Predigt am Sonntag "Invokavit" - 5.3.2017

Textlesung: 1. Mose 3, 1 - 19

Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich, so dass ich aß. Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein. Und zum Manne sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen -, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Und Adam nannte sein Weib Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben. Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.


Liebe Gemeinde!

Um "Versuchung" geht es an diesem Sonntag. Das ist sein Thema. Ganz konkret - heute: Die Sache mit Adam und Eva, die von der verbotenen Frucht essen. Sie müssen das Paradies verlassen. Für die Erkenntnis von Gut und Böse haben sie ein schönes Leben in der Nähe Gottes verspielt. Seitdem gibt es kein Zurück mehr. Wir leben jenseits von Eden, fern von Gott, ja, es scheint, die Menschen bewegen sich noch immer weiter weg vom Paradies und dem Herrn des Gartens.

Was könnte wohl Versuchung für uns bedeuten? Das ist ja wirklich eine Frage, was "die Schlange" uns heute denn einflüstern könnte - jenseits von Eden. Den vertrauten Umgang mit unserem Gott haben viele Menschen schon lang verloren. Manche Zeitgenossen wissen überhaupt nichts mehr von ihm und wollen nichts von ihm wissen. Man muss das doch einmal ganz nüchtern sehen: Sie haben sich mehr oder weniger bewusst damit arrangiert oder abgefunden, dass diese Welt und ihre paar Jahre in ihr das ganze Leben ist. Und sie würden so sprechen: "Da gibt es nichts anderes, weder oben noch unten, weder vorher noch nachher." Was soll für solche Menschen eine "Versuchung" sein, also eine Verlockung, etwas zu tun, was Gott ihnen untersagt hat? Wenn sie doch diesen Gott nicht kennen und schon gar nicht an-erkennen.

Sie denken jetzt vielleicht: Könnten wir jetzt nicht eine Predigt hören, in der es um "Versuchung" für uns geht, also uns hier, heute in der Kirche. Wir sind doch Menschen, die noch eine Beziehung zu Gott haben! Warum sollten wir denn nach denen fragen, die doch ganz zufrieden sind mit ihrem bisschen Leben - jenseits von Eden, fern von Gott?

Nun, das will ich jetzt tun, sprechen wir über unsere Versuchungen: Ich halte es für eine Versuchung für uns, dass wir so denken! Ich glaube, die alte Schlange will uns das tagtäglich eingeben, dass wir andere Menschen abschreiben, ausgrenzen und zu uns sprechen: Die sind es nicht wert, dass wir uns um sie bekümmern, die werden wir eh nicht gewinnen, die sind nun mal gottlos!

Ich will dabei nur an ein Wort Jesu erinnern (- ich wüsste viele ähnliche Worte!): "Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle..." (Mt. 28,19) Alle! Keiner, nicht ein einziger ist offenbar bei Gott abgeschrieben! Keiner, bei dem wir darum mit Recht so sprechen: Es hat keinen Wert, dass wir uns um ihn bemühen.

Und doch mühen wir uns nicht! Die Versuchung ist groß, und wie oft sind wir ihr schon erlegen! Aber sehen wir das ganz deutlich: Jeden Menschen, von dem wir behaupten, bei dem ist nichts zu machen, der hat keinen Glauben und wird keinen kriegen... Jeden solchen Menschen geben wir auf! Wir lassen ihn hängen - jenseits von Eden.

Es bleibt nun allerdings diese Schwierigkeit: Wie hilft man den Menschen unserer Tage in die Nähe Gottes, die sie doch gar nicht suchen und von der sie nicht glauben, dass es sie gibt? Im Bild gesprochen: Wie soll denn einer hören können, wenn ich ihm zurufe: Komm mit nach Eden? - wenn er gar nicht weiß, was das ist und was es ihm bietet? -

Ich glaube, da müssen wir über eine zweite Versuchung sprechen, die uns betrifft: "Das satte, behäbige Ausruhen auf dem Glauben." Ich will einmal ganz hart reden - jetzt - und ich meine ganz ausdrücklich auch mich selbst damit: Unser Glaube strahlt einfach nicht genug! Er ist so zurückhaltend, so ohne Kraft und Saft, so versteckt, ja, manchmal fast ängstlich verborgen. Und er ist ganz schlicht: faul.

Mich überfällt immer wieder neu fast die Verzweiflung, wenn ich gegenüberstelle: Auf der einen Seite leben die lieben Christen – hier bei uns zum Beispiel! – gesichert, behaust, wohlgenährt, viele im Luxus, alle aber doch zumindest frei von materieller Not...und ich glaube, nein, ich weiß, dass sie das Gott verdanken, und ich weiß auch, dass sie im Elend vergehen und verderben würden, wenn er seine Hand von ihnen abzieht. (Und sie geben ja oft genug auch vor, sie wüssten das selbst.) Und doch steht auf der anderen Seite eine Trägheit, ein schier unglaubliches Desinteresse an Gottes Wort, an seinem Willen, an seinen Geboten und nicht zuletzt auch an seinen An-geboten. Denn es ist Gottes Dienst an uns, den er uns z.B. sonntags tun will, und wir geben ihm die Ehre, wenn wir kommen - oder wir verachten ihn. (Und wer kann denn eigentlich wirklich seinen eigenen fadenscheinigen Gründen trauen, warum er nichts, aber auch gar nichts an unserem Gemeindeleben wahrnimmt? Wer glaubt denn seinen eigenen läppischen Erklärungen, warum er jahrein, jahraus, Sonntag für Sonntag "leider" verhindert ist?)

Wirklich: Unser Christentum leuchtet nicht. Es bietet so wenig für das Auge und die Ohren unserer Mitmenschen - jenseits von Eden. Ich will's so sagen: Es macht sie einfach nicht neugierig auf das, was wir haben und was sie nicht haben. -

Denken wir doch einmal - und jetzt will ich das positiv sagen - diese Kirche wäre Sonntag für Sonntag voll bis auf den letzten Platz. (Denken darf man das doch wohl!) Dann würden sich immer noch nur ….. Prozent der eingeschriebenen Christen unserer Gemeinde hier versammeln! - Wäre das so undenkbar? Einmal in der Woche...für eine Stunde!? Aber stellen wir uns vor, wie das auf die Randsiedler des Glaubens und auf seine Verächter wirken würde: Man würde den Mund aufsperren - jenseits von Eden und würde sich fragen: Was ist das doch für eine Sache, die so viele Menschen anzieht, begeistert und bewegt. Und man würde uns fragen: "Erzähle mir von dieser Sache, rede mir von deinem Glauben!" Aber so...

Und ich könnte hier noch das Beispiel von der Fastenaktion "Sieben Wochen ohne..." anführen, die unsere Kirche auch in diesem Jahr wieder ausgeschrieben hat. Die Erfahrungen damit sind: Der Gedanke des Verzichts lässt sich in unseren Tagen immer schwerer in die Köpfe und Herzen der lieben Christen bringen. Nicht nur bei uns, auch anderswo ist das so. Verzicht, Fasten, sich etwas auferlegen, das macht heute kaum noch jemand. Und man hört auch hier und da, warum: "Ach, das ist doch eine arg lange Zeit bis Ostern!" - "Ich schaffe das ja doch nicht!" - "Was soll das eigentlich bringen?"

Aber auch dazu ein positiver Ausblick: Wenn in diesem Jahr vielleicht einmal doppelt so viele mitgemacht hätten wie im letzten, oder - eine ganz verstiegene Vorstellung! - wenn es aus jeder Familie – z.B. unserer Gemeinde einer wäre... Dann würde in jedem Haus ein Nachdenken beginnen, ob es nicht gut sein könnte, einmal freiwillig auf das eine oder andere zu verzichten? Dann würde die gute Erfahrung weitergegeben, die das schenkt. Dann würde man auch glauben können, dass es den Menschen ernst ist, die immer sagen: "Es geht uns heute ja viel zu gut!" Dann würde die Erinnerung an frühere Notzeiten, in denen wir ärmer - aber auch glücklicher! - waren, heute fruchtbar werden. Und was mir heute das wichtigste ist: Da würden die Menschen - jenseits von Eden - aber aufschauen und aufhorchen: "Welche Kraft ist doch unter diesen Christen! Welcher Wille, ihrem Herrn nachzufolgen! Welche Bereitschaft zum Verzicht!" Aber so...

Und noch eine dritte Versuchung fällt mir jetzt ein - auch eine, die uns die Schlange einflüstert: "Die anderen sind doch auch nicht besser", heißt sie. Oder: "Warum gerade ich?" Und sogar: "Da gibt es aber soundso viele, die sind viel schlimmer als ich!" - Vielleicht ist das sogar die größte Versuchung in unserer Zeit! Immer wieder, wenn wir nach unserem Christentum gefragt werden, zeigen wir doch auf die anderen, vergleichen wir und machen die anderen schlechter - und uns besser, als wir sind. Mir kommt da unser Herr in den Sinn, und ich frage mich - am Beginn der Passionszeit - wenn er nun so gedacht hätte?: "Warum gerade ich? Was soll ich für diese verlorenen Menschen mein Leben geben? Warum sollte ich für diese leiden, mich ans Kreuz schlagen lassen? Warum sollte ich ihre Erlösung vollbringen?" Wenn er so gesprochen hätte? - Und ich denke – wenn wir so sprechen – auch hier wieder, wie das wohl auf die Menschen wirkt, die keinen Glauben haben - jenseits von Eden?

Aber auch hier will ich positiv reden. Stellen Sie sich vor, wenn sie dagegen an uns merkten: Der oder die ist persönlich ansprechbar auf seine Sache mit Gott. Er oder sie verweisen nicht auf andere, sondern geben selbst Auskunft, bekennen, bezeugen, was ihnen ganz persönlich wichtig ist. Welches Staunen könnten wir auslösen! Aber so ...

Liebe Gemeinde, es sind ganz andere Versuchungen, die Menschen, die in Gottes Nähe leben, verlocken können und denen sie leider auch folgen, und wieder andere gelten jenseits von Eden. Wir, die in Gottes Nähe leben dürfen, sollten und müssten erst mit dafür sorgen, dass die Menschen wieder in Verbindung mit Gott kommen. Wir – ganz persönlich – können dazu helfen. Und ich nenne alles "Versuchungen", was uns davon abhält. AMEN