Predigt zum 16. Sonntag nach Trinitatis - 27.9.2009

[Alternative Predigt zu dieser hier] [Predigten, Texte, Gedichte...] [Heiter verreimter Ertrag aus 25 Jahren] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Mein besonderes Angebot: die aktuellen Predigten auf meinen Seiten zwei, drei oder gar mehr Wochen im Voraus! 
Für jede
aktuelle Predigt bitte ich Sie um eine Klingelbeutelspende von 0,50 €! Für die Liturgie, die in der aktuellen Woche spätestens Mittwoch erscheint, bitte ich um 0,30 €. Alle weiteren Tarife hier.

Textlesung: Jh. 11,1(2) 3.17-27 (41-45)

Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta.

Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank. Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du liebhast, liegt krank.

Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders.

Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.

Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.

Da hoben sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.

Liebe Gemeinde!

Es muss ein freundschaftliches Verhältnis gewesen sein zwischen Jesus und den Geschwistern Maria, Marta und Lazarus. Einmal hören wir von einem Besuch bei den dreien. Dabei salbt Maria Jesus mit teurem Öl. (Jh.12,3) In Bethanien ist das gewesen. Ein andermal sitzt Jesus und die Jünger im Hause der Schwestern zu Tisch und es entspinnt sich dieser berühmte Streit zwischen Maria und Marta. Denn Maria hockt zu Füßen des Meisters und hört ihm zu, während Marta die Gäste bedient und Jesus bittet, der Schwester doch zu sagen, dass sie ihr helfen soll. Wir wissen, wie das ausging: „Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt." (Lk.10,42) Und Lazarus war eben der Bruder der beiden. Jesus ist bei diesem traurigen Anlass also bei Freunden.

Aber wie unterschiedlich denken sie doch, die Schwestern und der Meister, wir sehen es an dem Wortwechsel, der sich mit Marta ergibt: Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen." Und er denkt von oben her, wenn er das sagt. Und es liegt für ihn alles in diesen Worten: Der beste Trost, den es geben kann. Die schönste Freude, angesichts der Trauer um den Bruder. Die Verheißung des größten Geschenks, das Gott für seine Menschen bereithält: Leben in Fülle, in Gottes Nähe, ohne Leid, ohne Krankheit, ohne Tod ... ewig!

Aber Marta hat andere Gedanken und will etwas ganz anderes: „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage." Und sie denkt dabei von unten her - ganz menschlich. Sie zweifelt doch gar nicht daran, dass ihr Bruder, wie alle anderen Menschen, die zu Jesus gehören, auferstehen wird. Aber sie will ihn hier behalten, in diesem Leben: „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben."

Und Jesus sagt damals, in einer Zeit, in der er noch nicht auferstanden war, was er sagen musste, um zu zeigen, wer er ist: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben." Dann fragt er Marta, was er seitdem jeden Menschen fragt, der ihn als seinen Herrn bekennt: „Glaubst du das?" Und Marta antwortet, wie jeder Mensch seitdem seinen Glauben an ihn ausdrücken soll: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."

Dann tut Jesus damals, was er tun musste, um es ein für allemal zu zeigen, dass er der Herr ist, auch über den Tod: „Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!"

Jetzt geschieht, was ein für allemal erweist, dass ihm alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, auch die Macht über den Tod: „Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch."

Liebe Gemeinde, wir leben 2000 Jahre später, aber wenn wir von einem Menschen Abschied nehmen mussten, gibt es immer noch denselben Unterschied im Denken von oben und von unten, wie wir ihn schon im Gespräch Jesu mit Marta gesehen haben: Wir möchten den Menschen behalten, der von uns gegangen ist. Wir wollen ihn nicht loslassen. Jesus aber verspricht uns, damals wie heute: Der Mensch, der gestorben ist, wird auferstehen! Denn ich bin die Auferstehung und das Leben! Und wir glauben das ja auch, aber es fällt uns trotzdem so schwer, uns damit zufrieden zu geben, denn der Mensch, der gegangen ist, fehlt uns und wir sind so traurig und einsam ohne ihn. Und vielleicht wünschen wir uns dann ja auch, dass Jesus für uns ein solches Zeichen vollbringt, dass der Verstorbene zurückkehrt ins Leben und wieder bei uns ist?

Schauen wir noch einmal in die Geschichte von damals: Haben Sie das nicht auch gespürt, wie schwer es Jesus fällt, dieses Wunder zu tun? Er weiß es wohl von sich: „Ich bin die Auferstehung und das Leben." Es geht also nicht darum, dass er nicht die Macht dazu hatte! Er bittet Gott ja nicht einmal darum, sondern dankt ihm, noch bevor Lazarus aus dem Grab kommt, so sicher ist er, dass das Wunder geschehen wird. Es geht um das Denken Jesu, das Denken von oben, das sich nicht mehr, nichts Größeres und Schöneres vorstellen kann, als dieses neue Leben aus der Auferstehung, in Gottes Reich, in der Nähe des Vaters, in Herrlichkeit und dann: ewig! Dagegen ist ihm das Leben in dieser Welt, in der kurzen Zeit, da er über diese Erde ging, nur in ganz seltenen Augenblicken so hold gewesen, dass er es hätte lieb haben oder sich ihm gar hätte verschreiben können. Auch sein Auftrag, uns durch Leiden und Tod zum Leben zu erlösen, hatte ja mehr Gottes neuen Himmel und seine neue Erde als diese vergängliche Welt im Blick. Darum ist ihm die Bitte der Marta, dass ihr Bruder in dieses Leben zurückkehren soll, gewiss sehr fremd und schwer begreiflich.

Ganz anders bei Marta: Ihr ist das ewige Leben noch fern und unvorstellbar. Darum bittet sie Jesus um neues Leben für den Bruder in dieser Welt, bei ihr, der Schwester und allen, die Lazarus lieb hatten. Und wir können das gewiss gut verstehen.

Aber in diesem unterschiedlichen Verständnis Jesu und Martas liegt nun seit damals eine tiefe Kluft: Wir können uns auch nur sehr schwer von dieser Welt lösen, von unseren Erfahrungen, von allem, was uns hier vertraut ist, auch von den Menschen, mit denen wir das Leben teilen und geteilt haben und die uns irgendwann verlassen. Noch einmal: Ja, wir glauben Jesus, wenn er sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben!" Aber dennoch ist uns die Zeit in dieser Welt und das Leben zwischen Geburt und Tod näher, vertrauter und daher wichtiger.

Was könnten wir also von der Lazarus-Geschichte mitnehmen? Vielleicht das: Lernen wir die Welt und unser Leben darin doch auch und mehr als bisher mit den Augen Jesu sehen! Ihm ging es um die Ewigkeit und um unsere Erlösung von allem, was uns in dieser Welt beschwert: Die Sünde, die Schuld, die Krankheit, das Leid und der Tod. Das stand für ihn im Mittelpunkt und sein Auftrag war, uns davon zu befreien. Und die Welt mit seinen Augen zu sehen ist schon das erste, was unsere Erlösung von den irdischen Dingen, den Lasten und dem Leid voranbringt: Wenn wir immer wieder hinter allem, was uns hier weh tut, was uns traurig, mutlos und das Herz schwer macht, die herrliche Zukunft sehen, die uns Jesus Christus verdient hat, dann verlieren die Dinge viel von ihrem Schrecken, werden vergänglich, vorläufig und klein. Und je mehr das geschieht, um so größer und wichtiger wird uns auch die neue Welt Gottes werden, auf die wir zugehen. Und darin liegt sehr viel Kraft für unser Leben hier, sehr viel Mut, an jedem Tag neu und sehr viel Freude und Hoffnung, die uns die oft so schweren und dunklen Zeiten unseres Lebens bestehen lassen.

Ein Gedanke, der sich aus der Lazarusgeschichte ja wie von selbst ergibt, kann uns das noch einmal einprägsam deutlich machen, was wir von der Geschichte mitnehmen können:

Fragen wir uns nicht auch, wie das Generationen von Christen gefragt haben, ob dieser Lazarus, den Jesus hier von den Toten auferweckt hat, den er - er war ja schon vier Tage tot - aus Gottes Ewigkeitswelt zurückgeholt hat, ob dieser Lazarus später nicht doch wieder gestorben ist? Und ganz selbstverständlich werden wir ja dazu sagen! - Welches Leben ist also das bedeutendere? Das hier oder das drüben in Gottes neuer Welt?

Lassen Sie es uns versuchen, von diesem Leben, in dem wir heute sind, etwas kleiner zu denken - und groß von der herrlichen Zukunft, die Gott uns in Jesus Christus versprochen hat! AMEN