Predigt am 1. Weihnachtstag - 25.12.2008

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Liebe Gemeinde, wir wollen uns die Worte des Predigttextes anhören, diese sattsam bekannten Worte aus dem 2. Teil der Weihnachtsgeschichte:

Textlesung: Lk. 2, (1-14) 15-20
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Geht's Ihnen nicht genauso wie mir: Man kann sich kaum noch auf diese Verse konzentrieren. Einfach zu bekannt sind sie, vielleicht schon 50-mal hat sie mancher gehört oder gar noch mehr. Es ist ja doch so: Auch Geschichten nutzen sich ab. Selbst die Erzählung vom bedeutsamsten Ereignis für uns Christen - eben der Geburt des Herrn - unterliegt dem Prozess des Alterns, dem Verschleiß. Ich fürchte sehr, uns geht die ganze Ungeheuerlichkeit dieser Geburt nicht mehr auf. Wir sagen oder denken eher so: Da ist halt damals im Stall zu Bethlehem Gottes Kind geboren. Es wurde halt in einen Viehtrog gelegt ... Die Eltern waren arme Schlucker, für die kein Platz in den Herbergen der Stadt war. Die ersten an der Krippe waren nun mal die Hirten, zerlumpte Habenichtse, Außenseiter der Gesellschaft ... Ja, so war das halt. „Na und", möchte man hinzufügen, wenn man seiner Stellung zu dieser Geschichte ehrlich Ausdruck geben will. Diese Geburt erschüttert uns einfach nicht mehr. Das ist es, glaube ich.

Und dieses „Wunder", die Geburt Gottes in einem Stall, recht zu begreifen, wird uns ja auch durch manches in dieser Zeit erschwert: Sagen wir's doch ehrlich und deutlich: Was ist denn dieses Kind in der Krippe, vor 2000 Jahren, angesichts der Gaben, die wir gestern Abend unter den Baum gelegt und in seinem Kerzenschein empfangen haben? Frage jeder sich selbst - aber auch ehrlich! - wie viele Gedanken haben wir in den letzten Wochen daran gewendet, das rechte Geschenk für diesen und jenen zu finden, die Höhe des Betrags für die Geldgabe zu bestimmen? Wie viele Stunden haben wir in den vergangenen Adventstagen mit ähnlichen Vorbereitungen für das Fest verbracht - und wie viel Zeit haben wir der Beschäftigung mit Gottes Kind in der Futterkrippe und unserer inneren Einstimmung auf Weihnachten gewidmet?

Und auch das steht als Hindernis auf unserem Weg zu Stall und Krippe: Was geschieht doch nicht alles in der Welt unserer Tage!? Wir müssen ja nur einmal die Nachrichten hören, dann haben wir den Kopf doch voll vom Geschehen der Gegenwart: Bombenterror in Afghanistan, Indien und dem Irak. Elend und Hunger am Horn von Afrika. Schlimme Unfälle auf den Straßen, Finanzkrise, Firmenpleiten und die schlechte Wirtschaftsprognose für das kommende Jahr ... und so weiter, und so weiter. Meistens ist es nichts Gutes was wir hören! Da fragt man sich schon (wenn man sich das überhaupt noch fragt!), was ist gemessen an dem, was tagtäglich - auch in der Weihnachtszeit - auf uns einstürmt, denn die Geburt eines armen Kindes in einem Stall vor 20-mal hundert Jahren???

Ich weiß, das ist ziemlich hart geredet, aber halten wir diese harten Worte, diese fast schmerzhafte Gegenüberstellung noch eine kleine Weile aus! Noch mehr will uns ja das Weihnachtslicht verdunkeln, noch mehr verdirbt uns ja die Freude am Kind von Bethlehem: Da sind ja noch wir selbst, wie uns die Jahre geprägt haben, wir, mit unserem Wesen und Charakter und - besonders! - mit unseren Erwartungen und unseren Wünschen an Gott und seinen Heiland. Und Vorstellungen haben wir doch auch! Mal ganz offen: Hätten wir uns nicht eher einen starken Retter gewünscht? Möchten wir nicht eigentlich einen mächtigen, kraftvollen Erlöser, der uns heilt, der uns zurechtbringt, der uns hilft gegen Krankheit, gegen Einsamkeit, gegen Not und alle anderen persönlichen Beschwerden? Mit dieser Sehnsucht im Herzen schauen wir doch schließlich hinein in die Krippe von Bethlehem ... und wir finden das Kind ja auch ganz rührend ..., aber wie soll es uns denn helfen? So ein schwaches, selbst hilfloses Kind, ohnmächtig, arm, elend ...

Wenn es doch wenigstens später anders geworden wäre mit diesem Jesus, diesem Sohn Gottes. Aber das geht ja so weiter! Die Krippe war nur der Anfang. Und sie war ganz und gar kein göttliches Zugeständnis ein unsere rührseligen Weihnachtsgefühle. Genauso hart wie die Krippe war das ganze Leben dieses Mannes aus Nazareth - vom Stall ging's auf die Flucht, später in die Armut, auf Wanderschaft, in Verfolgung, Anfeindung und Leiden und schließlich führt sein Weg in den frühen Tod an einem Kreuz.

Das muss man schon sagen: Alles an diesem Leben stimmt zusammen, vom Beginn bis zum Ende: Immer der untere Weg, immer Handeln aus Liebe zu den anderen Menschen, Ohnmacht, Verzicht auf die Gewalt und Stärke, die er, der Sohn Gottes, hätte ausüben können. Irgendwie verstehen wir, wenn wir erfahren, dass man sich den Messias schon damals anders vorgestellt hat: mächtig, kraftvoll, unwiderstehlich, glänzend ... Und ist es denn bei uns anders? Geht es uns nicht genauso? Und ist nicht das der Grund für unser mehr höfliches Achten auf die Weihnachtsbotschaft und unser mehr angestrengtes, fast gezwungenes Hinhören auf die Worte des Predigttextes heute? Die Botschaft dieses Tages ist einfach nicht stark genug, sie kann sich nicht durchsetzen gegen all die anderen Einflüsse, Nachrichten, Geschehnisse unserer Zeit - draußen in der Welt und in unserem kleinen Bereich. - - -

Liebe Gemeinde, und jetzt hat sie sich heute doch durchgesetzt! Denn das ist ja gerade die Stärke dieser Botschaft, dass sie so schwach ist! Anders ausgedrückt: Hier liegt die ganze Kraft der Überzeugung dieser frohen Nachricht, dass sie so unscheinbar, so arm, so gar nicht großartig und glänzend daherkommt. Uns wird nur dies gesagt: Gott wird ein Kind! Das ist alles, ja, das ist alles !!! Und wenn wir uns das heute zum 51. oder zum 101. Mal deutlich zu machen versuchen - das ist und bleibt die größte Botschaft, die unsere Welt je vernommen hat!: Gott wird Mensch, einer von uns. Spüren wir denn nicht, wie ganz und gar anders diese frohe Kunde ist, anders als alle Botschaften und Worte, die in allen Geschichtszeiten und in der Gegenwart gesprochen wurden und heute an unser Ohr dringen?! Wo hätte jemals ein Großer - vor den Augen der Welt! - Verzicht geleistet auf die Macht, den Einfluss, das Prestige, das er hätte haben können? Wo wäre je ein Mensch in unserer Nähe gern und freiwillig bescheiden, arm oder klein im Ansehen geblieben? Wo geht es denn in der Gesellschaft, im oft gnadenlosen System unserer Tage nicht um mehr, um höher, reicher, besser, weiter ...? Und genau dieses Streben aller Welt ist es ja, was uns so kaputtmacht, bedrückt, alle Freude verdirbt und uns am Leben leiden lässt. Und - machen wir uns das auch klar - genau dieses Streben ist es, in das wir selbst zutiefst verstrickt sind, mit dem wir - jeder von uns - viele andere kaputt machen, bedrücke, ihnen die Lebensfreude verderben und sie leiden lassen! Da hinein hören wir diese Nachricht des Christtags: Gott wird Mensch in Jesus. Einer verzichtet für dich und mich auf den Glanz seines Himmels. Einer fängt unten an und bleibt seinem Weg treu. Einer leidet und stirbt schließlich für dich und mich!

Lassen wir das heute doch einmal in unser Herz dringen. Öffnen wir uns diesen Worten. Es sind die Worte, die allein froh machen können. Und wenn wir wieder auf diese Worte hören können, dann sagen sie uns dies:

Du bist nicht allein, wie arm, wie gering, ja, wie verachtet du auch sein magst. Gott wollte als ein kleines hilfloses Kind in einem Viehtrog liegen, war sich für einen Stall nicht zu gut. Du darfst wissen, er teilt dein Leben, er ist bei allem dabei, was dich beschwert, bei allem, was du in seinem Namen anfängst und vollendest. Gott ist bei dir! Er hilft dir wohl nicht gegen jedes Unrecht, er holt dich nicht aus allem Leid und aller Krankheit, er schützt dich nicht in aller Gefahr - aber er geht mit dir durch alles hindurch, du musst nur seine Hand ergreifen. Du bist nicht allein!

Und wenn das so ist - und es ist so! - dann gibt uns das die Kraft, es nun auch selbst wieder einmal neu oder zum ersten Mal mit dem unteren Weg zu probieren. Diesen Weg, den Weg der Liebe zum Mitmenschen, geht Jesus mit dir. Wer selbst auch auf Macht verzichtet, Stärke nicht ausspielt, Ellenbogen nicht benutzt, Schwächere achtet und für Sprachlose eintritt, der hat das Kind in der Krippe, der hat Gott auf seiner Seite. Dabei werden wir gewiss Schwierigkeiten mit der Welt und den Menschen bekommen, dabei werden wir uns selbst oft auch schwach, arm, gering und elend fühlen. Aber die Kraft Gottes, die nicht von dieser Welt ist, die vielmehr in unserem Herzen wirkt, wird uns froh und stark machen. Dass dies geschieht, ist mein Weihnachtswunsch für sie alle und für mich selbst auch. AMEN