Predigt zum 4. Adventssonntag - 21.12.2003

Textlesung: Phil. 4 , 4 - 7

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde!

Das Thema dieses 4. Adventssonntags ist seit alters: "Die nahende Freude". Und es scheint ja auch so, als wäre die "Freude" nicht mehr fern. In drei Tagen ist Heiligabend. Das schönste Fest der Christenheit steht dicht bevor. Die milden Stunden im Licht des Christbaums, die gefühlvollen alten Lieder, die Geschenke, die wir bekommen und geben, die Erinnerungen an unsere Kindheit, das gute Essen...

Und doch: Nicht für alle Menschen sind die kommenden Tage eine frohe, fröhliche Zeit! Ja, ich gehe so weit zu sagen: Es werden wohl in jedem Jahr noch mehr, für die über Weihnachten alles andere als die Freude im Mittelpunkt steht oder gar in die Herzen einzieht! Das hat viele Gründe und nicht nur solche, an die sie jetzt vielleicht zuerst denken: Dass eine etwa Krankenschwester ist oder einer Polizist. Dass sie deshalb auch über die Festtage Dienst haben. Oder dass ein lieber Mensch erst in diesem bald zu Ende gehenden Jahr gestorben ist und sich die Trauer über die Christtage legt wie ein Schatten.

Ich denke an ganz andere Hindernisse der Freude:

- So viele Menschen unserer Tage wollen und können nicht mehr zur Ruhe kommen, zur Besinnung und zum Nachdenken über sich selbst, die Welt und Gott...und ihre Beziehung zu ihm. Die Hektik, die sie haben und die sie auch selbst verbreiten ist eigentlich für sie kein Grund zur Klage - wenn sie auch darüber schimpfen und jammern. Sie brauchen das so und wollen das so. Dahinter steht eine große Furcht vor der Stille, der vermeintlichen Leere, dem Leerlauf in ihrem Leben. Denn mit ihrem hektischen Treiben, mit ihrer selbst gemachten Unruhe verjagen sie bewusst alle unangenehmen Gedanken um ihr Leben, seinen Sinn, den Zweck, sein Ziel und sein Ende. Denn die Stille tut diesen Menschen weh. Die Leere schmerzt sie wie eine schlimme Wunde. Und über Weihnachten kann man ja den Gedanken um das, was eigentlich die Mitte des Lebens ist, nicht entgehen. Von wegen "Freude"! Diese Menschen würden am liebsten über die Feiertage so weitermachen wie immer: Morgens in den Betrieb, an die Arbeit und am Abend noch Überstunden. Und wenn das halt nicht geht, dann fahren sie nach St. Moritz zum Skizirkus oder auf die Seychellen zum Schnorcheln oder Windsurfen. So können sie Weihnachten überstehen. So wird für sie die "Freude" erträglich.

- Und es gibt die Menschen, die in und für ihr Leben schon lange alles verloren glauben. Seelisch angegriffene Menschen sind darunter, chronisch Kranke, solche, die an einer Schuld tragen, die sie nicht loswerden können oder auch Einsame, die sich nicht mehr in die Gesellschaft ihrer Mitmenschen wagen. Sie können sich das einfach nicht vorstellen, dass mit Weihnachten auch bei ihnen noch einmal alles anders werden kann, neu und überraschend und vor allem auch so, dass sie sich daran freuen können. Wenn sie von der großen "Freude" hören, die aller Welt bereitet ist, dann verschließen sie ihr Herz: Für sie nicht. Ihnen kann nichts mehr begegnen, was sie noch einmal beglückt, ihnen das Leben leichter macht und so, dass sie es lieben können. Wie Gefangene, die an ihren Ketten hängen, die wir ihnen doch abnehmen wollen, wie Bettler, die ihre Lumpen nicht lassen können, so sind sie. Es kann nichts Schönes für sie kommen, es gibt keine Erlösung von diesem schweren, belasteten Leben - es darf sie nicht geben. Sie haben sich eingerichtet in ihrer Trübsal und ihrer dunklen Erwartung - nichts soll sich da verändern. Fremd ist die Freude in solchen Verhältnissen. Sie kann dort nicht zu Gast sein, denn sie ist nicht willkommen.

- Und auch solche Menschen werden heute immer zahlreicher, die sich selbst einfach die Freude an der Weihnacht nicht erlauben können. Das ist ja doch ein christliches Fest - und sie sind nicht (mehr) christlich. Wenn man an den Christtagen ehrlich feiern will, dann muss man auch an den glauben, der da als Kind zur Welt kommt - und sie haben diesen Glauben nicht. Und es ist ihnen zu billig, auf Festtagsstimmung zu machen, nur weil es alle tun - denn sie empfinden diese Stimmung nicht in ihrem Herzen. Schon wenn sie sagen, sie hielten "der Kinder wegen" an Weihnachten fest, scheint ihnen das unwahrhaftig und unredlich. Auch diese Menschen haben es schwer mit der Freude. Denn wenn sie echt sein soll, muss sie von innen kommen und nicht - verordnet und aufgesetzt - von außen.

Liebe Gemeinde, wir sollten jetzt nicht denken, wir hier in diesem Gotteshaus wären ja doch wohl besser vorbereitet und eingestimmt auf die Freude der Weihnacht. Wir sollten auch nicht meinen, solche Menschen wie die, von denen ich eben gesprochen habe, wären jetzt ja wohl nicht unter uns. Ich glaube, wir täuschen uns bei beiden Vermutungen. -

Fragen wir lieber, wie finden solche Menschen, wie finden wir zur Freude der Weihnacht, wie wird uns warm und leicht ums Herz, wie bekommt unsere Seele in diesen Tagen Flügel, dass sie sich erheben kann über den Alltag unseres Lebens?

Hören wir noch einmal auf die Worte der Schrift: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!"

Vielleicht beginnen wir einmal hinten bei diesem Rezept, die Freude zu finden: "Danksagung"... Wie oft in meinem Leben habe ich schon gehört oder selbst empfunden, was vielleicht so ausgesprochen wird: "Wenn ich das Schicksal meines Nachbarn anschaue, dann werde ich dankbar über mein eigenes." Oder wenn einer einen Besuch im Krankenhaus gemacht hat: "Was da an Elend und Not zu sehen ist... Als ich wieder draußen war, kamen mir meine eigenen Beschwerden klein vor und nicht der Rede wert." Wenn diese Erfahrungen, diese Gefühle dann wirklich zur Dankbarkeit führen und dazu, dass wir diesen Dank auch in unserem Gebet vor Gott bringen, dann ist das wirklich ein erster großer Schritt auf dem Weg zur Freude! Dank nämlich sieht hin, was andere tragen müssen; Dank sieht dann auf sich selbst und Dank spricht schließlich aus, was an Dankbarkeit in uns ist und bereitet so der Freude einen guten Empfang...

"Lasst eure Bitten in Gebet und Flehen vor Gott kundwerden". Nein, wir sollen nicht so tun, als ginge es uns bestens und als hätten wir keine Wünsche an Gott und das Leben. Denken wir einmal an die ersten Gäste damals an der Krippe: Die Könige hatten etwas zum Schenken, Gold, Weihrauch und Myrrhe... Aber die Hirten? Die waren gewiss eher mit ihren Wünschen vor das Kind getreten. Sie hatten nichts zu schenken, wohl aber viel Not, manche Gebrechen und große Angst vor einer ungewissen Zukunft am Rande der damaligen Gesellschaft. Und sie waren richtig an der Krippe! Denn das Kind war gerade für sie gekommen. Rund 30 Jahre später werden die Hirten das erst ganz begriffen haben, denn am Kreuz ist er für sie, für alle Belasteten und Betrübten, für alle Schuldigen und Zukurzgekommenen in den Tod gegangen und hat das Leben für sie gewonnen, das runde, volle Leben in dieser und einmal der ewigen Welt.

Darum heißt es jetzt: "Sorgt euch um nichts!" Und darum ruft uns der Evangelist gleich zweimal zu: "Freuet euch und abermals sage ich, freuet euch!" Weil der Hintergrund jedes Lebens hell ist, darum können wir nicht länger bei der Trauer oder den dunklen Befürchtungen verharren. Weil Gott uns in Jesus in dieser Welt besucht hat, müssen wir keine Angst mehr haben. Weil er uns mit der Geburt dieses Kindes und noch viel mehr mit dem Sterben des Mannes, der einmal aus diesem Kind geworden ist, von aller Schuld, von Hölle, Tod und Teufel erlöst hat, darum hat jedes Leben eine gute Aussicht, jedes Schicksal eine herrliche Zukunft und alle Krankheit, alle Behinderung und alle Beschwerden einmal ein Ende.

So können nun alle, die sich vor der Ruhe der Festtage fürchten, mutig und tapfer weiter gehen: Sie sollen Trost finden in den wunderbaren Gedanken der Weihnacht. Sie werden spüren, dass die Festtage nicht leer sind, sondern voller Zeichen und Hinweise auf die große Freude für alle Menschen; und es wird gelingen, ein Stück dieser Freude zu ergreifen und festzuhalten - auch für die Zeit, in der Arbeit und Alltag wieder beginnen.

Und alle, die beschwert sind von Leiden und Behinderung, Krankheit und seelischer Qual sollen nicht zweifeln, dass ihnen in Gottes Kind ein Beistand an die Seite gestellt ist, einer, der sie begleitet, ihnen von ihren Bürden abnimmt und sie immer wieder stark genug macht, ihr Geschick zu tragen. Vor allem werden sie wieder Hoffnung fassen können, dass nichts, was ihnen auferlegt ist, ewig dauert.

Schließlich können sogar die Menschen, denen Weihnachten fremd geworden oder fremd geblieben ist, zuversichtlich auf die Christtage blicken: Gott hat immer noch mehr Möglichkeiten, die Herzen zu erreichen, als wir meinen. Er kann Glauben schenken. Er kann die Zweifler zu sich rufen. Er nimmt sie bei sich auf und wendet ihr Herz sich zu.

Warum soll es nicht in diesem Jahr wahr werden für uns?: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!"