Predigt am Sonntag "Reminiszere" - 12.3.2017

Liebe Gemeinde!
So ganz ist das ja immer noch nicht vorbei im vereinigten Europa. Und einige Europäische Staaten haben sie schon wieder eingeführt oder möchten sie am liebsten wieder einführen: Ich meine die Grenzkontrollen. Aber auch in Deutschland können sich die Älteren unter uns noch gut daran erinnern. Wie war das denn damals?

Stellen sie sich vor, sie halten den Wagen vor dem Schlagbaum einer Grenze zum Nachbarland. Ein Beamter legt grüßend den Finger an die Mütze und verlangt: "Ihre Papiere, bitte!" Sie reichen den Ausweis heraus. Der Uniformierte verschwindet damit im Dienstgebäude. Er kommt lange Zeit nicht wieder. Wie fühlen sie sich während sie warten? - Ja, wenn nun noch ein zweiter Beamter käme und forderte: "Ihren Pass!" Sie hätten nichts mehr in der Hand! Wenn sie dem Grenzer dann sagten: "Ich bin doch der Fritz Meier, die Marie Müller aus ............" können sie sich den Blick des Beamten vorstellen, der sie dann träfe? Ohne Ausweis an der Grenze! Sie wären ein Nichts! Kein Mensch mehr. Ihre Persönlichkeit würde nicht mehr gelten, alles was sie sind, können und haben, sie könnten es vergessen. Das Entscheidende fehlt: Das Papier zum Vorzeigen! Dort allein nämlich steht drin, wer sie sind, ob man ihnen glauben darf, ob sie vertrauenswürdig sind. Können sie sich vorstellen, wie sie aufatmen würden, wenn der Beamte nun endlich mit ihrem Ausweis zurückkehrte? Sie sind wieder wer. Da steht's ja, schwarz auf weiß, mit Bild und Stempel. Sie wären wieder der Fritz Meier, die Marie Müller. Sie hätten wieder einen Namen, eine Herkunft und eine Persönlichkeit. Die Selbstsicherheit käme zurück. Wie gut, dass man seinen Ausweis wieder hat. Man braucht etwas zum Vorzeigen - nicht nur an der Grenze!

Die "Ausweispflicht" gibt es überall. - Da bewirbt sich das junge Mädchen um eine Lehrstelle: "Ihre Zeugnisse, bitte!" Und heute sogar noch: "Bitte kommen sie am soundsovielten zur Prüfung, wir müssen sehen, ob sie geeignet sind; sie verstehen, nur eine Stelle und 15 Bewerberinnen!"

Du musst zeigen, was in dir steckt! Beweise, dass du etwas kannst. Du selbst bist uninteressant. Was du auf den Prüfungsbogen unter deinem Namen zu Papier bringst, das zählt. Davon hängt alles ab - bis der nächste fragt: "Darf ich ihren Ausweis sehen?"

Und das geschieht wieder und wieder, jeden Tag! Und das hört sich etwa so an: Ist dein Vorgarten in Ordnung, denn sonst hält man dich für einen Faulpelz. Sind die Fenster geputzt und die Gasse gekehrt, denn sonst giltst du als unsauber und unordentlich. Hat dein Wagen die richtige Größe, denn sonst hast du im Beruf versagt. Setzen Sie doch für sich die Beispiele fort. Immer werden wir danach beurteilt, was wir vor aller Welt zeigen und vorzeigen können. Und wir beurteilen andere selbst genauso! Warten Sie bitte, bevor sie innerlich protestieren: Wie würden Sie denn über den Nachbarn denken, der seit über einem Jahr arbeitslos ist und sich doch ein Auto der Oberklasse anschafft? Was würden Sie von der Frau halten, deren Garten ganz wüst ins Kraut schießt, weil die kleinen Kinder sie ganz und gar fordern? - Was meinen Sie?: "Ja, wenn man das doch wüsste! Das könnte man doch verstehen!" - Aber, man weiß es eben nicht und man will auch gar nicht wissen! Was einer nach außen zeigt, macht unser Urteil! "Die Papiere, bitte!"

Ich möchte ihnen ein paar Verse vorlesen, die sind uns heute für die Predigt vorgeschlagen:

Textlesung: Mt. 12, 38 - 42

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

"Ausweispflicht" auch für Jesus? Deinen Ausweis, bitte! Zeig' uns, wer du bist, was du kannst! Tu ein Zeichen, dass wir dir glauben können! Aber, was macht er? "Ich gebe euch meinen Ausweis nicht!" Euch geschieht kein Zeichen, außer dem des Jona.

Da ist er, der Mann, der seine Papiere verweigert!: "Was ich bin, steht in keinem Pass! Ob ihr mir glauben dürft, erfahrt ihr aus keinem Ausweis!" Der Protest eines Menschen, der sich nicht festlegen lässt auf das, was er vorzeigen kann.

Was setzt er dagegen? Das Zeichen des Jona: Ich werde für euch sterben. Ich werde begraben werden. Ich werde nach drei Tagen wieder auferstehen. Das ist mein Weg. Das ist mein Auftrag. Das ist, was mein Vater mit mir vorhat. Etwas anderes werde ich euch nicht bieten. Kein Wunder zum Staunen. Kein Zeichen zum Glauben. Was wäre das auch für ein Glaube, der sehen muss, was ich vermag? Könnt ihr denn die Liebe sehen, die Gott für euch hegt? Und doch liebt er euch! Und doch will er durch meinen Tod eure Herzen gewinnen. Nein, keine Papiere für euch! Liebe kann sich nicht ausweisen und muss es auch nicht.

Was fangen wir damit an? Sollen wir, wenn sie von uns verlangen, zeig', was du kannst, sollen wir dann sagen: "Meine Zeugnisse gebe ich euch nicht! Ich bin nicht meine Zensuren. Meine Persönlichkeit ist mehr als meine Noten"?

Zumindest kann uns das Mut machen! Jesus bestärkt uns darin, dass wir einen Wert haben, für den wir nicht ständig Beweis ablegen müssen. Unser Ausweis heißt: "Bei Gott geliebt!" und drunter steht: "Gott weiß, wer das ist!" und unter "besondere Kennzeichen" lesen wir: "Für ihn, für sie ist Christus gestorben!" Eigentlich genug für uns.

Von daher könnten wir nun allerdings auch das ewige Herausstellen, wer wir sind, endlich sein lassen. Mancher aber läuft ja sozusagen freiwillig ständig mit aufgeklapptem Pass umher - und keiner hat ihn ums Vorzeigen gebeten: Was hab' ich nicht alles! Was kann ich mir nicht alles leisten! Was bin ich nicht für eine Frau, für ein toller Kerl! Ich denke dazu immer, wie muss das den Vater Jesu Christi kränken, wenn wir den "Ausweis" seiner Liebe so verachten. Denn wie vergänglich ist das doch, was wir vorzeigen können und wie beständig und verlässlich dagegen die Liebe Gottes! Wir sehen's ja am Zeichen des Jona: Gott lässt alle, die er liebt, nicht im Bauch der Erde - er holt sie heraus und trägt sie durch den Tod ins Leben!

"Ein böses und abtrünniges Geschlecht begehrt ein Zeichen..." Das möchte uns deutlich machen, auch unser Mitmensch hat es jetzt nicht mehr nötig, sich bei uns ständig auszuweisen. Auch er ist Gottes Kind; auch er ist von ihm geliebt, auch für ihn hat Christus das Kreuz, das Leiden und den Tod auf sich genommen. - Wie geht es uns mit diesen Gedanken?

Man kann sich das anhören - und wieder vergessen, und man kann das ernst nehmen: Urteile nicht nach dem Augenschein, denn der trügt! Was weißt du, was sich hinter schlechten Papieren für ein Mensch verbirgt! Wie sollst du ihn denn kennenlernen, wenn dich schon seine "schlechten Noten!" abstoßen? Auf der anderen Seite, wie befreiend muss das auf unseren Mitmenschen wirken, wenn er einmal an uns diese Erfahrung macht: Hier fragt endlich einer nicht nach meinem Pass, sondern nach mir! Dieser "Eine" kannst du sein!

Und auch das muss man sehen: Wie oft hat uns doch schon jemand mit seinen "Papieren" getäuscht. Da war alles in Ordnung, beste Zeugnisse, äußerlich alles fein und Vertrauen erweckend. Bis man dahinterkam, war's zu spät: Ein Blender, ein Ausweisschwindler sozusagen. Die Stempel waren nicht echt, die Unterschriften gefälscht. Die menschlichen Qualitäten hielten nicht, was das Äußere versprach.

"Ein Zeichen wird euch nicht gegeben!" Was wir von dem halten, der das gesagt hat, ist auf unser Vertrauen und unseren Glauben gestellt. Er weist sich uns nicht aus. Er belegt uns nicht seine Herkunft durch machtvolle Taten. Er will nicht unsere Anerkennung durch Zeichen und Wundern. Er möchte nicht den Glanz in unseren Augen - er will unser Herz! Keine Ausweispflicht für Jesus - und für uns auch nicht! Wie finden wir zu einer Beziehung zu ihm und untereinander, in der wir nicht mehr gegenseitig unsere Papiere verlangen?

Beginnen wir bei uns selbst: Wir möchten doch, ja, wir sehnen uns danach, dass wir Menschen finden, die uns vertrauen - ohne dass wir Sicherheiten bieten. Denn man kann uns doch vertrauen! Und es macht uns krank, uns immer nur beweisen zu müssen, unseren Wert zu bestätigen, unsere Qualitäten vorzuführen. Wenn sie uns doch einmal annähmen, ohne immer unseren Ausweis sehen zu wollen!

Und denken wir auch an die anderen Menschen: Nageln wir sie nicht immer fest auf das, was sie bringen und was wir von ihnen fordern. Schauen wir einmal durch den äußeren Schein hindurch. Blicken wir hinter die Maske. Wir werden ein Gesicht sehen, in dem die gleiche Sehnsucht geschrieben steht, wie in unserem eigenen. Diese Sehnsucht heißt: Schau doch, wer ich bin, nicht, was ich habe, kann und leiste. Ich möchte mich nicht immer und immer ausweisen müssen. Du darfst mir glauben, mir vertrauen.

Von dorther begreifen wir nun auch Jesus. "Meinen Pass kriegt ihr nicht. Ein Zeichen wird euch nicht gegeben!" Er möchte ein neues Denken und ein neues Verhalten bei uns anstoßen: Bedingungslosen Glauben, vorbehaltloses Vertrauen zu Gott und den Menschen.

Keine Ausweispflicht für Jesus! Und für uns untereinander auch nicht. Unser Ausweis heißt: "Bei Gott geliebt!" und drunter steht: "Gott weiß, wer das ist!" und unter "besondere Kennzeichen" lesen wir: "Für ihn, für sie ist Christus gestorben!" Das ist genug! AMEN