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Predigt am Sonntag "Reminiscere" - 24.2.2002

Textlesung: Hebr. 11, 8 - 10

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

Liebe Gemeinde!

...und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob... Ich weiß schon, daß ich diesen alten Text nicht so buchstäblich übertragen darf, aber mir kam da etwas in den Sinn, was ich vor Jahren erlebt habe: Meine Frau und ich, wir hatten uns vorgenommen, mit dem Fahrrad nach Holland zu fahren. Wir hatten alles dabei, Kleidung, Eßgeschirr, Kocher...und eben auch ein Zelt. Wir bauten dieses kleine Zelt abends irgendwo am Waldrand auf und versuchten dann nach einem anstrengenden Tag zu schlafen...versuchten! Es war furchtbar unheimlich! Jedes Geräusch konnte einem zu Tode erschrecken. So eine dünne Zeltwand schützt ja nicht. Im Halbschlaf malten wir uns aus, was alle passieren könnte. Und wenn etwas passieren würde, wo fänden wir Hilfe in völlig fremder Gegend? Jeden Abend stärker sehnten wir uns nach der Geborgenheit eines festen Hauses, der Sicherheit in Vierwänden. Jeden Morgen waren wir wie gerädert. Unausgeschlafen und kein bißchen erfrischt von der Nacht. Nach drei oder vier Tagen haben wir damals aufgegeben, irgendwo, kaum 80 km von zu Hause, sehr, sehr weit vor Holland!

Warum erzähle ich ihnen das? - Weil ich denke, das bringt uns mitten hinein in diese Geschichte, die uns heute über Abraham erzählt wird. Er nämlich lebte auch "in einem Zelt" - und das gleich in doppeltem Sinn! Einmal, weil er Nomade war, weil er halt durch das Land zog und seine Ziegen und Schafe von einer Weide zur anderen führte. Dann aber auch, weil sein Glaube an Gott noch mehr einem Zelt glich und nicht einem festen Haus, auf einem sicheren Grund. Dieses "Zelt des Glaubens" soll uns heute mehr interessieren als das andere, das vielleicht aus Fellen und Häuten gemacht war und alle paar Wochen an einem neuem Ort aufgebaut wurde.

Stellen wir uns doch nur vor, was das hieß: Da hatte Abraham irgendwann, mitten in der Nacht in karger Steppe eine Stimme gehört, die ihm auftrug: "Geh aus deiner Verwandschaft, aus deiner Heimat in ein Land, das ich dir zeigen werde!" Und der Gott, der da sprach, war ihm völlig unbekannt und hatte sich durch kein Zeichen und kein Wunder ausgewiesen. Nur auf ein Wort hin, sollte Abraham gehen. Was das hieß, die Verwandtschaft, die Heimat zu verlassen, das können wir uns vielleicht vorstellen. Jetzt kam also zu dem ohnehin gefährlichen Leben als Nomade, dem unsicheren Wohnen im Zelt aus Fell und Häuten noch etwas hinzu: Abraham sollte nicht einmal mehr in der Gemeinschaft der Leute geborgen sein, die ihm vertraut waren. Und er sollte einem Gott folgen, den er nicht gesehen hatte und nicht kannte. Das machte ihn zu einem Fremden - auch im doppelten Sinn: Er zog in unbekanntes Land unter fremde Menschen, die ihm feindlich gesinnt waren, und er hatte nur das Wort eines ihm noch fremden Gottes als Kompaß. Wenn man das einmal so sieht, dann begreift man kaum noch den Mut und den Gehorsam dieses Mannes!

Wie er diesen Mut aufbrachte, erklärt die heutige Geschichte so: Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Hier werden vom Schreiber des Hebräerbriefs rund 1.500 Jahre in einem kühnen Satz übersprungen: Der feste Grund, das wissen wir, ist Jesus Christus. Seit wir ihn kennen, lebt unser Glaube nicht mehr ungeborgen und unsicher in Zelten. Unser Vertrauen hat jetzt ein Haus. Unser Gehorsam hört nicht mehr nur Gottes Wort, wir können es sehen: Jesus ist das Wort Gottes - zu Fleisch geworden, zum Be-greifen, zum Anfassen, sozusagen.

Ich muß da noch einmal an unser Abenteuer von vor Jahren denken. Wie glücklich, wie befreit von allen Ängsten und bösen Erwartungen wir doch waren, als wir die erste Nacht wieder zu Hause schliefen! Jetzt konnte uns nichts mehr geschehen. Menschen, die wir kannten, waren wieder ganz in der Nähe. Feste Wände um uns. Eine Tür mit Schloß. Alles war wieder sicher und vertraut.

Ich denke, so ist das auch, wenn wir unseren Glauben mit dem des Abraham vergleichen: Sein Glaube lebte - bildlich gesprochen - in Zelten. Unserer hat einen festen Grund und ein richtiges Haus. Damals gab es nur ein Wort. Heute haben wir Jesus Christus, das lebendige Wort Gottes. Welch ein Unterschied:

Hieß es für Abraham noch: Verlasse deine Heimat und geh in ein Land, das ich dir zeigen werde, so heißt es für uns: Du durftest schon aufwachsen in der Geborgenheit des Glaubens. Getauft auf den Namen Jesu bist du, gesegnet und geliebt von ihm. Und nicht ins Unbekannte unterwegs, sondern ins Bekannte, Vertraute: Jesus ist den Weg durchs Leben ja vorausgegangen. Und er geht heute mit dir. Keinen Augenblick bist du allein. Niemals ohne seinen Schutz, du mußt dich nicht fürchten.

Hieß es für Abraham, einem Gott zu folgen, von dem er noch nie gehört hatte, von dem er nichts wußte, so heißt es für uns, auf den zu hören, der uns durch Jesus als unser Vater und Freund vorgestellt wurde.

In den Geschichten Jesu sehen wir Gott als den guten Hirten seinen Schafen nachgehen. Er will nicht, daß er auch nur eines verliert. Er geht ihm nach durch Dick und Dünn, er sucht es in Dornen und Gestrüpp, wie weit es sich auch von der Herde entfernt hat.

Und als der Vater wartet er auf uns, mögen wir auch alles, mit dem er uns einmal begabt hat, durchgebracht haben; er steht schon in der Tür und hat die Arme ausgebreitet und feiert ein Fest mit uns, wenn wir nur kommen. Und als unser Bruder und Erlöser schließlich, nimmt er in Jesus selbst unsere Schulden auf sich, unser Versagen, unsere ganze verkehrte Art...und macht uns frei! Sein Kreuz ist das Plus, das alles Minus unseres Lebens zum Guten aufhebt. Ihn Herr in unserem Leben sein lassen, ist der Weg, der zum Ziel führt.

Und nicht zuletzt: Hieß es für Abraham, in ein irdisches Land hinter dem Horizont seiner Heimat ziehen, so liegt das Land der Verheißung für uns noch hinter dieser Welt! Mehr als eine neue Heimat, gute Weide, frisches Wasser für seine Tiere und ein Auskommen für ihn selbst und seine Lieben war Abraham nicht versprochen. Uns erwartet das Leben selbst, eine neue Welt Gottes, die mit ihrem ewigen Licht alles, was wir hier kennen, in den Schatten stellen wird. Und auch dafür steht uns Jesus ein, mit Kreuz und Auferstehung. Auch hierfür sind wir nicht allein auf ein Wort angewiesen, wir dürfen die Wahrheit dieses Wortes mit eigenen Augen sehen!

Liebe Gemeinde, Abrahams Glaube mußte in Zelten wohnen. Unser Glaube hat einen festen Grund und ein festes Haus. Wer einmal das unsichere Leben in einem Zelt erfahren hat, der weiß ein Haus für seinen Glauben zu schätzen und er wird Gott dafür wohl sehr dankbar sein.

Nun heißt es sogar noch: Abraham "wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat..." Das erinnert mich daran, daß wir ja sogar noch eine Gemeinde haben. Unser Glaube hat also nicht nur ein sicheres Haus, es stehen auch rechts und links viele andere solcher Häuser. So können wir uns gegenseitig stützen, helfen und ermutigen. Wir bilden zusammen eine Stadt aus vielen Häusern mit dem einen festen Grund: Jesus Christus.

Wahrhaftig: Unser Glaube hat von Gott viel mehr Hilfen und ein sicheres Fundament bekommen, als es Abraham hatte. Wir sollten voll Vertrauen, gelassen und fröhlich in unserem Glaubenshaus wohnen können.