Predigt zum 12. Sonntag n. Trinitatis - 18.8.2002

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Textlesung: 1. Kor. 3, 9-15

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.
Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.

Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Liebe Gemeinde!

Ein bißchen furchterregend ist das schon, was wir da hören: "Der Tag des Gerichts...mit Feuer wird er sich zeigen...verbrennen...Schaden leiden..." Aber das ist Gott sei Dank ja nicht alles. Wir lesen auch vom "Grund, der gelegt ist", von "Lohn" und daß wir "gerettet werden", wenn auch "durch das Feuer hindurch". Wir könnten also sagen: Steht hier auch manches, was uns Angst machen kann, so ist doch das, was buchstäblich am Ende herauskommt, eine gute, ja wunderbare Aussicht.

Aber bleiben wir im Hier und Heute. Wir sind Gottes Mitarbeiter! Wir sind sein Ackerfeld und das Haus, das er in dieser Welt gebaut hat. - Mir gefallen diese Bilder! Bei aller Furcht, das ist doch eine gute Nachricht: Wie ein Acker sind wir. Es kommt also gar nicht darauf an, was wir tun, wie wir unser Leben gestalten, wie wir es anpacken und was wir daraus machen. Ein Acker wird bearbeitet. Ein anderer, der Bauer wendet die Schollen, eggt und sät, bringt Dünger aus und pflegt sein Feld bis zur Zeit der Ernte. Und nicht anders bei einem Haus: Der Bauherr holt die Genehmigung ein, kauft das Baumaterial, läßt die Maurer und die anderen Handwerker die Wände aufführen, das Dach decken und die Fenster einsetzen. Und so wie ein Acker und wie ein Haus sind wir, Gottes Menschen, seine Kinder und Geschwister Jesu Christi. - So sollen wir sein...

Aber so ist es ja nicht! Wir tun vielmehr so, als hätten wir den Acker unseres Lebens selbst geschaffen, als könnten wir uns selbst zu Wachstum, Blüte und Frucht bringen. Aus uns selbst - meinen wir - kommen unsere Gedanken, unsere Kraft und das Geschick, unsere Pläne durchzuführen und unsere Vorhaben und Ziele zu erreichen. Und mit dem anderen Bild gesprochen: Wir sind das Haus, das sich selbst baut. Wir sind der Architekt, die Zeichnung, das Fundament, der Bauherr... Wir errichten selbst unsere Mauern und setzen uns zum Schluß dann das Dach auf und stellen - je nach Geschmack - den Gartenzwerg davor oder die tönerne Stele. Und alles ist dann unser. Und alles verdanken wir uns selbst. -

Und das genau, liebe Gemeinde, ist auch der Anfang der Entwicklung in unserem Leben, die so oder so zu diesem Ende führt: Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.

Das mögen wir nun als beängstigend empfinden, aber es ist halt einfach wahr und wirklich so! Und wir wollen es einmal weniger bildhaft beschreiben aber nicht weniger deutlich, als es Paulus hier tut:

Auf diesem Lebensgrund, der nur sich selbst sieht, alles nur sich selbst verdankt und eigentlich keinen Gott und keinen Christus braucht, kann immer nur ein Leben entstehen und wachsen, das dem Feuer nicht standhält. Aber noch deutlicher und konkreter:

Nehmen wir unsere Gemeinschaften: Wenn sie aus Menschen zusammengesetzt sind, die nur sich selbst kennen und nur die eigene Kraft einbringen, nur die eigenen Ideen und die eigenen Ziele verfolgen, dann wird die Gemeinschaft nicht leben können. Denn was soll diese Menschen dazu bereit machen, daß sie auch für andere arbeiten, auch andere mit ihren Talenten und Einfällen einbeziehen und dann die Freude an der gemeinsamen Sache mit ihnen teilen?

Und nehmen wir unser Hab und Gut, unser Einkommen - wenn wir Menschen sind, die sich dem Wahn hingeben, sie hätten alles doch aus sich selbst erworben und was sie haben und verdienen, wäre doch nur der gerechte Lohn für ihre Leistung, wie soll sich hierzu ein wirklich soziales System reimen? Wie werden wohl von diesem Denken aus Schwache und Behinderte gesehen und versorgt? Wie können Menschen, die arbeitslos oder krank geworden sind vor diesem Denken ihre Würde und Selbstachtung behalten?

Und nehmen wir noch unsere Sache mit Gott - kann sie bei Menschen eine Zukunft haben, die in ihrem Leben eigentlich keinen Platz mehr für einen Anspruch von außen, schon gar nicht von Gott her lassen, die sein Wort nicht hören wollen und die Gebote nicht mehr kennen, geschweige denn achten? Wie wird sich schließlich eine Gesellschaft entwickeln, die nicht mehr getragen ist von dem Gedanken, daß alle das gleiche Recht auf Leben, Glück, Arbeit und Freude haben und daß es alle angeht, wenn in dieser reichen Welt Millionen hungern müssen, und auch bei uns zunehmend viele kein Auskommen mehr haben und durch die Maschen des sozialen Netzes fallen. Und wir spüren es doch, wie die Kälte allenthalben in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen vordringt, daß wir uns manchmal in alltäglichen Gesprächen belauert und ausgefragt und wegen unseres bescheidenen Wohlstands beneidet fühlen. Und geht uns nicht auch zunehmend die Hoffnung aus, die Politik könnte, ja wollte auch nur die himmelschreiend ungerechten Verhältnisse in dieser Gesellschaft beseitigen?: Daß ein Manager bei seinem Ausscheiden aus einem Vorstandsposten 40 Mio. Euro Abfindung erhält - "Abfindung" - für was eigentlich? - während Tausende von Arbeitern und Angestellten dieser Firma - ohne finanzielles Polster - in eine ungewisse Zukunft entlassen werden? Und gibt es nicht in den unterschiedlichsten Bereichen - etwa im Gesundheitswesen oder bei der Rente - eine völlig unverständliche Ungleichbehandlung der Menschen? Daß der eine nur die billigsten Medikamente bekommt, während der andere auf Kassenkosten das neueste Präparat aus Amerika einfliegen lassen darf. Daß die eine genug Rente hat, den Winter in Mallorca zu verbringen, die andere dagegen knapp über dem Niveau der Fürsorge leben muß, weil sie einmal den "Fehler" begangen hat, drei Kinder aufzuziehen und nicht gleich wieder mit dem Arbeiten begonnen hat. (Hängt mit diesen dunklen Entwicklungen in unserer Gesellschaft nicht auch zusammen, daß wir in diesen Wochen wirklich nicht mehr wissen, wem wir im September unsere Stimme geben sollen? Denn wie sollen die Parteien und die Politiker, die ihnen angehören, diese Dinge denn ehrlich und mit Erfolg angehen in Zeiten, in denen wir bald täglich Nachrichten darüber hören, wie sehr diese Politiker selbst in das umfängliche System von Eigensucht, Geldgier, Ungerechtigkeit, Vorteilsnahme und Betrug verstrickt sind?)

Liebe Gemeinde, da wird so manches einmal nicht dem Feuer standhalten, durch das es hindurch muß! - Aber mit diesen Gedanken wollen wir heute nicht schließen. Die bauen ja nicht auf - und wir wollen doch auch etwas von dieser Predigt mitnehmen, was uns weiterbringt, einen Vorsatz schenkt und ein wenig Hoffnung...

Ich sehe zwei Hinweise in den Worten des Paulus, die können uns Mut machen: "Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen." Vielleicht hört sich das ja für unsere evangelischen Ohren ein bißchen nach "Werkgerechtigkeit" an, so, als verdienten wir uns mit unseren Taten die Belohnung eines guten Lebens - am Ende auch noch in Gottes Ewigkeit? Aber man kann das wohl auch anders verstehen, nicht so unevangelisch und fragwürdig und auch nicht gleich im Blick auf unsere ewige Zukunft. Vielleicht so: In der Gemeinschaft das Wohl aller, auch meiner Mitmenschen zu suchen, schafft Wärme und Herzlichkeit zwischen den Menschen. Da spüren wir etwas von der Zuneigung und vom Vertrauen, die das Leben reicher und schöner machen. Ist das kein Lohn unserer Werke? Mit unserer Habe und unserem Einkommen auch die zu bedenken, die doch völlig schuldlos in armen und oft unwürdigen Verhältnissen leben müssen, macht Freude, gibt das gute Gefühl, das Richtige zu tun. Und nicht nur unser Verstand erfährt hier Genugtuung und Zufriedenheit, auch unser Herz bekommt den schönen Lohn, den alle Liebe erfährt: Gegenliebe und Dankbarkeit - und wenn wir sie nur in den Augen der Menschen lesen können, denen wir mit dem helfen, was wir übrig haben. Und in Glaubensdingen - wohlgemerkt für einen Glauben, der uns auch schon geschenkt ist - bekommen wir überdies noch die Belohnung, die darin liegt, zu wissen, wofür wir leben, Sinn im Dienst an den Menschen zu finden, noch im größten Leid Trost zu erfahren, das Ende aller Mühsal, Sorge und Not zu erwarten und auf den Anbruch der neuen Welt Gottes zu hoffen. Und damit genau hat der zweite Hinweis zu tun, den uns Paulus gibt:

Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Selbst wenn wir bis heute immer auf der Seite derer gestanden haben, die sich nicht um die Gemeinschaft aller geschert, die Freude des Teilens nicht kennengelernt und sich nicht gewagt haben, ihrer Sache mit Gott den Platz in ihrem Leben einzuräumen, der ihr zusteht, so muß es doch dabei nicht bleiben! Morgen schon kann es anders werden. Heute noch kann es beginnen: Daß wir uns ehrlich um die guten Beziehungen zu den Mitmenschen bemühen, daß wir von dem abgeben, was wir reichlich haben und was anderen fehlt, daß wir unserem Glauben mehr zutrauen und auf unsere Hoffnung hin mehr wagen. Wir werden dann gewiß auch spüren, daß wir "Schaden leiden", wie es hier heißt. Ich glaube allerdings, es wird mehr die Erkenntnis sein, daß wir lange Zeit Schaden gelitten haben, weil wir nicht die Menschen waren, die wir nach Gottes Willen hätten sein sollen und können! Aber das alles wird dann gering sein und überwunden, denn wir sind gerettet! Wir wissen, wo wir hingehören, wir haben erfahren, wie wohl Gemeinschaft tut, wie es beglückt, anderen Menschen mit Taten und auch mit Geld und Gut zu helfen und wieviel Halt und sichere Begleitung in einem Glauben liegt, der sich voll Vertrauen auf Gott verläßt.

Wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Vergessen wir es nicht mehr, liebe Gemeinde, wir haben und sind nichts aus uns selbst. Wie ein Acker, den ein Bauer pflegt und zu Wachstum und Gedeihen bringt, so sind wir. Wie ein Hausbau, den ein Architekt plant und viele Handwerker ausführen, so ist unser Leben. Gott verdanken wir alles! Lassen wir ihn sein Werk an uns tun und vollenden. Und arbeiten wir dabei mit - wenigstens indem wir an uns geschehen lassen, was gut für uns ist - in diesem Leben und in Ewigkeit.