Predigt zum Sonntag "Judika" - 2.4.2017

Textlesung: 1. Mos. 22, 1 - 13

Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.

Wir müssen das nicht beschönigen: Eigentlich ein schrecklicher Text, eine schlimme Geschichte: Das eigene Kind schlachten... Gut, es kommt am Ende anders, aber schon diese Forderung Gottes: Der einzige Sohn...das Messer war schon gehoben...fast wäre es geschehen! Nein, keine gute Geschichte. Darum will ich auch nicht in ihre Einzelheiten gehen. Aber wir können ihr etwas ablauschen, etwas in ihr entdecken, das ist wie der süße Kern in einer harten Schale und das ist auch das Thema dieses Sonntags - seit alters. Über einen kleinen Umweg wollen wir diesem Thema auf die Spur kommen:

Vor einiger Zeit haben Mitarbeiter in einem Kreis zur Kindergottesdienstvorbereitung zusammengesessen. Sie dachten darüber nach, was sie die Kinder einmal über den Glauben fragen wollten, was sie von Jesus wissen könnten. Einer meinte dann: Das wüssten ja noch nicht einmal die Erwachsenen!

Es ist ja jetzt gleichgültig, was das genau war, was die Erwachsenen angeblich nicht wissen, aber ich bin darüber sehr nachdenklich geworden und frage jetzt mich und Sie: Was wissen wir wirklich über unseren Glauben, über Gott und seinen Sohn Jesus Christus? Was könnten wir als Mitte unseres Glaubens nennen? Wie sehen wir Gott? Welche Bedeutung hat der Herr der Christen für uns - ganz persönlich? Ich bin eigentlich auch überzeugt davon: Wir wüssten sicher nicht allzu viel zu sagen. Zwei oder drei Sätze vielleicht; wüsste jemand mehr? -

Ich bin dabei dann aber nicht stehengeblieben. Ich habe mich weiter gefragt, ob das eigentlich entscheidend ist, dass wir so viel wissen und über Gott und unseren Glauben hersagen können. Vielleicht reicht es ja schon, wenn wir nur ganz wenig wissen und nennen können, vielleicht kommt es ja auf etwas ganz anderes an?

Vielleicht kann sich das jeder von uns jetzt einmal fragen: Was wäre denn meine Antwort, wenn man mich fragte, was mir an meinem Glauben wichtig ist? Noch besser ist die Frage vielleicht so gestellt: Wenn ich es in einem Wort oder Satz sagen sollte, was meinen Glauben an Gott ausmacht, was würde ich sagen?

Orgelmusik: Liedstrophe

Noch einmal: Was macht meinen Glauben an Gott aus? Ich habe mich dieser Frage auch gestellt. Was weiß ich von Gott, meinem Glauben und wie könnte ich das in einem Wort oder Satz ausdrücken?

Ich bin zuerst in ganz andere Lebensbereiche geraten mit meinen Gedanken: Was weiß ich eigentlich von den Menschen, mit denen ich lebe? Welche Bedeutung haben die Sachen, der materielle Besitz für mich? Und: Was nimmt eigentlich den größten Raum ein in meinem Leben? Mir hat das geholfen, dann auch die Frage nach dem Glauben und nach Gott zu beantworten. Vielleicht wollen Sie meine Gedanken einmal einen Augenblick mitgehen?

Die Menschen sind mir doch sehr wichtig, nicht nur die liebsten Menschen, nicht nur meine Familie. Es ist interessant mit ihnen zu sprechen und zu leben. Ich beziehe von Menschen immer wieder das Gefühl, wichtig zu sein, unverwechselbar, dass ich gebraucht werde und man es gerne mit mir zu tun hat. Sicher geht Ihnen das nicht anders. Aber es gibt da noch eine Erfahrung, die ich gemacht habe: 100-prozentig sicher kann ich bei keinem Menschen sein, dass er mich versteht, dass er mich immer liebt, dass er mich nie im Stich lässt, dass er auf allen meinen Wegen mit mir geht.

Wir denken jetzt vielleicht an unseren Ehepartner oder unseren besten Freund. Können wir uns auf die nicht verlassen? Werden die nicht alle meine Entwicklungen mit mir machen? Werden die mich nicht begleiten durch dick und dünn? Doch ja! Hoffentlich! Aber mir geht da noch etwas anderes im Kopf herum: Wir wissen ja nicht, wie lange wir beisammen sein dürfen. Wird mein Ehegefährte nicht vielleicht vor mir sterben müssen. Überhaupt: Der Tod... Welcher Mensch wird mich denn da hinübergeleiten können? Ich persönlich kann mir, wenn ich ganz ehrlich bin, auch noch andere Lebensumstände vorstellen, wo Menschen unsere Hand loslassen werden!

Ja, und dann der Besitz, all die Sachen, die mich umgeben, meine Habe. Vieles davon besitze ich gern. Es würde mir schwerfallen, es herzugeben. Einiges könnte ich sofort aufgeben, und da sind selbst Dinge darunter, die zum ganz normalen Lebensstandard gehören. Aber etwas ist mir beim Nachdenken wieder einmal deutlich geworden: Wir werden alles hier zurücklassen, wenn wir am Ende unserer Zeit angekommen sind. Das letzte Hemd hat keine Taschen - eine Binsenwahrheit - wer denkt noch daran? Und noch etwas: Ganz gewiss wird mir der nötige Abschied von dieser Welt umso leichter fallen, je weniger ich in dieser Welt angehäuft habe, was mich dann halten will!

Ja, und was beansprucht in meinem Leben den größten Raum? - Hier habe ich - mit meinem Beruf (meinem Lektoren-/Prädikantenamt) - sicher ganz andere Möglichkeiten als die meisten von Ihnen. Wenn ich zum Beispiel einen Gottesdienst vorbereite, kann ich mich stundenlang - innerhalb meiner Arbeit! - mit der Sache Gottes beschäftigen. Wie sollen Sie das machen, in ihrem Büro, in der Werkhalle, beim Arbeiten in Ihrem Haushalt?

Aber wir müssen nicht nur "zeitlich" denken. Welches Gewicht hat unsere Beziehung mit Gott in unserem Alltag? Wann ist Gott bei uns "dran"? Welche Rolle spielen sein Wort, seine Gebote, sein Wille? Ist er überhaupt ein Gott, der unseren Alltag bestimmt - oder nur den Sonntag und das auch noch nur hie und da? Wie halten wir's etwa mit dem Gebet, dem vertrauten Gespräch mit ihm? Gerade das Beten ist ja eine wunderbare Möglichkeit immer und überall mit Gott und aus seinem Willen zu leben! Pflegen wir diesen vertrauten Umgang?

Wie gesagt: Mir haben diese drei Gedankenausflüge geholfen, zur Kernfrage vorzustoßen: Was macht meinen Glauben zu Gott eigentlich im Innersten aus? Für mich weiß ich es jetzt: Das Vertrauen. Vertrauen heißt der Begriff, auf den ich meine Beziehung zum Vater im Himmel bringen kann. Und ich glaube, dass ist auch die Mitte der "schrecklichen Geschichte" von Abraham und Isaak, wenn wir genau hinhören, und das gleich in doppelter Weise:

Einmal Abraham: Er hat Vertrauen, dass sein Gott nicht das Opfer des Sohnes von ihm verlangte, wenn es nicht sein müsste. Für uns ist das vielleicht schwer zu begreifen, aber Abraham kann auch noch da vertrauen, wo uns Gott ganz dunkel und rätselhaft ist.

Und dann Isaak: Der Vater hat schon alle Vorbereitungen getroffen, die Hand ist schon ausgereckt, das Messer blitzt über seinem Kopf, da kann er noch fragen: Wo ist das Schaf zum Brandopfer? Welches kindliche Vertrauen! Mein Vater wird mir nichts Böses tun! Wenn auch alles dagegen spricht, was ich sehe und erfahre, mein Vater tut mir nichts zuleide! Und "Vertrauen" ist auch die Mitte meines persönlichen Glaubens, und ich wünschte mir, dass Vertrauen zum "Vater" noch immer mehr und mehr mein Leben und Denken, mein Hoffen und Handeln bestimmt.

Und gerade vor den drei Fragen, denen ich vorhin nachgegangen bin, wird mir dieser Kern meines Glaubens so ganz deutlich: Wenn ich an die Menschen denke... Sie können mich verlassen. Sie werden auf dem letzten Weg am Ende nicht mit mir gehen. Mein "Vater" wird auch da meine Hand nicht loslassen, nein, er wird sie festhalten, wenn die Tür aufgeht...bis ich drüben bin! Und wenn ich ihm im Tod vertrauen kann, dann kann ich das doch noch viel mehr in Zeiten des Leids, in Trauer, in Krankheit und Not! Ja, ich kann mir keine Lebensstrecke vorstellen, auf der mein "Vater" mich nicht begleitet, mich, sein Kind.

Und wenn ich an meine Habe denke... Steht sie meinem Vertrauen zu Gott nicht meist mehr im Wege, als dass sie ihm nützt? Gewiss, sie kann mir auch sagen: Das alles schenkt dir dein Vater. Schau, wie er dich erhält, speist, kleidet, behütet und mit Gaben erfreut. Aber wir haben ja meist viel zu viel! Dann schlägt alles um. Aus Gottvertrauen wird Gier! Aus Dankbarkeit wird Stolz! Aus Freude an den Geschenken Gottes wird Hochmut über die eigene Leistung. Ich möchte so gern das Maß finden im Behalten und Teilen, im Haben und Herschenken, das mein Vertrauen zum Vater nicht zerstört, sondern fördert!

Schließlich denke ich noch an den Raum, den Gottes Sache bei mir einnimmt: Wie kurz ist doch das Leben. Wie viel Zeit müssen wir schon für den Schlaf opfern, für oft sinnentleerte Arbeit, für all die notwendigen Verrichtungen des Alltags. Wie hält das unser Herz und unsere Seele gefangen. Wie viele Stunden des Tages müssen wir ohne Freude, ohne Fülle und ohne Tiefe verbringen. Wie gut könnte es sein, wenn "Vertrauen" so etwas wie der Grundton unseres täglichen Lebens würde. Das Wissen: Ich habe einen Vater im Himmel... Das könnte sein wie die Hand, die sich auf meine Schulter legt, wie die Stimme, die mir zuruft: Vergiss nicht..., wie die Zauberformel, mit der Sinn in mein Leben kommt, was ich auch tue, wo ich auch gerade bin! Und das Gebet, das vertrauensvolle Sprechen mit dem Vater, das ist mir ja doch immer und überall möglich!

Doch: Die Mitte meines Glaubens ist das "Vertrauen". Eigentlich ist das auch genug, wenn ich das weiß. Damit weiß ich ja, dass ich einen "Vater" habe und dass ich sein "Kind" bin.

Braucht es mehr zum Glauben? AMEN