Predigt zum 12. Sonntag nach Trinitatis - 30.8.2009

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Textlesung: Mk. 7, 31 - 37

Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf! Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.

Liebe Gemeinde!

Das ist eine ganz seltsame Heilungsgeschichte. Und sie steht auch noch im Evangelium des Markus. Dort nämlich hätte man sie am wenigsten erwartet. - Sie fragen sich jetzt sicher, wovon ich spreche und warum ich so über die Geschichte urteile. Und ich will es Ihnen sagen:

An keiner anderen Stelle der Evangelien hören wir von so viel - entschuldigen Sie die Wortwahl - ablenkendem Brimborium wie hier: Jesus legt seine Finger in die Ohren des Tauben. Er berührt die Zunge des Stummen mit Speichel. Er sieht auf zum Himmel und seufzt. - Dabei können wir bei ihm doch sicher sein, es wäre auch ohne den Einsatz dieser Dinge für die Augen und Ohren gegangen! Und dann eben erzählt davon auch noch das Markusevangelium, von dem wir wissen (und auch hier lesen), dass es Jesus nicht als den Wundertäter erscheinen lassen will, sondern als den Herrn, der allein dadurch der Heiland wird, dass er für die Seinen ans Kreuz geht! Und so steht es auch in krassem Gegensatz zu der aufwändigen Heilung, dass Jesus den Taubstummen "beiseite nimmt" und denen, die natürlich doch alles verfolgen, was er an dem Kranken tut, verbietet, davon etwas weiterzusagen. - Was hat das alles für einen Sinn und wie passt es zusammen?

Vielleicht so: Jesus ist hier nicht in den jüdischen Stammlanden, also Galiläa und Judäa. Es ist Heidengebiet, in dem er sich gerade aufhält, ja, das er anscheinend ganz bewusst und für längere Zeit besucht und durchwandert hat. Den Menschen dort, die den Gott Israels vielleicht kennen, aber nicht an ihn glauben und die nicht wissen, dass die Juden den Messias erwarten und Jesus den Anspruch erhebt, dieser Messias zu sein, musste er wohl schon etwas anderes bieten als eine Heilung durch ein einfaches Wort. Das Auflegen der Finger jedenfalls wurde von den heidnischen Menschen verstanden. Dem Speichel schrieb man heilende und Dämonen abwehrende Eigenschaften zu. Und wenn Jesus zum Himmel schaut und seufzt, dann wird jedem, der es sieht, deutlich: Er holt seine Kraft nicht aus sich selbst, sondern von oben. - So könnte es sein. So ließe sich die Geschichte verstehen - und doch wirkt sie etwas zerrissen und fremd und fügt sich gerade ins Evangelium des Markus nur schlecht ein.

Aber es gibt noch eine Sicht der Dinge, die schaut sozusagen hinter das, was wir sehen und hier an Jesus beobachten können. Davon soll jetzt die Rede sein:

Ob Jesus nun im heidnischen Land oder vor jüdischen Menschen diese Heilung vollbringt, er zeigt doch - sozusagen mehr im Hintergrund des Geschehens - worum es ihm zuallererst geht und was sein Auftrag ist: Die Menschen - alle Menschen, seien sie Juden oder Heiden, gesund oder krank und behindert - sollen sein Wort hören und verstehen können. Darum heilt er hier dem Tauben das Gehör. Und alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, sich zu diesem Wort und damit zu ihm zu bekennen. Darum heilt er dem Stummen hier die Zunge und schenkt ihm die Möglichkeit zu reden und sich auszudrücken. Mit ihm beginnt die Heilszeit Gottes. Er ist die Botschaft Gottes, mit der er alle Menschen in die Beziehung zu seinem himmlischen Vater ruft. Alle Menschen sollen also hören und sprechen und sich zu IHM und der Botschaft, die er ausrichtet, stellen können.

Liebe Gemeinde, das ist ein wenig so wie bei der "Speisung der 5000", die vor einigen Wochen in der Predigt zu besprechen und zu bedenken war. Da kam es auch nicht auf die äußeren Dinge an: Ob es nun sehr große Brote und Fische waren, die das Kind mitgebracht hatte. Ob vielleicht der eine oder andere aus dem eigenen Proviant noch etwas beisteuern konnte, so dass am Ende die Vorräte doch für alle gereicht haben. Es ging eigentlich nur um die tiefere Wahrheit im Hintergrund der Wundergeschichte: Bei Jesus wird man satt. Bei ihm wird unser Leben rund und voll, wir brauchen nicht mehr als ihn und seine Nähe. - Ähnlich ist es auch hier: Das Seufzen, die Sache mit dem Speichel und der Aufblick zum Himmel sind Beiwerk. Worum es eigentlich geht, ist dies: Unsere Ohren müssen gesund sein. Wir sollen auf diesen Herrn hören können, dann können wir, was er sagt und wer er selbst ist, auch verstehen. Und wenn wir dann noch einen Mund und eine Stimme haben und wenn unsere Zunge sprechen kann, dann können wir uns für ihn entscheiden, uns zu ihm bekennen und uns zu ihm halten und in seiner Spur bleiben.

Und schon habe ich "wir" gesagt - und um uns geht es ja auch in dieser wie in allen Geschichten der Bibel. Und ich will diese Sache jetzt auch vertiefen und fragen: Wie ist es denn mit unseren Ohren bestellt und mit unserem Mund und unserer Zunge? "Alles prima in Ordnung", werden die Jüngeren unter uns sagen. "Ach, danke, es geht", werden die Älteren vielleicht antworten. Und von den ganz Alten würden wir hören: "Nun ja, es könnte wohl besser sein!" Aber alles das wäre keine Antwort auf die eigentliche Frage, die diese Geschichte an uns stellt. Die heißt nämlich: Hören und verstehen wir Jesu Wort und seine Botschaft? Nehmen wir sie persönlich auf und spricht unser Mund dann davon und bekennen wir uns zu ihr in unserem Denken, Reden und Handeln? Und dieses Hören ist mehr, als dass unsere Ohren noch funktionieren. Und dieses Sprechen ist mehr, als dass unsere Zunge heil ist.

Wir kennen das alle: Wir hören den Vortrag des Vorsitzenden bei einem Vereinsjubiläum. Er fängt bei den Urvätern des Vereins an, spricht von den Schwierigkeiten in der Kriegszeit, vom Neuaufbau der Arbeit in den Jahren danach. Er würzt seine Rede mit vielen Zahlen. Namen werden genannt, mit denen wir nichts verbinden. Endlich ist er zu Ende! Wir haben zugehört. Unsere Ohren haben jedes Wort akkustisch vernommen. Aber behalten haben wir wenig bis gar nichts. Ach doch, das ist uns in Erinnerung geblieben: Der Vortrag war einfach zu lang, zu trocken und das "R" hat der Redner auch zu stark gerollt! - Woran liegt es, dass wir hier nichts mitnehmen? Ich denke daran: Es geht um vergangene Dinge. Es geht um Erinnerung, zu der uns meist die Anschauung fehlt. Bei Jesus geht es um die Zukunft. Und es geht um uns persönlich und es steht das Leben und die Ewigkeit auf dem Spiel!

Und auch das kennen wir: Wir sprechen bei irgend einem alltäglichen Anlass mit unseren Mitmenschen. Am Arbeitsplatz. Mit unserem Nachbarn vor der Haustür. In der Freizeit beim Sport oder am Tresen. Und meist ist das, was wir sagen, im Grunde belanglos, unwichtig und nur unverbindliches Geschwätz. "Weil man doch nicht nur stumm nebeneinander herumsitzen kann!" Wenn Jesus uns anspricht, will er etwas anderes hören. Ein klares: "Ja!", wenn er uns in seinen Dienst ruft. Ein deutliches: "Du bist mein Herr", wenn er uns nach unserem Glauben fragt. Und persönlich soll sein, was wir sagen: "Ich will mein Leben nach deinem Wort ausrichten und bei allem, was mir begegnet fragen, was willst du, das ich jetzt tun soll?"

Wie gesagt, es geht hier - wie bei den meisten Geschichten um Jesus auch - um eine tiefere Wahrheit als jene, die uns vielleicht zunächst beim ersten Hören oder Lesen ins Ohr oder Auge springt. Und es geht - wenn wir die Geschichten in unsere Herzen und Seelen aufnehmen - um eine ganz tiefe Freude und Fülle, zu denen uns diese Wahrheit führen will. Ich will das heute so ausdrücken: Wenn Jesus unsere Ohren heil macht, dass wir seine Botschaft hören und verstehen können, wenn wir in uns aufnehmen, dass er unser Herr ist und wir durch ihn das Leben finden - hier und in Ewigkeit, dann haben wir in dieser Welt alles verstanden, was wirklich wichtig ist und genügt. Wenn Jesus uns die Zunge löst, dass wir von ihm und unserem Glauben reden können, wenn er und was er uns bedeutet in unserem Sprechen eine Rolle spielt, dann werden auch unsere Mitmenschen durch uns von dem erfahren, was auch für ihr Leben Halt, Mitte und Ziel werden kann.

Liebe Gemeinde, heute will Jesus unsere Ohren öffnen und unsere Zunge lösen. AMEN