Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis

Textlesung: Eph. 2, 17 - 22

Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Liebe Gemeinde,
was sollen wir mit diesen Versen anfangen? Das sind doch völlig überholte Probleme, die Paulus da anspricht. Das hat doch mit uns nichts zu tun! Zu seiner Zeit - vor bald 2000 Jahren - gab es solche, die Heiden waren, bevor sie Christen wurden – das sind die, die "fern waren" - und solche, die der jüdischen Religion angehörten - "also die, die nahe waren" - und dann zum Glauben an Jesus Christus fanden und sich taufen ließen. Heidenchristen und Judenchristen also, aber beide getauft und beide gläubig an den einen Herrn!

Nun scheinen jene, die vorher Juden gewesen waren, mit Fingern auf die anderen gezeigt und sie wie Christen zweiter Klasse behandelt zu haben: "Die sind doch früher Götzen nachgelaufen! Die haben doch einmal die römischen Götter angebetet! Wir dagegen sind schon immer Leute des wahren Gottes gewesen! Wir werden uns doch mit diesen Heidenchristen nicht gemein machen und uns gar mit diesen an den Tisch des Herrn setzen und das Abendmahl feiern! Die mögen für sich bleiben, wir bleiben auch für uns!"

Aber noch einmal: Was sollen wir mit diesen Versen anfangen. Sie sind doch überholt, nicht unsere Probleme, haben mit uns nichts zu tun!

Das ist gar nicht so lange her, da hat bei einer Pfarrerin eine Frau angerufen. In der Karwoche ist das gewesen. Die Frau war sehr aufgeregt: Sie hätte ihre Nachbarin gefragt, warum sie denn nicht auch einmal mit zum Abendmahl ihrer Gemeinde ginge. Sie wäre doch auch Mitglied in der Kirche, auch wenn sie außerdem zu einer anderen religiösen Gemeinschaft gehöre. "Wir haben unser eigenes Abendmahl", wäre die Antwort gewesen. Und dann hätte die Nachbarin noch gesagt: "Ich stelle mich doch nicht mit denen aus eurer Kirche an denselben Abendmahlstisch!"

In einer anderen Gemeinde gab es neulich folgendes Gespräch zwischen dem Pfarrer und einem Gemeindeglied: "Herr Pfarrer, den Wilhelm, den haben Sie vor Tagen viel zu schön beerdigt!" – "Zu schön, wie meinen sie das?" – "Na, zu gut halt. Sie haben ja getan, als wäre der Wilhelm wer weiß was für ein Christ gewesen!" Darauf der Pfarrer: "Ich habe nicht mehr und nicht weniger über ihn gesagt, als bei anderen auch." – "Das stimmt schon, aber der Wilhelm war doch seit 1943 aus der Kirche ausgetreten." – "Vor 20 Jahren ist er doch wieder eingetreten." – "Das stimmt. Aber da war er doch schon lang in Rente." – "Hätte ich sagen sollen, dass er viele Jahre ausgetreten war? Ist es das?" – "Nicht so direkt, aber unsereiner war immer dabei, nie ausgetreten und so... Am Ende aber ist das ganz egal. Das ist doch nicht richtig!"

Hier sind noch ein paar Gedanken, die sich ein Pfarrer vor einiger Zeit in einem Pfarrerblatt gemacht hat: "20 Jahren predige ich jetzt in meiner Gemeinde. Der einzige - dafür aber sehr heftige Widerspruch von einigen Gemeindegliedern - den ich je auf eine Predigt hin erfahren habe, war die Antwort auf eine Betrachtung über die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben. Immerhin das Herzstück unserer evangelisch-lutherischen Konfession! Ich habe nachgesehen: In der Predigt damals hieß es: In Glaubensdingen hört alles Rechnen auf. Es hat einer, der schon seit Kindertagen zu Jesus gehört, dem nichts voraus, der sich auf dem Sterbebett bekehrt. Wenn du aus deinem Herzen heraus sprichst: Christus ist mein Herr!, dann bist du durch den Tod hindurch zum Leben gelangt. Die Proteste hinterher waren einigermaßen scharf! So könnte man das doch nicht sagen. Die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg, die meine Predigt zur Grundlage hatte, wäre auch sicher so nicht gemeint! Gewiss wären alle Menschen im Glauben gleich - so gleich allerdings, dass es gar keinen Unterschied zwischen denen gäbe, die schon immer dabei waren und denen, die erst ganz am Ende - und durch die Angst vor dem Tod! - zum Glauben kommen, so gleich wären sie aber denn doch nicht!"

Liebe Gemeinde!
Christus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
"Völlig überholte Probleme, die Paulus da anspricht? Das hat doch mit uns nichts zu tun?" - Wir müssen es erkennen: Es geht bei uns vielleicht nicht um Heiden- und Judenchristen. Aber es geht doch nur zu oft darum, wer richtig, wer besser und wer wie lange oder erst wie kurz Christ und Christin ist!

Was machen wir jetzt damit? - Bevor wir uns nun als Einzelne einordnen, wie sehr oder wie wenig wir doch in solches Denken verstrickt sind...wie gern wir uns mit unserer Christlichkeit abgrenzen von anderen oder dass wir so etwas doch nie tun würden. Nehmen wir wahr: Etwas von diesem Denken ist in uns allen! Gewiss: Beim einen mehr, beim anderen weniger. Am deutlichsten sehen wir das vielleicht bei meinem dritten Beispiel: O ja, das stört uns schon, wenn behauptet wird, der schlechte Mensch, der sich kurz vor seinem letzten Atemzug noch bekehrt hat, stünde vor Gott nicht anders da als jener, der sich immer treu zur Kirche gehalten und sein Leben dem Dienst am Nächsten geweiht hat. Und, ja, es stört uns sehr, dass die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg dieses "ungerechte" Ende nimmt! Das kann nicht sein, dass jene, die nur eine Stunde gearbeitet haben, denen gleichgestellt werden, die den ganzen langen Tag geschwitzt und geschuftet haben. Das darf nicht sein!

Wie lösen wir das Problem? Bleiben wir beim Protest: So bin ich aber nicht! Oder bekennen wir einigermaßen zerknirscht: Gut, es stimmt. Ich denke auch so...aber nur manchmal...

Ich will das zugeben: Solches Denken ist mir auch nicht fremd. Im Gegenteil: Immer wieder komme ich auch in solches Vergleichen hinein. Was ist dieser für ein Mensch, wie bin ich dagegen... Warum geht es dem so gut, hat der das verdient? Warum muss jene so viel leiden, die ist doch so gläubig und bemüht sich doch auch um ein gutes, christliches Leben. -

Mir hat dieser Vers weitergeholfen: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen..." Immer gehen wir doch bei diesem Denken und Vergleichen davon aus, dass wir nur schaffen, uns nur mühen und klein machen. Das Leben im Glauben erscheint uns von diesem Blickwinkel her dann als ein einziger Dienst, eine Schinderei, bei der wir uns für Gott (vielleicht sagen wir auch: für Christus) aufopfern und selbst aufgeben. Und im Hintergrund unseres Denkens steht die Frage: Habe ich dafür nicht auch Lohn verdient? Und muss dieser Lohn denn nicht größer sein als der Lohn von dem und der, diesem und jenem...?

Liebe Gemeinde, wir sind Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen! Spüren wir nicht auch, dass es so ist? Erleben wir nicht jeden Tag auch die Freude, die damit verbunden ist, zu Gott zu gehören? Das Leben im Glauben ist doch gar nicht die Plackerei, für die wir es dann aber gern ausgeben. So viele gute, schöne Dinge gehören dazu, wenn wir glauben, wenn wir bei Gott zu Hause, ja, seine "Hausgenossen" sind: "...wir haben Zugang zum Vater", so drückt Paulus das aus. Da dürfen wir an das Gebet denken, in dem Gott immer für uns erreichbar ist. Wir können ihm unsere Sorgen nennen, können ihn bitten und ihm auch danken. Und - oft genug - haben wir doch auch erfahren, dass Gott hört und hilft, dass er uns tröstet und dass manchmal wirklich auch eintritt was wir uns von ihm gewünscht haben oder auch, was für uns gut war. Und - vom Gebet abgesehen - ist das nicht auch wunderbar und beglückend, den Glauben überhaupt zu empfinden: Diese Geborgenheit, dieses Wissen, mir kann nichts geschehen, ich habe einen Vater, der mich niemals fallen lässt, der mich liebt und mir treu ist, in Ewigkeit treu. Und hilft das nicht auch bei allem, was uns schwer aufliegt, was wir an Leid und Kummer, Not und Trauer tragen müssen: Es wird nicht dabei bleiben! Wir werden hindurchkommen. Nach dem Leid wartet die Freude. Nach dem Dunkel wird es Licht. Wir sind Gottes Hausgenossen, wir bleiben es in Ewigkeit.

Was liegt von daher daran, dass ein anderer vielleicht wirklich - in unseren menschlichen Augen - weniger gute Taten oder auch Frömmigkeit aufzuweisen hat? Was tut mir das, ob der Herr Pfarrer einen Menschen "zu schön" beerdigt hat, so als wäre der auch immer schon in Gottes Nähe gewesen. Und warum sollen wir denn auf diesem Unterschied beharren: Der hat nur ganz kurz im Glauben gestanden, ich dagegen schon mein Leben lang. Vor dem Hintergrund, dass wir Gottes Hausgenossen sind, vor der ehrlich empfundenen Freude über alle Vergünstigungen und Geschenke, die damit verbunden sind, im Glauben bei Gott zu Hause zu sein, über dem Glück, ihn zum Vater zu haben und immer Zugang bei ihm, über dem allem wird das klein und gering. Ja, die Menschen, die wir - wie es oft scheint - um ihrer Gottesferne und der damit verbundenen Freiheit willen beneiden, weil sie nicht wie wir für Gott arbeiten und sich mühen, die müssten wir eigentlich bedauern: Die Fülle, die Freude, der Sinn des Lebens, der froh und zufrieden macht, der entgeht ihnen ja doch! Und wenn sie schließlich spät oder gar ganz am Ende noch zu Gott finden, müssten wir uns nicht für sie freuen? "Siehst du scheel, weil ich so gütig bin", sagt der Herr zu dem Arbeiter im Weinberg, der sich darüber aufregt, dass die Letzten genauso viel Lohn bekommen wie er, der den ganzen Tag geschafft hat. - Wollen wir weiter "scheel sehen", bloß weil wir anderen Gottes Güte nicht gönnen?

Uns ist doch bei Gott wahrhaftig nichts entgangen! Uns schenkt er all seine Liebe, die Treue in dieser und der ewigen Welt, die Geborgenheit in Sorge und Krankheit, den Trost in der Trauer und noch so viel mehr. Nichts davon wird weniger oder wird uns gar genommen, wenn Gott es auch anderen zuwendet. Freuen wir uns doch für sie! "Wir haben Zugang zum Vater. Wir sind nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." Wir alle! AMEN