Predigt am 21. Sonntag nach Trinitatis - 5.11.2017

Textlesung: Mt. 10, 34 - 39

Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird's verlieren und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.

Liebe Gemeinde!

Harte Worte. Man fühlt sich nicht gerade eingeladen: Streit, nicht Friede. Wagnis, keine Sicherheit. Verlieren, nicht behalten. Ist das der Jesus, der die Kindlein umarmt und segnet? Ist das der Jesus, der die Außenseiter in seine Gemeinschaft holt? Ist das der Jesus, der für die Armen und Schwachen eintritt? "An mir werden sich die Menschen entzweien..." Sollen wir kopfscheu gemacht werden? Will Jesus uns denn nicht für seine Sache gewinnen? Will er uns wegschicken? Wenn einer - so wie er - um Kunden werben wollte, er hätte keinen Erfolg! -

Jesus wirbt nicht um Kunden. Er will Nachfolger. Was heißt das?

Jesu Botschaft ist Widerspruch von Anfang an! "Friede auf Erden", singen die Engel bei seiner Geburt. "Ich bringe nicht Frieden", sagt er. "Er hat uns versöhnt", schreibt Paulus. "An mir entzweien sich die Leute", sagt Jesus. "Große Freude allen Menschen", tönt's durch die Heilige Nacht. "Schwert, Kreuz und Ärgernis", davon ist hier die Rede.

Wie geht das auf? - Gar nicht! Es ist das Herzstück des Christentums, dass es nicht aufgeht! Wer will, dass es aufgeht, der suche sich einen anderen Glauben. Jesus steht ein für alle Mal quer zu unserem Denken. "Glaubt nur nicht, ich sei gekommen, euer Wunschbild zu sein." Wunschbilder sind Täuschung!

Jesu Zeitgenossen hatten eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie der lang ersehnte Gottesgesandte aussehen sollte: Man erwartete eine Glanzzeit. Er sollte die römische Besatzung aus dem Land jagen, die rechtschaffenen Leute um sich scharen und die Musterfrommen bestätigen: Ihr habt das Vorrecht auf den Himmel! Und dann kam er! Und schon ging der Ärger los. Der da, so schimpfte man, den man in so sauberer Gesellschaft sieht. Der da, der sagt, außen adrett sein, sei nicht so wichtig, wie's drinnen in Herzen stehe, darauf käme es an. Der da, der unsere Grundsätze, Moses heilige Ordnung auf den Kopf stellt. Der da, der uns samaritanische Ausländer zum Vorbild macht und sie barmherzig nennt. Der da, der auf jeder Hochzeit dabei ist und der als Rabbi feste mitfeiert. Der da, der am Sabbat durch die Felder geht und seinen Jüngern erlaubt, Ähren auszuraufen.

Ärger an Jesus - von Anfang an. Ein herausfordernder Mensch. Ehrenwerte Theologen, fromme Leute, fleißige Kirchgänger nennt er Heuchler. Und wenn man ihn zur Rede stellt, dann antwortet er: Zöllner und zweifelhafte Damen kommen vor euch in den Himmel. Ein starkes Stück!

Jesus war ein Mensch, mit dem schwer zu leben war. Er nahm sich die Freiheit, so zu reden, wie er dachte. Er hatte sie von Gott, deshalb fragte er nicht um Erlaubnis. Immer wieder sagt er: Nicht so, sondern anders. Ich bin nicht für Gesunde da, sondern für Kranke. Ich bin gekommen, die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten. - Warum? Will er die Leute ärgern? Nein, die Leute ärgern sich an ihm! "Denen, die nicht recht sind, bin ich recht. Allen, die sich selber recht sind, bin ich nicht recht."

Ist diese Freiheit Jesu nur Ärger? - Vielen war sie große Freude. Die Armen, die Angefochtenen, die gesellschaftlich Unmöglichen, die Geächteten, die auf der Schattenseite des Lebens stehen... Sie verstanden Jesus. Sie haben ihn geliebt. Um ihr Recht, um ihre Zukunft, um ihren Anteil an Glück und Gerechtigkeit..., darum stritt er. Dafür litt er. Das hat ihn den Kopf gekostet. Wo Jesus hinkommt, um Gottes Willen durchzusetzen, da gibt's Streit. Es ist kein Streit um Lehrsätze. Jesus lebte und starb nicht für Lehrsätze. Es ist der Streit um seine Sache. Welche Sache? "Die Mühseligen rufe ich. Die Traurigen tröste ich. Die Armen liebe ich. Den Verlorenen gehe ich nach. Mit Kindern kann ich besser als mit den Gelehrten." Wen wundert's, dass sich die Menschen an ihm entzweien? Das war zu seiner Zeit so - und heute ist's nicht anders. Er hatte mit Menschen zu tun, und die haben sich nicht geändert seit damals. Er ging mit Leuten um, die ihre Grundsätze hochhielten, genau wie wir: "Wer hat, der hat - und die andern sollen sehen, wo sie bleiben. Die Habenichtse sind nichts, können nichts und brauchen nichts. An ihrem Elend sind sie selber schuld. Sie wollen's ja nicht anders. Lohn und Strafe kriegt jeder nach Verdienst!"

Wer hier anders denkt - wie Jesus - und es auch sagt, wird Ärger bekommen! Auch heute. Anders denken heißt: Vorurteile abtun. Das Recht des Schwächeren verteidigen. Dem Machtdenken widersprechen. Der Profitgier die Schranken weisen. - Wenn wir's damit versuchen, werden wir begreifen, warum es heißt: "Die Hausgenossen des Menschen werden seine Feinde sein."

Noch größeren Ärger kriegen wir, wenn's nicht nur beim Denken bleibt: "Was heißet ihr mich, Herr und tut nicht, was ich sage?"

Aber ist es nicht wirklich so: Für unsere Meinung über Jesus kann sich niemand etwas kaufen, Auf unser Verhalten kommt's an. Darauf, ob wir ihm in den Verhältnissen und Entscheidungen heute recht geben. Darin wird er bekannt oder verleugnet. Darin besteht Nachfolge oder Ungehorsam. So kann es aussehen, was uns im Bild gesagt wird: Das Kreuz auf die Schulter nehmen und hinter ihm hergehen.

Dieses Kreuz - das werden wir spüren - ist mehr als das Anhängsel am Halskettchen, mehr auch als die Kruzifixe in unseren Kirchen, die doch alle viel zu schön sind. Das Kreuz, sein Kreuz ist von anderem Holz. Wer sich's auf den Rücken legt, wird's bald merken: Nicht Macht und Herrlichkeit, sondern Schande und Verachtung. Nicht Erfolg und Glück, sondern Mühe und Plage. Nicht Sympathie und Beifall der Leute, sondern Ärger und Streit. - Verständlich, wenn's uns schaudert: Alles - bloß das nicht! Verständlich, wenn wir uns dazu nur schwer entscheiden können, auch wenn wir uns nach dem nennen, der uns das Kreuz vorweggetragen hat.

Diese ernste Sache: "Sein Kreuz tragen", ist ja so oft ins Gefühlige abgerutscht und verniedlicht worden. Mir kommt eine Kalendergeschichte in den Sinn:

Da fragt die fromme Tochter den bösen Vater, ob sie in ihren frommen, christlichen Verein gehen darf. Die brave Tochter wird von ihrem ungläubigen Vater verspottet. Das ist dann "Kreuztragen". Es mag ja sein, dass es auch so etwas einmal gibt. Und Respekt vor der Tochter! Aber das bleibt doch an der Oberfläche. Jesu Kreuz ist nicht wehleidige Selbstbetrachtung, sondern Nachfolge - und - vor allem! - es ist eine lebenslange Sache: Eine Aufgabe, die mich nie mehr loslässt. Die wirklichen Kreuzträger finden den Weg hinter ihrem Herrn her - hin zu den Zu-kurz-Gekommenen, zu denen, über die man lacht und die immer an die Wand gedrückt werden. Wahrhaftig, dort werden wir sein Kreuz kennenlernen.

Liebe Gemeinde, schrecklich düster scheint das alles. Wie soll ein Mensch da noch arbeiten, sich freuen, feiern oder singen können? - Aber ist es wirklich so düster?

Nimm dein Kreuz, geh hinter mir her, heißt das recht verstanden nicht: Vertrau dich mir an, sorg' dich doch nicht. Frag doch nicht immer, was wird mir dafür, was habe ich davon? Gib dich gern dran, so wie ich mich für dich nicht sparte. Sei dir nicht zu gut, dich um die Unmöglichen zu kümmern, so wie ich mir nicht zu gut war, mich an Undankbare und Unwürdige zu verschwenden. Wie viel Freude liegt doch auch darin! Wieviel Sinn und Erfüllung! Wieviel von dem guten, sicheren Wissen, das ist der rechte Weg, hier gehe ich nicht allein, vielmehr an seiner Seite!

Wer sich auf Jesus einlässt, wird Ärger bekommen! Wer ihm nachfolgen will, mache sich auf Einiges gefasst. An Streit und Kreuz führt dann kein Weg vorbei. Aber das andere ist auch wahr: Hinter ihm her gehen, ist der Weg ins Leben!

"Wer meint, sein Leben gesichert zu haben, der wird es verlieren. Wer sein Leben dransetzt, weil er mich liebt, wird es neu finden." AMEN