit dem Kopf herangegangen? "Ich glaube nur, was ich sehen kann", sagt einer. Und was ich sehen kann, das ist da, beweisbar und wirklich vorhanden. - Er vertraut also auf seine Augen, seinen Kopf, seinen Verstand. Und darum sagt er: Was ich nicht sehen kann, das gibt es auch nicht.

Machen wir uns nichts vor, von dieser Sicht, diesem Denken sind auch wir - mehr oder weniger - angekränkelt. Vielleicht erschrickt uns das ja auch selbst: Darf ich denn so denken? Muss ich nicht glauben, nicht vertrauen, nicht Hoffnung haben? Verlangt Gott das nicht von mir? Und wenn ich mich einfach von ihm abwende, wird er mir dann nicht seine Hilfe, seine Güte und seine guten Gaben entziehen? Ja, wird er mich nicht ... strafen?

Liebe Gemeinde, auch dieses Denken hört nur auf unseren Kopf. Das kann nur der Verstand aushecken! Der blinde Junge aus der kleinen Geschichte setzt das dagegen: "Ich sehe die Sonne nicht, aber ich fühle sie!" - Was könnte das für uns heißen?

Erst einmal dies: Höre nicht auf deinen Kopf! Der kann dir nicht raten, denn er blendet einen großen, vielleicht den größten Teil der Wirklichkeit aus! Der Autor eines der schönsten und beliebtesten Bücher unserer Zeit, des "Kleinen Prinzen" hat gesagt: "Man sieht nur mit dem Herzen richtig. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." Und ich füge hinzu: ... für den Verstand nicht greifbar! - Aber was ist das Wesentliche?

Da fällt mir viel ein: Dass du nach schwerer Krankheit neulich wieder genesen bist. Dass du seit Jahren ohne Unfall Auto fährst und in mancher gefährlichen Situation ohne Schaden und Verletzung davongekommen bist. Dass die Liebe zu deinem Partner schon so lange hält. Dass deine Kinder etwas Rechtes geworden sind und sich selbst durchs Leben bringen können. Dass du Arbeit hast, wo du doch schon über 50 bist. Aber auch - wenn du nicht mehr arbeiten kannst oder darfst -, dass du mit deinem Geld, deiner Rente auskommst. Dass du in deinem Alter noch so mobil bist und geistig beweglich. Dass du so viele Talente mitbekommen hast. Dass dir Gott das Geschenk des Humors gemacht hat. Und ich könnte hier noch lange solche wesentlichen Dinge aufzählen, die unsere Augen, unser Verstand nicht aufnimmt und gar nicht aufnehmen kann! Denn was wird er tun, der Verstand? Wenn ich seit vielen Jahren ohne Unfall Auto fahre, dann wird er sagen: Nun, ich fahre auch gut und umsichtig. Wenn die Liebe in der Ehe hält und die Kinder gut geraten sind, dann meint der Kopf: Ich bin aber auch ein lieber Ehemann, oder eine patente Frau und in der Erziehung habe ich mir doch auch viel Mühe gemacht! Und schließlich, wenn ich im fortgeschrittenen Alter noch einen Arbeitsplatz habe, deutet das mein Verstand so: Ich bin aber auch die Seele der Firma! Ohne mich geht es nicht. - Ob das wohl stimmt? Ob das alles ist, was wir dazu sagen müssen?

"Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen."
Liebe Gemeinde, ich glaube, dass wir alle von diesem Licht bestrahlt sind, dass unsere Augen und unser Kopf nicht wahrnehmen können. Ich glaube, dass wir täglich Gottes reiche Liebe erfahren, die sich vor unseren Augen verbirgt und von unserem Verstand nicht fassen lässt. Aber an der Wärme, die uns umgibt, können wir das Licht spüren. In der Liebe, die wir zueinander haben, erleben wir den Widerschein der Liebe, die uns von Gott her kommt. In allem, was uns gelingt, begreifen wir die Güte und Treue Gottes zu uns. Wenn wir gesund sind, dann ist das Gottes Gnade und Geschenk. "Ich sehe die Sonne nicht, aber ich fühle sie!", sagt der Blinde. So ist es. Die Sonne ist da, auch wo wir sie nicht sehen können. Man sieht nur mit dem Herzen richtig. Darum lernen wir, mit dem Herzen zu sehen. Dann werden wir in unserem Leben den "Blick" für das Wesentliche bekommen, selbst da, wo unsere Augen und unser Kopf etwas ganz anderes oder überhaupt nichts erkennen. Dann werden wir auch - mit Gottes Hilfe - unseren Glauben festhalten können so lange uns das Licht der Sonne und das Licht Jesu Christi in diesem Leben bestrahlt. Und selbst im "Schatten des Todes", wenn es einmal heißt hinübergehen in Gottes ewige Welt, wird uns sein Licht nicht ausgehen, vielmehr nur noch heller ewig scheinen.
AMEN