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Predigt zum Letzt. So. n. Epiph. - 20.1.2002

Textlesung: 2. Petr. 1, 16 - 21

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.

Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.

Und das sollt ihr vor allem wissen, daß keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Liebe Gemeinde!

Bei diesen Worten könnte man als "einfaches Gemeindeglied", wie man sie ja manchmal nennt, entweder mutlos oder aber bestätigt werden: Wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen, sagt Petrus. Diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, fügt er hinzu. Und schließlich heißt es, daß keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist.

Die Sache Gottes, besonders was die Heilige Schrift angeht und wie man sie verstehen soll, muß also den Profis überlassen bleiben! Es ist die Aufgabe der Prediger und Pfarrer, der Missionare und Evangelisten, das prophetische Wort in diese Zeit hineinzurufen.

Auf der anderen Seite fürchte ich: So hätten es manche auch gern. Denn alles, was mit Jesus Christus zu tun hat und mit dem Glauben an ihn, das überlassen viele ja ohne Zögern und ohne Frage den Fachleuten oder denen, die sie dafür halten. Beispiele gefällig?

An der Geburtstagstafel: "Herr Pfarrer, würden Sie wohl ein Tischgebet sprechen?" Bei der Goldenen Hochzeit: "Haben Sie noch ein Wort Gottes für uns?" Und am Grab: "Darf wohl hernach noch der Prediger ein paar Worte sagen?"

Sie haben es sich gedacht: Ich mag das nicht gelten lassen! Ist das nicht unser aller Glaube, von dem da gesprochen wird? Ist das nicht unser aller Herr, der da bezeugt wird? Sind wir nicht alle durch ihn gerettet? Gilt seine Vergebung nicht jeder und jedem von uns? Hoffen wir nicht alle auf seine ewige Zukunft? Warum sind wir dann nicht auch alle seine Propheten, die von ihm reden und für ihn Zeugnis ablegen? Warum schweigen wir von dem, der unser Heil ist und an den wir doch glauben? -

Wir haben da eine gewisse Scheu: Was wird der Herr Pfarrer sagen, wenn ich von Glaubensdingen rede? Wer bin ich denn, daß ich mir das anmaßen kann? Er ist doch der Fachmann. Er hat das doch studiert. So fühlen viele - stimmt es nicht? Ich glaube, hier liegt auch der Grund, warum in unsere Bibelgesprächskreise nicht mehr Menschen kommen. Und dann, man muß es ja zugeben, es gab auch immer "Profis" und es gibt sie noch, die wollen es gar nicht haben, daß die sogenannten "Laien" bei theologischen Fragen mitreden. Aber umgekehrt ist es auch wieder so: Viele Gemeindeglieder gehen recht gern davon aus, daß der Pfarrer, die Pfarrerin (- alle, die sich in der Bibel besser auskennen) sich gewiß nicht in die Verkündigung hineinfragen oder gar hineinsprechen lassen. Und so ist es schließlich auch bequemer. Man spart sich die eigene Entscheidung für die Sache: Der "Fachmann", die "Fachfrau" in der Auslegung wird es schon richtig machen.

Ich will da einmal persönlich werden: Ich glaube nicht, daß ich und daß biblische Fachleute überhaupt den sogenannten Laien irgend etwas voraushaben, wenn es um den lebendigen Herrn Jesus Christus geht. Man kann ihn nämlich nicht studieren, wie man Theologie studiert. Er offenbart sich auch nicht besonders dem, der viel biblisches Wissen in seinem Kopf anhäuft. Er hat nicht einmal unbedingt eine Beziehung zu Menschen, die sich - wie ich z.B. - in den Dienst der Kirche gestellt haben. Ihn kann man nicht mit seinem Kopf lernen und als eine Wissenschaft mit seinem Verstand aufnehmen. Jesus Christus wird mit dem Herzen erfahren. Ich denke, das ist hier gemeint: "Denn wir sind nicht ausgeklügelte Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen."

Haben wir das nicht alle? Sind wir nicht "seine Augenzeugen geworden", wie es in einer Übersetzung aus unseren Tagen heißt? Fange ich doch einmal bei mir an, aber eben nicht, weil ich Fachmann bin. Aber ich habe ihn gesehen! Nicht als eine Erscheinung, so daß er mir vor meinen leiblichen Augen gestanden hätte. Nein, ich habe ihn gesehen, wie man eine wichtige Aufgabe "sieht" und wie man ein Ziel vor sich "erblickt". So bin ich jetzt Augenzeuge, weil ich ja auch gar nicht anders kann, als von ihm "zeugen", der für mich allein Sinn, Inhalt, Verheißung und Ziel meines und allen Lebens ist. Aber das hat erst einmal wenig damit zu tun, daß ich besonders geschult bin. Und ich sag's noch einmal: Meine biblische (theologische) Vorbildung berechtigt mich überhaupt nicht dazu, in besonderer Weise das "prophetische Wort" von Jesus Christus weiterzusagen, sondern ausschließlich diese Tatsache: Ich habe seine Herrlichkeit gesehen! -

Und jetzt sind sie dran, liebe Gemeinde: Ich sehe vor mir nämlich auch lauter "Augenzeugen"! Sie haben den Herrn auch alle "gesehen". Bei dem einen von ihnen war das erst neulich in dieser schweren Stunde am Krankenbett eines lieben Menschen. Da ging ihnen doch auf, wie hinfällig so ein Leben ist, wie gefährdet, wie kurz auch. Da erkannten sie, wie wohl das doch tut, auf Jesu Auferstehung zu blicken und auch für uns ein ewiges Leben zu erhoffen, weil er es uns verspricht.

Ein anderer hat ihn vielleicht vor Jahren schon "kennengelernt", während einer Predigt möglicherweise oder beim Lesen der Bibel. Etwas hat sie auf einmal angesprochen und überzeugt: Die Art dieses Jesus von Nazareth, wie Menschen bei ihm über sich hinauswachsen, wieviel Güte von ihm ausgeht, was er für die Wahrheit seiner Botschaft auf sich nimmt, wie sehr ihm offenbar an dir und mir liegt, wenn er sogar für uns leidet und stirbt.

Ein dritter schließlich darf schon seit seinen Kindertagen an der Hand dieses Herrn leben. Seit den ersten Gebeten der Mutter am Bett des Kindes, ist da etwas entstanden und mitgewachsen bis heute: Ein Vertrauen zu diesem Jesus, ein Gefühl der Geborgenheit in seiner Nähe, ein Wissen, es kann mir nichts geschehen bei ihm. Auch das gibt es. Auch so werden Menschen seine Augenzeugen - und wir sind es alle! Jeder auf seine Weise und jede mit ihren Erfahrungen.

Und jetzt frage ich dich und mich: Wo ist unser "prophetisches Wort"? Wo reden wir davon, wessen Majestät wir gesehen haben? Wo scheint unser Licht an "dunklen Orten"? Wo helfen wir, daß "der Morgenstern in den Herzen" der Mitmenschen aufgeht? Es gibt z.B. so viele Kinder bei uns, die nie einmal eine Geschichte von Jesus hören, denen keine Mutter je einen kleinen Schubs zum Kindergottesdienst gibt, mit denen keiner ein Abendgebet spricht. Und sie sind wohl getauft!

Und es gibt auch Paten, die einmal versprochen haben, den Kleinen zum Glauben zu helfen, nur sie tun es nicht.
Und dann sind da so viele Jugendliche, die ohne Weg und Ziel durchs Leben gehen. Niemand, der sie einmal anhielte und sie erinnerte: Du bist doch konfirmiert. Du wolltest dich doch einmal zur Gemeinde Jesu Christi halten. Mach' doch wieder mal einen Anfang damit!

Und schließlich gibt es auch so viele Erwachsene... O ja, sie gehören wohl zur Gemeinde aber man merkt nichts davon.

Ich meine, das alles ist auch so, weil wir "Augenzeugen" versagen. Wo sprechen wir diese Menschen denn einmal an: "Du hast doch Fragen zum Glauben; komm' doch einmal mit in den Bibelkreis, da reden wir über diese Dinge." Oder wo können solche Leute an uns eine Lebensweise beobachten, die irgendwie anders ist als die des Durchschnitts? Wo machen wir sie neugierig auf die Mitte unseres Denkens und unseren tragenden Grund: Jesus Christus?

Wirklich: Es gibt viel Bedarf nach dem "prophetischen Wort" und dem prophetischen Dienst. So viele im "christlichen Abendland" haben heute keine blasse Ahnung mehr, wer Jesus Christus ist, was er bedeutet und für sie bedeuten könnte. Wir, die Augenzeugen, enthalten ihnen das Wort und das Zeugnis von diesem Herrn vor. Nein, das ist nicht nur die Aufgabe der Prediger und Pfarrer! Mein Beruf und mein Auftrag zur Verkündigung soll für niemanden ein Alibi sein, das "prophetische Wort" allein mir zuzuweisen. Der "Gelernte" kann das "von Berufs wegen" keinen Deut besser, als jeder andere "Augenzeuge" auch, der in seinem Herzen den Herrn gesehen und erfahren hat. Und die Aufgabe "Licht an die dunkeln Orte" zu bringen, ist mir allein auch zu groß.

Laßt es uns gemeinsam angehen, jeder von seinen Erfahrungen her, jede auf ihre Weise, jeder an seinem Ort. Aber laßt es uns angehen! Es ist unendlich wichtig!