Predigt am Erntedankfest, 17. So.n.Trin. - 03.10.2004

Textlesung: 2. Kor. 9, 6 - 15

Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): "Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit." Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich darin, daß viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwenglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Liebe Gemeinde (am Erntedanktag)!

Ein paar Wörter, nicht einmal ein ganzer Satz, haben beim Lesen meine Augen und meine Gedanken festgehalten: Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat... So sollen wir "säen", nicht unwillig oder gezwungen, so sollen wir unsere guten Gaben mit den Mitmenschen teilen, als "fröhliche Geber". Aber wie entsteht das, was in unserem Herzen ist? Genauer: Wie kommt es, dass wir uns etwas "im Herzen vornehmen"? Noch deutlicher: Können wir unser Herz denn überhaupt dahin beeinflussen, dass es gerne gibt und nicht missgünstig ist, dass es "fröhlich" weiterschenkt und nicht an das eigene Wohl und den eigenen Bauch denkt? Es gibt doch schließlich auch einen gewissen "Zwang", der auf uns lastet: Vielleicht ist das unsere Erziehung, in der wir gelernt haben, immer zuerst an uns selbst zu denken. Oder unsere schlechten Erfahrungen mit den Menschen, die doch auch immer nur nehmen können und nicht geben? Oder es ist unser "gesunder Menschenverstand", den wir doch auch immer wieder gern bemühen, wenn uns gut zu sein eher schwer fällt und Abgeben und Teilen unvernünftig und manchmal fast liederlich vorkommt. Die Frage heißt also: Wie wird unser Herz so, dass es sich verschenken kann? Wie werden wir "fröhliche Geber und Geberinnen"?

Dazu gibt Paulus eine Menge Hinweise: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Hier wird unser Verstand angesprochen. Und wir können nur sagen: Ja, so ist es! Ein Bauer, der nur ein paar Körner auf sein Feld wirft, kann keine große Ernte erwarten. Ein Mensch, der nur immer an sich selbst denkt, wird kaum Mitmenschen finden, die sich ihm selbstlos zuwenden. Die Frage bleibt aber: Ob der Verstand unser Herz verändern kann? Warum gibt es dann aber so viel Geiz und Herzenshärte unter uns?

Gott aber kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk. Hier spricht Paulus an, dass wir in unserem Handeln - gerade vor Gottes Angesicht! - auch gern nach Belohnung schauen. Und das ist doch etwas: Wenn wir "reichlich säen", empfangen wir auch "reichlich Gnade". Und "volle Genüge" an allem, lässt doch eigentlich keine Wünsche offen! Oder? Müsste unser Herz dann nicht reich genug sein, sich anderen zu öffnen? Warum nur gelingt es uns dann aber doch nicht, über unseren Schatten zu springen? Warum bleiben wir verschlossen und hart?

Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit. Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. Jetzt kommt die Verheißung: Gottes Segen wird mit uns sein! Unsere Arbeit wird Früchte ernten! Unsere Gerechtigkeit soll nicht ohne Lohn bleiben! Ist das nicht ein Ansporn, nun auch wirklich reichlich auszustreuen, gute Taten zu säen, aber auch von unserem Geld abzugeben und mit denen zu teilen, die an allem nicht so viel haben wie wir? - Ich fürchte, auch das trägt nicht sehr weit! Der Vorsatz, der vielleicht heute in uns entsteht, aus Gottes Segen und seinen Geschenken an uns nun Hilfe und Taten, Geld und Gaben für die Mitmenschen zu machen, wird bald wieder vergessen sein. - Was bleibt denn nun? Was kann denn wirklich eine Veränderung bewirken, eine die unser Herz neu macht und uns dauerhaft für die Not unserer Nächsten öffnet?

Ich denke, der letzte Satz, den Paulus heute an uns richtet, gibt uns Antwort: Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Gewiss, liebe Gemeinde, wir sind Gott dankbar! (Heute, am Erntedankfest hat uns das ja auch in die Kirche geführt!) Aber dieser Dank ist meist sehr flüchtig, unsere Dankbarkeit ist wie so vieles in der Welt und in uns der Vergänglichkeit unterworfen. Darum hören wir genau hin: ...Dank für seine unaussprechliche Gabe! Spüren sie das, wie uns Paulus aus dem Gefühl der - sagen wir - normalen Durchschnitts-Dankbarkeit herausholen will, hin zu einer ganz tiefen Haltung, die unser Leben erneuert und unser Handeln bestimmt. "Unaussprechlich" ist das, was Gott uns schenkt! Wir haben dafür niemals die rechten, die genügenden Worte! Und was schon unsere Lippen nicht angemessen ausdrücken können, unser Verstand kann es auch nicht fassen! Oder begreifen sie das wirklich, warum wir z.B. so begnadet sind, dass wir in diesem Land geboren wurden, und nicht im Sudan, wo wir jetzt vielleicht auf der Flucht vor den Regierungssoldaten wären, die uns nach dem Leben trachten und bedroht durch Dürre eines ausgetrockneten Landes und abgeschnitten von internationaler Hilfe, dem Hunger und dem Tod preisgegeben. - Was haben wir dafür getan, dass es uns so gut geht, dass wir sicher in eigenen Vierwänden leben und uns täglich satt essen dürfen. Was war unser Beitrag dazu, dass wir die Gaben und Talente mitbekommen haben, die uns den Verdienst und unser Auskommen sichern? Was ist, ehrlich und nüchtern betrachtet, unsere Leistung daran, dass wir sind, was wir sind und bei allen Beschwerden und gesundheitlichen Einschränkungen, die wir vielleicht haben, doch auf der Sonnenseite des Globus wohnen dürfen?

Aber nicht genug damit: Wie viel haben wir dazu getan, dass wir diese Eltern hatten, die uns liebevoll und mit hilfreicher, vielleicht auch kräftiger Hand in unser eigenes Leben geleitet haben? Woher kam uns das, wenn wir heute einen lieben Menschen an unserer Seite haben, auf den wir uns verlassen können, der Freude und schwere Zeit mit uns geteilt hat und das - so Gott will - noch lange tun wird? War das nur unsere Liebenswürdigkeit, die uns diesen Menschen fürs Leben gewonnen hat? Die Freude an unseren Kindern und Enkeln - ist sie nur Lohn für unseren selbstlosen Einsatz in der Erziehung und der Fürsorge für sie? Und die vielen anderen guten Beziehungen zu den Mitmenschen - tun sie, was sie für uns tun, sind sie, was sie für uns bedeuten nur deswegen, weil wir halt so sympathisch sind?

Aber das ist ja immer noch nicht alles, nein, das wichtigste haben wir noch gar nicht angesprochen: Wir haben zu Gott gefunden in unserem Leben. Wir glauben an ihn, wir vertrauen auf Jesus Christus, der uns die Auferstehung und die ewige Zukunft bei Gott verdient hat. Warum können wir das? Weil wir getauft sind? Weil wir einen so guten Konfirmandenunterricht genossen haben? Weil unser Religionslehrer so überzeugt und überzeugend war? Ich will das nicht abwerten, im Gegenteil. Das alles hat sicher mitgespielt, nicht zuletzt auch die religiöse Erziehung in unserem Elternhaus! Aber im tiefsten Grund ist auch unser Glaube Geschenk! Wir wissen es doch: Andere haben das alles genau so genossen: Elternhaus, Schule, Gemeinde und den Unterricht ... Aber heute glauben sie nicht. Gott spielt in ihrem Leben keine Rolle. Darum ist auch, nein, gerade dies eine Einladung zur Dankbarkeit: Welch "unaussprechliche" Gabe auch das, glauben zu können, zu wissen, unser Leben ist keine Irrfahrt, sondern eine Heimkehr.

Liebe Gemeinde, alles andere - unser Verstand, die Aussicht auf Belohnung und die Verheißung von Gottes Segen - kann es wohl nicht bewirken, uns zu ändern, dass wir uns in unserem Herzen vornehmen, reichlich auszustreuen und großzügig zu säen - das kann nur die Dankbarkeit. Und die Dankbarkeit wiederum kommt von daher, dass wir es wirklich begreifen: Wir sind und haben nichts aus uns selbst. Wir geben und teilen nichts aus, was uns zuvor nicht von der Güte Gottes geschenkt worden wäre. Seine Gaben an uns sind alles. Die Geschenke seiner Liebe sind unermesslich, "unaussprechlich"! Ihm sei Dank und Ehre! Er führe uns dazu, dass wir fröhliche Geber und Geberinnen werden und bleiben.