Predigt am 12. Sonntag n. Trinitatis - 29.08.2004

Textlesung: Apg. 9, 1 - 9 (10 - 20)

Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde. Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wieviel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangenzunehmen, die deinen Namen anrufen. Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, daß er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wieviel er leiden muß um meines Namens willen. Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, daß du wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, daß dieser Gottes Sohn sei.

Liebe Gemeinde!

Zu dieser Geschichte von der Bekehrung des Saulus kann und muss man eigentlich nicht viel sagen. So soll das gewesen sein. Manche werden entgegnen: Ich kann das gar nicht glauben, dass einer wirklich eine Erscheinung von Jesus hat! Andere werden sagen: Sehr wohl glaube ich das. Es steht doch in der Bibel. Wieder andere meinen zu dieser und ähnlichen Geschichten: Lasst uns doch aus ihr das entnehmen, was auch für uns wichtig ist und auch uns etwas sagen kann. Ich zähle mich zu diesen Menschen, die sich nicht dabei aufhalten, nun zu klügeln und zu fragen, wie und ob das damals denn überhaupt so gewesen ist und warum Jesus uns heute denn nicht mehr erscheint und wir keine solchen Visionen mehr haben. - Ich möchte wissen, was uns diese Geschichte lehren kann.

Dabei bin ich an diesem Satz hängen geblieben: "Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts." Ist das nicht wirklich etwas, was auch wir heute erleben können? Dass die Menschen "nichts sehen"? Ich denke, sie wissen, wie ich das meine: Sie haben keinen Glauben an Jesus Christus. Sie kennen Gott nicht. Anders gesagt: Ihr Herz sieht ihn nicht, kann ihn nicht erkennen. Darum leben sie ohne Gott, treffen ihre täglichen Entscheidungen ohne die Frage, was hätte Jesus getan und haben keine Richtung in ihrem Leben, keinen Halt, keine Mitte und kein Ziel.

Dabei ist ganz klar, dass diese Menschen selbst das anders sehen. Sie haben sich Ersatz geschaffen. Manchmal beten sie den Mammon an. Manchmal sonst einen Götzen, der ihnen Sinn und Erfüllung verheißt. Aber der Gesundheitskult zum Beispiel, den ich für solch einen Götzen halte, kann nicht retten. Wellness und das Fitnessstudio können vielleicht unser körperliches Wohlbefinden verbessern, unsere Seele bleibt leer und vor allem unerlöst. Konsum und Luxus, für viele Menschen zwei weitere Götzen unserer Tage, mögen uns für kurze Zeit Zerstreuung und Befriedigung geben, der Hunger unseres Herzens, die Sehnsucht nach einem runden, vollen Leben, in dem einer weiß, wofür er da ist, können sie nicht stillen.

Und ich glaube doch, wir wissen das. Wir haben bei Jesus Christus erfahren, dass er uns wirklich befreit und froh macht. Wir haben in seinem Wort den Kompass gefunden, der uns den Weg durch unser Leben zeigt. Unser Gebet hat er erhört. Seine spürbare Nähe hat uns in Stunden der Einsamkeit und der Sorgen getröstet, die Angst genommen und uns neue Hoffnung geschenkt. Was sagt uns das also, wenn wir heute hören, dass es Menschen gibt, die "nichts sehen", die Jesus nicht kennen und an Gott nicht glauben? Und vor allem: Was verlangt das von uns?

So erzählt die alte Geschichte: Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, daß du wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend ...

Nein, wir müssen nun nicht den Menschen die Hände auflegen! Das ist uns heute zu fremd geworden. Aber es gibt andere Gesten, die manchmal klarer sprechen als Worte: Dem anderen die Hand reichen, ist so eine Geste. Besonders wo wir vielleicht bis heute nicht einig mit ihm waren, weil uns seine Art zu leben einfach nicht gefällt. Und warum soll man dieses "Hand reichen" nicht noch mit ein paar gesprochenen Sätzen begleiten? Etwa so: "Lass uns Frieden machen, auch wo wir sehr unterschiedlich sind in unserem Denken und was uns wichtig ist. Lass uns das sehen, wo wir Berührungspunkte haben und eine ähnliche Meinung und nicht immer nur das, wo wir uns nicht verstehen können." - Ich bin überzeugt davon, das kann Augen öffnen - füreinander! - nicht nur die des anderen!

Aber es gibt auch Gesten, die einem Menschen helfen können, sehend zu werden und Jesus Christus zu erkennen und zum Glauben zu finden! Unser freundliches Lächeln kann so etwas sein, was Menschen berührt, zum Nachdenken bringt und vielleicht zu Gott? Aber es müßte schon ein Lächeln sein, das uns nicht leicht fällt. Vielleicht eines gerade in dem Augenblick, in dem uns der andere kein nettes, sondern ein böses Wort gesagt hat. Wenn wir dann eben nicht so reagieren, wie man meist auf Bosheit reagiert ... Dann könnte es geschehen, dass ein Mensch staunt, sich wundert und sich vielleicht besinnt. Christen nämlich, die ihren Herrn kennen, die wissen etwas davon, dass er eben nicht auf eine böse Bemerkung das zornige Wort zurückgegeben hat, sondern das gütige! Eben ganz in diesem Sinn, wie wir es auch in der Heiligen Schrift lesen: Das Böse mit Gutem vergelten! Dem, der den Rock von uns haben will, auch noch den Mantel lassen. - Ein Lächeln an der richtigen Stelle kann viel bewirken! Vielleicht gehen einem Menschen die Augen auf und er ahnt und begreift, was der Glaube an Jesus Christus für eine wunderbare Sache ist und wozu er uns befreien kann!?

Aber hören wir noch einmal den Schluss der Geschichte: "Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, daß dieser Gottes Sohn sei."

Auch hier wollen wir ein paar Abstriche machen: Die Menschen werden nicht gleich von Jesus predigen ... Trotzdem: Sie werden vielleicht angesteckt von unserem Glauben an diesen Herrn. Sie entdecken für sich vielleicht auch ein anderes Leben, eines, das Fülle hat und Sinn, in dem sie Halt haben und ein Ziel? Sagen sie jetzt nicht, das alles soll ich bei anderen Menschen bewirken? - Wir müssen das gar nicht alles allein tun. Da ist auch noch unser Herr selbst, der Menschen anspricht, auf ganz unterschiedliche, vielfältige Weise tut er das! Mal tippt er ihnen mit einer großen Freude, die er ihnen beschert, sozusagen auf die Schulter. Dass sie gar nicht mehr anders können, als endlich seine Macht im Hintergrund ihres Lebens zu erkennen und dankbar zu werden! Ein andermal schickt Gott vielleicht auch schwere Stunden, die einen auf sich selbst besinnen und ihm deutlich werden lassen, dass er aus eigener Kraft verloren ist und gar nichts tun kann. Aber Gott wird dann auch mit seinem Beistand da sein. Er möchte die Menschen ja nicht bestrafen, wenn er ihnen auch einmal etwas auflegt, er möchte sie zu sich führen, heimholen.

Bei alledem aber haben auch wir unsere Aufgabe, unsere Rolle: Mithelfen können wir. Durch unser Verhalten, unser Reden und Handeln können wir immer wieder klare Hinweise geben: Ich glaube an Gott. Ich möchte mit meinem Leben in der Spur meines Herrn, Jesus Christus bleiben.

Unsere freundliche Geste ist nicht umsonst! Unser Lächeln wirkt. Vielleicht nicht gleich, vielleicht nicht so, wie wir das erwarten. Aber es wird etwas anstoßen ... Wenn Gott will, dann kann es sogar Wunder vollbringen, so wie damals bei Saulus, der sich von einem Verfolger der Chisten zum "Paulus", einem "Werkzeug Gottes" gewandelt hat.

AMEN