Predigt am "Ostermontag" - 1.4.2002

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Textlesung: Apg. 10, 34a.36 - 43

Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansieht. Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.

Ihr wißt, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.

Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten.

Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, daß er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.

 

Liebe Gemeinde!

Ist ihnen dieser Vers auch aufgefallen: "...die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten." Das ist nämlich ein ganz erstaunlicher Satz; der da eigentlich gar nicht stehen kann! Vor allem, kann er gar nicht wahr sein... Aber ich will nicht in Rätseln sprechen. Aber hat nicht Jesus beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern, an dem Tag, den wir den Gründonnerstag nennen, zu eben diesen 12 Gefährten so gesprochen: Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes. (Mk. 14,25) - Welche Worte stimmen denn nun, die des Petrus oder die Worte Jesu?

Wir werden natürlich sagen: Jesu Wort ist glaubhafter - also kann Petrus nicht mit Jesus gegessen und getrunken haben. Wer sagt uns aber dann, daß die Auferstehung wahr ist, wenn doch nicht wahr sein kann, daß die Jünger mit Jesus gegessen und getrunken haben?

Liebe Gemeinde, bevor wir jetzt in spitzfindige Überlegungen verfallen und gar in Zweifel an den Worten Jesu oder denen eines verdienten Jüngers wie Petrus einer war... Es gibt eine ganz andere und sehr einleuchtende Lösung dieser Fragen, und eine überraschende und wunderbare dazu: Das Reich Gottes ist schon angebrochen! Ja, ich glaube, das sollen wir begreifen und glauben: Mit Jesu Auferstehung ist Gottes Himmel auf die Erde gekommen, wenigstens ein gutes Stück davon. Darum hat Jesus mit seinen Jüngern "aufs neue vom Gewächs des Weinstocks getrunken" und Brot gegessen - denken wir an die Geschichte von den Jüngern in Emmaus - und darum spüren wir auch in unserer Zeit und in unserem Leben, daß Jesus auferstanden und nicht im Grab und im Tod geblieben ist. - - -

Aber stimmt denn das? Ist der Himmel Gottes wirklich aufgegangen über dieser Welt, über den Menschen - und nicht nur für unseren Glauben, in unserer Hoffnung und unseren frommen Gedanken?
Jetzt ist die Versuchung für mich natürlich groß, hier zu schildern und herauszustreichen, wo und wie wir den Himmel Gottes in unserer Kirche erfahren und in unserer Gemeinde erleben können: Beim Abendmahl vielleicht, in unseren Gemeindekreisen, wenn wir Gottes Wort hören, zusammen singen, beten oder die Bibel lesen. Aber ich will dieser Versuchung nicht nachgeben. Ich sage vielmehr: Dort ist auch Himmel, auch ein Stück des Gottesreiches auf Erden. Aber nicht nur dort! Ich will den Himmel mit ihnen im Alltag suchen, dort wo wir leben, arbeiten, unsere Familie haben, unseren Freundeskreis, unsere Nachbarn... Ich glaube fest, dort ist auch Himmel - und nicht nur einer, den ich mir wünsche und ersehne, sondern einer, der wirklich da ist, den auch sie kennen und der ihnen schon oft und immer wieder begegnet ist. - Gehen wir also auf die Suche...

Mir fielen zuerst unsere Beziehungen zu den Menschen ein. Sie sind ja nicht alle so, aber ich glaube doch, jede und jeder von uns hat wenigstens einen Menschen in dieser Welt, dem sie, dem er alles sagen kann, vor dem man sich nicht verstellen muß, der nicht auf uns herabschaut, wenn wir auch einmal unsere Angst zugeben und unsere Schwächen offenbaren. Und wir alle stehen in Beziehungen der Liebe, vielleicht der zwischen Eheleuten oder Partnern, vielleicht auch als Verwandte oder Freunde. Und in diesen Beziehungen sind wir akzeptiert, haben wir unsere Achtung und unseren Wert, hört man auch unser Wort und interessiert sich für unsere Meinung. Vielleicht halten sie das ja jetzt für ein bißchen übertrieben, bei solchen selbstverständlichen Dingen wie Achtung und Zuneigung zwischen den Menschen von Himmel zu sprechen und vom Reich Gottes, das darin angebrochen sein soll. Aber ich glaube wiklich, ohne die Botschaft von Jesus Christus, ohne die Liebe, die er uns gebracht und bis zum Tod durchgehalten hat und ohne den Glauben, mit dem wir auf sein Leben und sein Sterben für uns antworten, gäbe es das alles nicht, jedenfalls nicht für uns alle und nicht in diesem Maß und vor allem nicht so verläßlich und so treu, wie wir das erfahren dürfen. Der Mensch, der nichts von Jesus Christus weiß, wird zuletzt immer seinen eigenen Vorteil wahren, sein Heil in dieser Welt suchen und ohne Rücksicht auf andere seine Bedürfnisse und seinen Willen durchsetzen. Das gilt auch dann, wenn es manchmal so aussieht, als machte es doch gar keinen Unterschied, ob Menschen Glauben haben oder nicht. An ihren Früchten sollen und werden wir die Menschen erkennen. Und diese Früchte wachsen nicht, wo Menschen nur von dieser Welt und diesem Leben wissen und sie wachsen nur spärlich auf einem Boden, in den Gottes Liebe und Gottes Wort von der Hoffnung nie eingedrungen ist. So sind also unsere guten Beziehungen der Liebe, der Treue, der gegenseitigen Achtung und Hilfe ein Zeichen dafür, daß Gottes Reich schon mitten unter uns ist.

Aber es gibt noch andere Zeichen, und auch bei ihnen bin ich sicher, daß wir alle schon unsere Erfahrungen mit ihnen gemacht haben: Ich denke an das, was in unserem Leben geschieht. Die Bewahrung vor einem Unglück neulich oder erst gestern, daß gut ausgegangen ist, wovor wir so große Angst hatten, daß

wir von unserer Krankheit, die uns so lange geplagt hat, wieder genesen sind und unsere Sorge sich als unbegründet erwiesen hat. Gewiß: Es gibt viele Menschen, die würden bei alledem nur von blindem Schicksal sprechen oder von Glück - aber wir wissen es besser: Gott regiert eben auch in seinem Reich mitten in dieser Welt, wenn er das auch verborgen tut und so, daß man immer auch von Zufall sprechen kann.

Und ich denke an das Gebet, das uns geschenkt ist, um Gott hineinzubitten in unser Leben, ihm wie einem Vater unsere Wünsche vorzutragen und ihn vielleicht auch einmal hart anzugehen, daß er sich unserer endlich wieder annimmt, wenn wir meinen, er hätte uns ganz vergessen. Ja, auch das ist ein Zeichen für den Anbruch des Gottesreichs auf unserer Erde! Denn unser Gott ist ein Vater, der den Bitten seiner Kinder erreichbar ist und der auf ihr Beten hört und - daran wollen wir es in unserem alltäglichen Leben nicht fehlen lassen - der sich auch wie ein Vater freut, wenn wir ihm danken!

Es mag noch mehr Anhaltspunkte geben, die uns dafür sprechen, daß wirklich Gottes Himmel auf Erden seine ersten, aber doch sehr deutlichen Zeichen in dieser Welt hervorgebracht hat und täglich neu setzt. Vielleicht sind Wunder auch solche Zeichen, die es ja nicht nur im Schlager "immer wieder gibt". Und auch in den oft seltsamen Wendungen unseres Geschicks können wir manchmal die Hand Gottes erkennen, der in seinem Reich mit seiner Macht regiert und eingreift. Ich muß oft besonders darüber staunen, wie aus großem Leid, bitterer Enttäuschung und schmerzlichster Trauer nach einer gewissen Zeit doch große Freude, ein ganz unerwarteter Sinn und die schönste Erfüllung entstehen.

Schließlich bestätigt auch schon, was Petrus am Anfang sagt, den Gedanken, daß wir, seit Jesus Christus auferstanden ist, schon mitten im Reich Gottes leben - nicht nur in unserem Glauben und unserer Hoffnung: Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansieht. Er hat...Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle....der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren...

Liebe Gemeinde, wo als im Reich Gottes gilt das denn sonst noch, daß nicht die Person angesehen wird, daß wir nicht nach dem beurteilt werden, was wir leisten oder "bringen", und daß uns einer mit Frieden und Liebe entgegenkommt, die wir gar nicht verdient haben und darum gar nicht erwarten können?

Und stimmt nicht auch das und zeigt uns ganz deutlich, daß ein Stück Himmel schon da ist, mitten unter uns: Hat uns Jesus Christus nicht wirklich viel Gutes getan? Denken wir doch nur daran, daß wir die Gnade geschenkt bekommen haben, im Wohlstand geboren und zu einem Leben in einem de reichsten Länder der Erde auserwählt zu sein? Und sind wir nicht auch gesund geworden durch ihn? Wenn nicht von Krankheit und Behinderung, so doch von der Verlorenheit eines Lebens ohne Tiefe, Sinn, Ziel und Verheißung unter der Gewalt des Teufels - und dabei müssen wir gar nicht an den schwarzen Kerl mit Hörnern und Pferdefuß denken! Wenn wir Jesus Christus kennen und an ihn und das Leben in Gottes ewiger Nähe glauben, dann genügt schon die Vorstellung, die paar Jahre zwischen Wiege und Grab wären alles gewesen, um sich die Hölle auszumalen, denn wenn diese Welt alles wäre, das wäre die Hölle!

Nun ist Jesus Christus aber für uns und unsere Schuld ans Kreuz gegangen. Er hat uns die Vergebung und das Leben verdient und Petrus und viele andere "auserwählte Zeugen" treten uns dafür ein, daß er auferstanden ist von den Toten. Und wenn wir nun aus dem Munde des Petrus hören: ...wir haben mit ihm gegessen und getrunken...und wenn wir doch von Jesus selbst wissen, daß er uns hinterlassen hat, er wird "erst im Reich Gottes wieder vom Gewächs des Weinstocks trinken" - warum wollen wir daran zweifeln, daß dieses Reich Gottes und damit ein Stück Himmel auf Erden wirklich schon zu sehen und zu erfahren ist?

Lassen sie uns aus Freude über die Auferstehung unseres Herrn nach Kräften daran arbeiten, daß dieser Himmel auf Erden sich immer mehr durchsetzt und durch uns noch viele Menschen erreicht und für Gott und seine Sache gewinnt und begeistert!