Predigt zum 3. So. n. Epiphanias - 25.01.2004

Textlesung: Röm. 1, (14 - 15) 16 - 17

Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen; darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.

Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

Liebe Gemeinde,

ich weiß nicht, ob sie das so richtig gehört haben: "Ich bin ein Schuldner" der Menschen, sagt Paulus, ihnen "das Evangelium zu predigen." Hier ist also ein Mann, der gar nicht anders kann, als Gottes gute Botschaft in Jesus Christus zu allen Menschen zu bringen. Ja, mehr noch: Wenn einer eine "Schuld" hat, dann ist auf der anderen Seite ja auch immer einer, der ein Recht - z.B. auf Bezahlung - geltend machen und möglicherweise einklagen kann! Paulus hätte wohl gesagt, dass dieses Recht bei den "Griechen und Nichtgriechen, den Weisen und den Nichtweisen" liegt. Wir Christen heute müssten sagen: Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass wir ihnen Jesus Christus verkündigen! Und das Recht - damals wie heute - ist sozusagen verbrieft darin, dass Gott - dem Paulus damals und uns heute - die wunderbare Nachricht von seiner Vergebung und Liebe in Jesus Christus anvertraut hat. Wir haben also die Pflicht dazu, von Jesus Christus zu reden und zu zeugen, um einmal das Wort "Schuld" zu vermeiden, das wir ja doch nicht so gern hören.

Aber da müssen wir jetzt doch ganz ehrlich und nüchtern das bekennen: Wir empfinden weder, dass wir Schuldner sind, noch kommen wir unserer Pflicht in ausreichendem Maße nach, den Mitmenschen das Evangelium weiterzusagen. Und da sind wir, die predigen sollen, keinesfalls in einer entscheidend besseren Situation als sie und alle anderen! Wir wissen es doch, ein Leben, geführt im Sinne unseres Herrn, "predigt" viel lauter und vor allem viel glaubhafter von dem, was Gott uns mit Jesus geschenkt und in unserem Herzen bewegt hat! Von ihm reden, können wir ja vielleicht noch ganz gut - das kostet ja auch nicht viel. Aber so handeln, wie er gehandelt hätte, so lieben, wie er geliebt hat und vor allem, mit denen Beziehung halten oder aufnehmen, in deren Nähe er immer zu finden war, der Schwachen nämlich, der Kranken, der Leidenden und der Außenseiter..., das ist doch noch einmal etwas ganz anderes!

Und Paulus weiß auch, woran das liegt, wenn wir uns bei unserer Pflicht zu Verkündigung und Zeugnis so gern zurückhalten: "Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht...", sagt er. Und wir? Wie soll man das nennen, wenn wir schweigen, wo wir reden sollten? Vielleicht wenn sie im Verein, am Stammtisch oder gar bei einer Geburtstagsgesellschaft in der Familie wieder einmal über den Glauben und seine einfältigen Anhänger herfallen, die doch "wirklich noch den Gottesdienst besuchen" und als notorische "Schwächlinge und Jammerlappen" in dieser harten Welt "noch etwas von Gott erwarten".

Und wie soll man das nennen, wenn wir eben nicht helfen, wo wir genau wissen, hier wird sich kein anderer für einen Mitmenschen stark machen, der es allein einfach nicht schafft...? Und was steht dahinter, wenn wir den Mund halten, wo alle auf einem herumhacken und es wirklich an der Zeit wäre, auch einmal die Fehler derer anzusprechen, die sich da über den anderen hermachen oder dem, was einer vielleicht wirklich falsch gemacht hat, auch einmal etwas Positives gegenüberzustellen? - Nennen wir es "Scham"! Ein solches Verhalten "feige" oder "treulos", "gemein" oder ein "plumpes Ablenkungsmanöver" zu nennen, würde uns gewiss noch weniger gefallen. - Bekennen wir also: Wir schämen uns des Evangeliums oft! Dabei sehen wir gar nicht mehr, dass es "eine Kraft Gottes ist, die selig macht alle, die daran glauben!", wie es Paulus ausdrückt.

Wenn wir uns darauf einen Augenblick einlassen..., "Kraft Gottes, die selig macht"..., können wir uns da noch selbst begreifen? Ja, wer kann das verstehen, dass er in der Minute der Scham, wenn er eben nicht so spricht oder handelt, wie es ihm sein Glaube gebietet, leichtfertig die Kraft Gottes ausschlägt und seine Seligkeit aufs Spiel setzt? Ist uns das in solchen Minuten wirklich gar nichts wert? Ist es uns, wenn wir uns immer wieder des "Evangeliums schämen", gleichgültig, was wir da zerstören und mit Füßen treten? Und das wendet sich ja dann nicht nur gegen unsere eigene angebliche innere Einstellung. Wir fügen dann auch dem Leid zu, der jetzt unser klares Bekenntnis gebraucht hätte, dem wir mit unserer Tat im Sinne Jesu hätten helfen müssen. Und wir ziehen schließlich auch die gute Sache Gottes herab, wenn wir nicht furchtlos und ohne Scham für sie eintreten vor den Menschen.

Aber sehen wir die andere Seite: Sich nicht schämen, schenkt die Kraft Gottes und die Seligkeit! Ganz gewiss können hier viele von uns auch für diese Wahrheit einstehen. Das ist eine wunderbare Erfahrung, wenn wir dem Lästerer, dem Spötter, der ein Gott gefälliges, christliches Leben in den Dreck zieht oder auch einem, der andere bedrückt oder schlecht von ihnen redet, entgegentreten. Sicher ist das im ersten Moment nicht leicht. Das kostet Überwindung, gerade weil wir ja meist in der Öffentlichkeit zum klaren, mutigen Bekenntnis herausgefordert werden. Aber wir spüren dann wirklich etwas von dieser Kraft, die uns von Gott zuwächst! Vielleicht wird es uns buchstäblich warm ums Herz. Oder wir dürfen darüber staunen, dass unser Gegenüber ganz unerwartet Kleinbei gibt. Manchmal bringt uns das auch mit denen, für die wir gesprochen oder gehandelt haben, in so guter Weise zusammen, dass eine lange, feste Freundschaft entsteht, die uns über Jahre und Jahrzehnte begleitet und immer wieder neu stark macht und Freude gibt.

Und "Seligkeit"..., wie spüren wir die? Ich denke, die haben wir schon mit "Gottes Kraft" geschenkt bekommen. Das ist eins: Gottes Kraft fühlen und "selig sein"... Immer dann, wenn es in dieser Welt so zugeht unter uns Menschen, dass der Wille Gottes geschieht, wie er ihn uns in Jesus Christus offenbart und geboten hat, da beginnt unter uns "Seligkeit", ein Stück Himmel auf Erden. Denn wir nehmen ja vorweg, nach den Gesetzen zu leben und zu tun, die einmal in Ewigkeit gelten sollen. - Ob Jesus nicht das gemeint hat, wenn er sagt: "Gottes Reich ist mitten unter euch"? (Lk. 17,21)

Aber nun wollen wir auch noch den anderen Gedanken des Paulus hören und aufnehmen: Denn darin - durch die Kraft Gottes! - wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben... Liebe Gemeinde, hier rundet sich buchstäblich die Sache um das Evangelium und die Scham oder das mutige Eintreten und Bekennen: Gott will uns das "zur Gerechtigkeit" anrechnen, wenn wir gegen alle menschlichen Widerstände, gegen allen Spott und alle persönlichen Erwägungen, was jetzt nützlich und bequem wäre, seinem Willen treu bleiben, im Wort und auch in unserer Tat ein Zeugnis für den ablegen, der unser Herr ist und nach dem wir heißen. Das soll uns in Ewigkeit dienen. Es festigt unseren Glauben schon hier in dieser Welt, denn es schenkt uns Kraft und die Gewissheit, recht zu handeln. Es lässt uns so eine Ahnung davon bekommen, was uns einmal in der ewigen Welt Gottes erwartet. Es stärkt so unsere Hoffnung und mit ihr wieder unsere Kräfte, dieses Leben zu bestehen, auch wo es nicht leicht ist.

Aus Glauben in Glauben... So vollendet sich, was Gott uns mit seinem Evangelium von Jesus Christus gegeben hat: Der Glaube ist uns vorgelegt...wir sollen ihn in den guten, den schweren und schwierigen Stunden des Lebens bewähren in offenem, öffentlichen Zeugnis und mutigem Bekenntnis... Das wird uns niemals schwächen, sondern stark machen und uns einen Vorgeschmack der Seligkeit geben, auf die wir zugehen... So werden wir gerecht vor Gott... So schließt sich der Kreis.

Aber es liegt noch etwas anderes darin: Aus Glauben in Glauben... Ich bin überzeugt davon, dass hier auch die größten Chancen liegen, die Mitmenschen zu dem Herrn zu führen, den wir kennen und den sie kennen lernen sollen. Es geht ja nicht nur um uns selbst. Gottes Sache in dieser Welt meint ja immer die Gemeinschaft, die Gemeinde... Unser Glaube, wo wir ihn gegen alle Angriffe, gegen Herabsetzung und Spott bewähren und bewahren, ist die größte Macht, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Das lässt hinsehen und hinhorchen, wenn wir in Zeiten, in denen jeder sich selbst der Nächste ist, anderen zu Nächsten werden. Das macht neugierig auf unseren Glauben. Das weckt Interesse, ja, manchmal ist es der wichtige Anstoß, selbst einzutreten in den Glaubenskreis.

Nein, wir wollen uns des Evangeliums nicht schämen, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.