Predigt zum Sonntag "Kantate" - 10.5.2009

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Textlesung: Mt. 11, 25 - 30

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohl gefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde!

Wer auch den Namen dieses Sonntags im Kopf hat, der wird sicher fragen, warum diese Verse denn zu diesem Sonntag gehören? Ich habe mich das auch gefragt. "Kantate" heißt doch "Singet". Aber wo ist denn hier vom Singen die Rede? Andererseits - ich weiß nicht, ob es Ihnen da genauso geht wie mir? - ich finde, diese Verse sind wunderschön und irgendwie selbst wie ein Lied: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde ... - Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Ja, ich glaube, das ist es: Schön wie ein Lied sind diese Worte Jesu. Und wie bei einem guten Schlager unserer Tage kann man sich den Text auch gut merken. Aber warum "singt" Jesus dieses Lied? Was will er uns sagen?

"... weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart." - Schon dieser Gedanke ist wahrhaftig würdig, immer wieder und wieder "besungen" zu werden! Manchmal meint man ja als Christenmensch, die Botschaft Jesu, das ganze Evangelium wäre sehr schwierig zu verstehen. Manche Predigten, die über unseren Kopf hinweg gehen, tragen dazu bei, dass wir es so sehen. Auch die Diskussionen über theologische Fragen, die es oft bis in die Medienredaktionen und auf die Seiten der Zeitungen, des Spiegel oder des STERN schaffen, können diesen Eindruck verstärken. Aber wer bei Jesus bleibt, wer auf ihn hört, der erfährt und begreift etwas anderes: "Ja, Vater; denn so hat es dir wohl gefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater ..." Gott selbst steht hinter Jesus. Mehr noch: Er ist in ihm! Das spürt man in Jesu Nähe. Da muss man nicht gelehrt oder besonders intelligent sein. Das hat vielmehr überhaupt nichts mit unseren geistigen Qualitäten zu tun. Wer Abitur hat, der ist in dieser Sache nicht begünstigt. Wer studieren durfte, kommt deshalb in seinem Glauben an ihn nicht weiter als der Handwerker oder Arbeiter. Warum ist das so? Weil man Jesus nicht mit dem Verstand fassen kann. Weil der Glaube an ihn keine Leistung ist, schon gar keine intellektuelle, sondern ein Geschenk!

"... niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will." Jesus muss sich uns offenbaren. Sonst führt kein anderer Weg zu ihm. Der Glaube, das Vertrauen zu ihm, ist kein Ergebnis von Überlegungen. Er leuchtet uns nicht irgendwann ein, weil er so vernünftig wäre. Im Gegenteil! Alles spricht dagegen, dass wir zum Glauben finden, wenn wir nur lange genug darüber nachsinnen! Dann nämlich werden wir erkennen, wie unvernünftig der Glaube ist und ja eigentlich auch die ganze Sache Jesu: Ist das vernünftig, seinen Himmel zu verlassen und in diese Welt einzugehen, in der einer des anderen Teufel ist? Spricht das für Vernunft, in dieser Welt ausgerechnet als Armeleutekind zu beginnen und sein ganzes kurzes Leben auf dem unteren Weg zu bleiben? Ja, ist es nicht geradezu die Ausgeburt der Unvernunft, für andere zu leiden, sich das Kreuz auf die Schulter legen zu lassen und schändlich zu sterben? Nein und noch mal nein, vernünftig ist das nicht!

Aber auch die Liebe ist nicht vernünftig! Viele von uns haben das doch schon erlebt oder werden es so Gott will noch erleben: Da ist ein eigentlich ganz normaler Mensch. Wenn wir ihn nur mit klarem Blick und nüchternem Verstand anschauen könnten, dann würden wir uns selbst nicht mehr verstehen: Aber wir verzehren uns nach ihm. Wir wollen jede Minute mit ihm verbringen. Alles, was er sagt, erscheint uns gut. Wie er sich bewegt, sein Gesicht ... schön und wunderbar. Niemals werden wir uns von ihm trennen. All unsere Wünsche drehen sich um ihn. Morgens, wenn wir aufwachen, freuen wir uns schon, dass es ihn gibt. Abends, wenn wir einschlafen, ist er unser letzter Gedanke. Warum ist das so? Doch nicht weil es dafür auch nur einen vernünftigen Grund gäbe. - Aber wir lieben diesen Menschen!

Ob es nicht die Liebe Gottes ist, die in Jesus diesen unvernünftigen Weg von der Krippe zum Kreuz geht? Ob es nicht die Liebe ist, die Jesus beseelt, wenn er uns zu sich ruft: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken." Und das eben ist es, was uns zum Glauben führt, dass wir es fühlen: Es "erquickt", in seiner Nähe zu sein. Es macht Freude, zu ihm gehen zu dürfen, ohne Vorleistung, ohne Angst, vielleicht nicht willkommen zu sein. Es lässt unser Herz hüpfen und macht unsere Seele froh, bei ihm alles abzulegen, was uns beschwert, bedrückt und das Leben schmälert.

Aber bei ihm wird uns nicht leicht, weil wir ihn verstehen. Unsere Lasten werden wir nicht los, weil wir seine Lehre begreifen. Den Glauben an ihn gewinnen wir nicht, weil es uns vernünftig erscheint. Seine Liebe zu uns rührt uns an. Bei ihm erfahren wir Befreiung. Wenn er uns nah kommt, dann verwandelt sich alles und wir selbst auch - und wir glauben ... gegen jede Vernunft!

"Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir ... denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen." Aha, denken wir jetzt, also doch ein "Joch", doch eine Last, doch ein Mühe, die wir uns auferlegen müssen!? Im Gegenteil: Sein Joch - und wenn sie "Joch" hörten, dachten die Menschen damals sofort an das alttestamentliche Gesetz und seine sklavische Befolgung - sein Joch ist leicht, verlangt nur die Liebe und dass wir uns an Jesu Vorbild halten. Am besten wird dieses "Joch" Christi in der Bergpredigt beschrieben: Wir sollen die Feinde lieben und denen wohl tun, die uns hassen. Wir sollen die Ehe achten und sie nicht brechen. Wir sollen vertrauen haben und uns nicht sorgen. Wir sollen nicht richten, nicht verurteilen, sondern versuchen, die Menschen zu verstehen. Wir sollen unseren Nächsten das tun, was auch wir uns von ihnen wünschen, dass sie es uns tun. - Immer aber, bei allem, was die Bergpredigt noch anspricht, soll die Liebe uns leiten, die wir bei Jesus lernen können. Die "Ruhe", die wir bei ihm finden, ist kein Seelenfrieden, sie betrifft nicht nur unseren inneren Menschen. Es ist genau so wie mit dem Gottesdienst am Sonntag - mit einem jedenfalls, der uns wirklich gut tut: Nach einem solchen Gottesdienst gehen wir nicht nur mit dem Gefühl nach Hause, ein Stündchen lang etwas für unsere Seele getan zu haben. Da geht doch viel mehr mit: Gedanken, die unseren Alltag verändern. Anstöße zu einem Leben, das Gott in die Mitte rückt. Vorsätze, die Liebe Jesu besser und immer besser zu den Menschen zu bringen ... Vielleicht verstehen wir die "Ruhe für unsere Seele", die Jesus uns schenkt, am besten als "Heil" und Heilwerden für unseren ganzen Menschen!?

"... denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig ..." Wahrhaftig, bei ihm ist kein Hass, kein böses Wort, kein Aufbrausen und kein Verdammen. Er schaut uns mit den Augen der Liebe an. Die Liebe kann sich nicht über den anderen erheben. Wer liebt, weiß immer, dass er zuerst von Gott geliebt ist. Und diese Liebe wird uns geschenkt. Darum können auch wir sie weiterschenken.

"Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Fragen wir die Menschen, die sich dieses sanfte Joch Jesu haben auflegen lassen, ob sie sich nun beschwert oder über die Maßen belastet fühlen: Den Arzt vielleicht, der jedes Jahr für ein paar Wochen nach Indien reist, um dort in 16-Stunden-Tagen mit unzähligen Operationen den armen Leuten mit seiner ärztlichen Kunst zu dienen. Und das freiwillig und kostenlos. Er wird antworten: Ich gebe nur zurück, was ich zuvor so reichlich erhalten habe. Und: Es macht mir Freude und ich werde es in jedem Jahr immer wieder tun, solange ich kann.

Und fragen wir die ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Kirchengemeinde, warum sie sich seit zwei Jahrzehnten für die alten Menschen ihrer Gemeinde einsetzt, alle 14 Tage einen schönen Nachmittag für die Senioren gestaltet, immer wieder neue Ideen entwickelt und viel von ihrer knappen Freizeit dafür opfert. Was wird sie antworten? Sicher nicht, dass ihr diese Arbeit eine leidige Pflicht ist, eine schwere Last, die sie am liebsten von sich werfen würde. Sondern sie wird davon sprechen, wie ihr dieser Dienst an den Menschen ans Herz gewachsen ist, wie sie sich schon Tage vorher wieder auf die Nachmittage freut und wie viel ihr das bedeutet, wenn sie den alten Leuten ein paar unbeschwerte, fröhliche Stunden schenken kann.

Liebe Gemeinde, ich glaube schon, dass wir heute an diesem Sonntag "Kantate" sagen können: Jesus singt ein Lied davon, dass ihm nachzufolgen nicht bedrückend und schwer ist, sondern leicht und so, dass es Freude macht: Denn sein Joch ist sanft, und seine Last ist leicht. AMEN