Predigt zum Pfingstmontag - 31.05.2004

Textlesung: 1. Kor. 12, 4 - 11

Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller; dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen.

Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.

Liebe Gemeinde!

Ich bin überzeugt davon, keine und keiner von uns meldet bei diesen Worten Widerspruch an! Vielmehr sagen wir: So ist es! Gottes Geist schenkt viele unterschiedliche Gaben. Alle diese Geschenke des Geistes sind wichtig und keins davon ist unwichtig. Alle werden gebraucht und niemand hat etwas dafür getan, dass er die eine Gabe erhalten hat, die andere aber nicht.

Und doch glaube ich fest, selten waren wir im Alltag unseres christlichen Lebens weiter davon entfernt, dass wir unsere ausgesprochene Meinung von den Geistesgaben auch in unserem Handeln glaubhaft bewähren! Ganz deutlich: Wir sagen zwar gern, keiner kann etwas dafür, wenn er eine Gabe von Gott empfangen hat, eine andere aber nicht, wir reden und verhalten uns aber so, als könnten und müssten wir das doch beeinflussen und steuern und wir neiden einander, was wir an diesen Gaben haben oder nicht haben.

Hart gesprochen, nicht wahr? Aber gleich kommt auch der Beleg für die Behauptung! Zuvor nur noch ein Wort, warum wir auch einmal über diese Dinge sprechen müssen: Zuerst weil heute Pfingsten ist und es in diesen Fragen um den Heiligen Geist geht. Dann aber auch, weil die Gedanken um die Geistesgaben der ChristInnen in der Gemeinde endlich einmal auf den Tisch gelegt und offen diskutiert werden müssen! Denn es entsteht sehr viel Herzeleid, Ärger, Verstimmung, Konkurrenz, Missgunst und Neid, weil wir nicht offen darüber reden, wie es nunmal mit Gottes Geistesgaben bestellt ist... Das muss ein Ende haben! Denn es dient nicht unserer Gemeinde, es baut nicht auf, es zersetzt und trennt.

Aber ein paar Beispiele aus dem Leben - ganz konkret und doch auch wieder so allgemein, dass sich niemand auf den Fuß getreten fühlt:

- Gewiss ärgert sich die Leiterin des Frauenkreises einer Gemeinde, wenn sie spürt, dass ihre Stellvertreterin einfach leichter den rechten Ton findet, mit den Frauen über den geplanten Bazar zu reden und sie besser motivieren kann, eine eigene Arbeit dazu beizutragen.

- Und es kratzt sehr wohl am Selbstwertgefühl der anderen KirchenvorsteherInnen, wenn einer oder eine von ihnen sich so sichtlich leicht tut, auch einmal eine geistliche Ansprache an einen Gemeindekreis oder im Konfirmationsgottesdienst an die gerade konfirmierten jungen Leute zu richten.

- Manchmal ist es ganz schlimm für einen Mitarbeiter, der vielleicht in der Jugend- oder Seniorenarbeit steht, der sich dafür auch noch lange hat schulen und ausbilden lassen, wenn ein anderer sozusagen von Natur aus mit der Zielgruppe der Jugendlichen oder der Alten in der Gemeinde viel besser kann!

- Selbstverständlich gibt es das auch zwischen KollegInnen im Pfarramt. Da wird auch - allerdings nicht offen! - gefragt: Warum zieht die Predigt des Kollegen so deutlich mehr Zuhörer in die Kirche? Wie kommt das, dass nicht der alte erfahrene Pfarrer, sondern die junge Kollegin verlangt wird, wenn jemand einen Seelsorger für einen Krankenbesuch erbittet? Wieso hat der dreimal so viel Leute in seinem Bibelkreis und warum fahren sie mit dieser Kollegin auf Freizeit, auch wenn es nur in ein arg einfaches Quartier in einem Dorf im Bayerischen Wald geht?

Noch einmal: Wir wollen es aussprechen, das tut uns weh, niemand ist ganz frei von solchen Neid- und Konkurrenzgedanken. Beim einen aber sind sie schwächer ausgeprägt, ein anderen hat deswegen große Probleme mit seinem Selbstwertgefühl, er leidet daran bis hin zu tiefer Depression und schlaflosen Nächten.

Für die schweren Fälle können wir hier und heute sicher nichts tun. Aber wir können - ich finde, wir müssen! - an den alltäglichen Anflügen von Missgunst und neidischem Vergleichen arbeiten, die uns doch nur das Leben mit den anderen, die in Gottes Weinberg schaffen, schwer machen und unser gutes Verhältnis zueinander trüben.

Vielleicht helfen hier ein paar ganz einfache Fragen und der Versuch einer einfachen Antwort:

Warum mag Gott die Gaben seines Geistes so unterschiedlich verteilt haben? - Doch sicher nicht, dass wir uns nun auf einem Feld, das wir selbst nicht beherrschen, darum bemühen, einen Konkurrenten, eine Konkurrentin auszustechen. Ist es nicht viel besser und für den Aufbau der Gemeinde Gottes sinn- und verheißungsvoller, wenn jeder sich auf das konzentriert, was er oder sie kann? So wird Vielfalt entstehen. So wird keine Gabe und keine Kraft vergeudet. So werden möglichst viele Menschen angesprochen und viele können sehen und staunen, wie der Geist Gottes unter seinen Leuten wirkt. Und schließlich dient die entstehende Vielfalt so auch am besten der Ehre Gottes!

Und noch etwas wird deutlich: Gott schenkt seine Geistesgaben nicht dem Einzelnen allein - Gott hat immer seine Gemeinde im Blick. Wenn jeder nur verbissen versucht, seine Fähigkeiten vor die Menschen zu bringen, dass sie ihm Hochachtung zollen und sagen, "was du alles kannst!", dann bringt das die Gemeinde aller nicht weiter. Setzt sich einer allerdings mit seiner Gabe für alle ein, dann gibt er zwar persönliche Anerkennung ab, die Gemeinde aber gewinnt an Strahlkraft und Ansehen, sie macht Menschen, die noch fern stehen neugierig und wirbt so unübersehbar und einladend für Gottes gute Sache! - Fragen wir uns an dieser Stelle einmal, worum es uns geht? - - -

Die nächste einfache Frage: Warum tut uns das doch so weh, dass andere in der Gemeinde uns in diesem oder jenem Bereich etwas voraushaben, besser ankommen oder erfolgreicher sind? - Ich glaube, das hat zuallererst mit der Einschätzung unserer eigenen Gaben zu tun. Würden wir die genau so hoch achten wie die der anderen, dann könnte das nicht so sein. Aber konkret: Warum soll das z.B. mehr wert sein, wenn ein anderer besser vor den Leuten reden kann als ich, wenn ich dafür bewährt bin im Organisieren des Gemeindefests oder einer anderen wichtigen Arbeit für alle, auch wenn die mehr im Hintergrund geschieht? Ja, ist es vielleicht das, was den Unterschied macht: Die eine Sache wird in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen als die andere? Nun, dem kann man leicht entgegenhalten: Wenn das Gemeindefest nicht gut vorbereitet und durchgeführt wäre, hätte der gute Redner gar kein Publikum! - Nehmen wir das an - und nicht als billigen Trost: Alle Gaben sind gleich wichtig, wenn sie nur für die Gemeinde wirksam werden! Und keine Gabe ist unbedeutend, wenn wir sie nur nach unseren Kräfte versehen. Und wir wollen auch das frei bekennen: Gewiss gibt es manche unter uns, die ein Geschenk des Geistes Gottes in besonders reichem Maß erhalten haben, oder Gott hat sie nicht nur mit einer, sondern gleich mit ein paar Gaben bedacht. Und gewiss sind diese Menschen auch in Versuchung, ihre Gaben ganz oder besonders für sich selbst und das eigene Ansehen einzubringen. Und einige sind dieser Versuchung erlegen. Aber warum weisen wir sie nicht einmal freundlich darauf hin, wozu und für wen Gott ihnen ihre Gaben eigentlich geschenkt hat? Und warum sehen wir auf der anderen Seite gar nicht mehr, dass manche ihre reicheren Gaben des Geistes sehr treu und selbstlos für die Gemeinde aller einsetzen? Warum macht unser Neid da nicht Halt, wo wir diese Menschen argwöhnisch beobachten und sie verdächtigen, sie täten alles ja nur um ihrer selbst willen? Ich glaube, das kränkt nicht nur diese Menschen, sondern auch den Geist Gottes!

Und die dritte Frage: Warum nur ist es in unseren christlichen Gemeinschaften so wichtig geworden, wer persönlich dies oder das besser kann, diese oder jene Gabe in reicherem Maß geschenkt bekommen hat? - Das hat für mich damit zu tun, dass in unserer Gesellschaft (und in unseren Gemeinden leider auch!) immer mehr nach dem Einzelnen gefragt wird, was er bringt, wie ausdauernd er ist und was er sich leisten kann. Da wird eben nicht im Sinne Jesu der einzelne Mensch wichtig genommen, mit dem, was gerade er braucht und wie etwa eine Seelsorge aussehen muss, die ihn erreicht, sondern wir fragen nach seiner Leistung, seinem Nutzen für uns und die Arbeit, in der er steht, und ob er da am rechten Platz ist oder doch lieber gegen einen anderen, fähigeren!, ausgetauscht werden müsste. In Gottes Gemeinde hat dieses Denken und Fragen nichts zu suchen! Nicht um uns zu trennen, schenkt Gottes Geist uns seine Gaben, sondern um uns als Gemeinde zusammenzubringen und uns alle gemeinsam aufzubauen, zu stärken, zu erfreuen und zu trösten - je nach dem er uns seine Geschenke gegeben hat.

Hören wir noch einmal auf Paulus: Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller!

Gebe uns Gott zu diesem Pfingstfest noch diese wichtigen Geschenke seines guten Geistes: Dass wir unsere Gaben nicht niedriger einschätzen als die der anderen und dass wir alle zusammen unsere Fähigkeiten nach Kräften für die Gemeinde einbringen - zu ihrem Aufbau, zu Nutzen der Menschen und zu Gottes Ehre.