Predigt zu Christi Himmelfahrt - 9.5.2002

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: Eph. 1, 20b - 23

Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.

Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Liebe Gemeinde!

Worüber soll man reden am Himmelfahrtstag? Vielleicht über die Frage, wie das damals wohl gewesen ist? Wie es war, als die Wolke Jesus Christus aufgenommen hat und die Jünger nach oben gestarrt haben? Wollen wir uns fragen, ob das überhaupt möglich war oder ob da ein paar überspannte Geister nur eine Vision hatten?

Aber wir könnten auch darüber sprechen, wie sehr dieser Tag immer mehr einen anderen Namen bekommt: "Vatertag"! Und wie mit diesem Namen auch sein ganzer Sinn sich verändert, wie er sozusagen verweltlicht wird und nur noch einen schalen Vergnügungstag mit seichter Beschäftigung und wenig christlichem Hintergrund bezeichnet.

Oder aber wir schauen einmal, was hinter dem Geschehen damals wie heute eigentlich an diesem Tag erzählt und gefeiert wird. Und da sind wir bei diesen Worten, die wir gerade gehört haben, sicher ganz nah dran, wie man heute sagt: Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft... Das ist der Kern: Jesus hat seine Macht über die Welt, über alle Geschöpfe und alle Gewalten angetreten.

Und das zweite führt uns noch ein Stück weiter - zur Kirche, und ihrer und wohl auch unserer Sache: Gott hat alles unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Wir würden das heute sicher ein bißchen anders ausdrücken. Nicht so gestelzt und doch auch ein wenig hochtrabend. Aber wie? - Mir ist über diesen Fragen eine kleine Geschichte wieder in den Sinn gekommen, die gibt Antwort. Die hat sogar mit der weltlichen Verwandlung dieses Festes "Christi Himmelfahrt" zum oft bierseligen Vatertag zu tun. Und sie kann uns vielleicht helfen, das wichtige, das wesentliche dieses Tages neu zu sehen und festzuhalten - in allen Fragen und trotz aller Sinnentleerung dieses Feiertags. Die Geschichte ist eine Fabel, sie spielt also im Tierreich. Sie handelt von einer Spinne:

Liebe Gemeinde, sicher haben sie schon eine Idee, was diese Geschichte zu unseren Fragen und Gedanken um Christi Himmelfahrt sagen könnte. Ich will diese Ideen hier einmal sammeln und vor aller Ohren bringen:

Einmal - das haben gewiß einige von uns gedacht - gleicht die Spinne vielen Menschen unserer Tage, die leider vergessen haben, daß sie eine Verbindung "nach oben" haben und brauchen. Wobei wir das einfach einmal stehen lassen wollen, daß wir vom Himmel immer als "oben" sprechen, obgleich wir ja wissen, daß der Himmel überall ist oder besser: überall sein kann.

Jedenfalls ist das sicher eine der Wahrheiten der Fabel: Viele Zeitgenossen haben keine Verbindung mehr zum Himmel. Sie haben zwar "das Netz", das in dieser Welt ihren Lebensraum, ja, ihr Leben selbst bedeutet, aber sie wissen nicht mehr, daß es oben am Himmel aufgehängt ist und nur dort Halt und Festigkeit bekommt. Und was geschieht, wenn man den Faden durchtrennt, der das Netz hält, das ist auch klar: Alles stürzt zusammen und begräbt uns unter sich. Und - warum wollen wir es nicht aussprechen - der Trend heute, nicht mehr "Himmelfahrt" sondern "Vatertag" zu feiern, ist der Ausdruck dieses "Vergessens", wo unser "Netz" herkommt und festgemacht ist.

Andere hat beim Hören der Fabel vielleicht bewegt, wie sehr doch auch das für uns und unsere Zeit heute gilt: Unten im Gebüsch baute sie ihr Netz, das sie im Lauf des Tages immer großartiger entwickelte und mit dem sie reiche Beute fing.

Wahrhaftig! Wir haben das Netz unseres Lebens reich ausstaffiert mit Sachen zum Kaufen, mit Konsum, mit Wohlstand und oft mit Luxus. Da ist auch unsere Zeit für Zerstreuung, die heute so reichlich ist, die Stunden zur Entspannung, für das Vergnügen und das Genießen dessen, was wir erreicht haben im Leben. Und schließlich gehört in das "Netz", in dem sich unser Leben abspielt, auch die Erholung, der Urlaub - oft viele Flugstunden entfernt - alles, was wir uns leisten können und was unsere Tage verschönt. Und das alles lenkt schon auch ab, bindet unsere Sinne, Kräfte, unsere Herzen und unsere Seele. Da verliert man leicht aus den Augen und der Erinnerung, daß unser Lebensnetz oben im Himmel aufgehängt ist und von dort seine Festigkeit und seinen Halt bekommt.

Daß nun nicht manche von uns denken, das alles wäre schlimm und dürfte nicht sein, wollen wir auch noch diesen Satz aus der Fabel anschauen: Als es Abend geworden war, lief die Spinne ihr Netz noch einmal ab und fand es herrlich. Nein, das ist nicht schlimm, das ist schön und wunderbar, was die Spinne...was wir zu unserem Lebensnetz empfinden: Es soll uns Freude machen, wir dürfen es bewundern und herrlich finden. Aber trotzdem ist halt die Gefahr groß, daß wir den Blick für das Ganze verlieren. Und noch größer ist die Versuchung, daß die Spinne nun alles für ihr eigenes Werk hält und nicht mehr daran denkt, ja, denken will, daß alles nur deshalb so schön und wunderbar ist an ihrem Netz, weil es seinen Halt und Ausgangspunkt oben im Himmel hat. Und genau so sind wir eben auch versucht: Daß wir über allen Dingen, die wir haben, über allem, was wir heute tun und lassen und uns leisten können, nicht mehr sehen, warum und von wem wir all die Gaben haben, die unser Leben verschönen.
Schließlich wollen wir uns noch einen vierten Gedanken aus der Fabel vor Augen führen, er sagt uns, wie es bei der Spinne dazu kommen konnte und bei uns dazu kommen kann, daß wir den Himmel, von dem wir gehalten sind, vergessen: Da entdeckte die Spinne auch wieder den Faden nach oben, den sie über ihrer betriebsamen Geschäftigkeit ganz vergessen hatte.

Das ist es: Geschäftigkeit, Schaffen und Schuften, nur noch auf den Weg vor mir sehen und gar nicht mehr wahrnehmen, was um mich her geschieht und wie mein Lebensnetz verbunden ist mit dem der anderen Menschen und mit Gott... Da denke ich an die vielen Beispiele aus unseren Tagen, daß die Menschen über aller Arbeit und aller Betriebsamkeit vergessen haben, daß es einen Sonntag gibt, oder eben auch einen Feiertag, oder besser, wofür diese Tage eigentlich da sein sollen: Eben sich zu erinnern! Immer wieder zu erkennen, es gibt auch noch mehr als die Sachen, mehr als die Zerstreuung und das Vergnügen, mehr als ein-, zweimal Urlaub im Jahr auf Mallorca oder den Malediven. Das würde uns nämlich sehr gut tun, wenn wir uns die Gelegenheiten, uns auf Gott zu besinnen, nicht durch Kurzweil verstellen, mit Arbeit auch noch am Sonntag zerstören und mit Grillfesten und feuchtfröhlichen Biergelagen zum "Vatertag" entweihen ließen. Ja, die Fabel weiß es noch besser und ernster: Sofort fiel das Netz über ihr zusammen, wickelte sich um sie wie ein nasser Lappen und erstickte sie. Da steht, wenn man der Geschichte glaubt, sogar unser Leben auf dem Spiel! - Ich glaube der Geschichte. Denn ich habe es oft genug schon erfahren müssen, wie so ein ganzes Leben einem Menschen über dem Kopf zusammenstürzt, weil er durchtrennt oder mißachtet, was sein Leben allein tragen und halten kann!

Liebe Gemeinde, wenn ich nun noch die Botschaft dieses Tages und der Bibelworte, die wir zu Anfang gehört haben, in die Fabel hineintrage, dann wird vollends klar, wie sehr die Geschichte doch eine "Himmelfahrtsgeschichte" ist:

Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.

Er, der für uns gestorben ist, ist auferstanden und aufgefahren zum Vater. Jetzt sitzt er zur Rechten Gottes - im Himmel! Wenn wir an ihn glauben und ihm vertrauen, dann haben wir unser Leben oben im Himmel festgemacht.

Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Alles, was hier in unserem Leben spielt, alles was wir in unserem Lebensnetz fangen und sammeln, und auch alle Gaben und Kräfte mit denen und durch die wir das können, haben mit ihm zu tun. Unser ganzes Leben soll von ihm bestimmt sein und vor ihm bestehen können. Er ist das Haupt. Er hat alle Macht im Himmel und auf Erden. Wenn wir an ihm und mit ihm verbunden bleiben, dann hat unser Leben Bestand - bis in Ewigkeit.

Wie es ist, wenn wir es wie die Spinne machen, haben wir gesehen. Und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß es genau so geht - nicht nur in der Fabel.