Predigt zum 2. Christtag - 26.12.2015

Textlesung: Hebr. 1, 1 - 3

Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.

Liebe Gemeinde!

Gott hat in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Nur, was hat er geredet? Was habe ich vernommen? Was sollen Sie jetzt hören? Was ist die Botschaft Gottes an uns? -

Ich will es gleich sagen: Es ist heute ein bisschen heikel und schwierig, was ich mit diesen Gedanken predigen möchte: Gott hat in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Darum dies zuvor:

Ich gehe einmal davon aus, dass wir uns mit all denen freuen können, die reich sind und denen es gut geht in dieser Welt. Dass wir, auch wenn wir selbst vielleicht nicht ganz gesund sind, uns doch auch freuen können mit allen, die von Gott mit bester Gesundheit und mit einem glücklichen Leben beschenkt wurden. Und selbst, wenn viele Menschen so ganz und gar undankbar sind und alles nur wie selbstverständlich hinnehmen, ohne ein Wort und ohne einen Aufblick nach oben - dann wünschen wir diesen Leuten doch deshalb nichts Schlechtes. Ich glaube also, was ich heute sagen möchte, trifft bei uns weder auf Neid noch auf Missgunst. Wir hegen auch nicht - tief drinnen in unseren Herzen - irgendwelche bösen oder gar rachsüchtigen Gedanken, weil wir insgeheim denken, wir und unsere Lieben wären gegen andere vielleicht doch irgendwie zu kurz gekommen. Nein, ich glaube, wir gönnen niemandem etwas Böses, wir sind schließlich Christinnen und Christen. Wir sind zufrieden mit dem, was wir haben und was wir sind. - Soweit das Vorwort zu dem, was jetzt kommt.

Wir haben in diesem Jahr, wenn ich so sagen darf, zum Xsten Mal in unserem Leben, an der Krippe von Bethlehem gestanden. Und wenn ich jetzt sage: "an der Krippe gestanden", dann meine ich das durchaus ganz wörtlich. Das war als wir in der Kirche die Weihnachtsgeschichte gehört haben oder am Heiligen Abend in unserer Weihnachtsstube, als wir die Weihnachtskrippe betrachtet haben, die dort jedes Jahr unter dem Baum steht. Vielleicht war das auch beim Krippenspiel, das wir gesehen oder als wir unseren Kindern oder Enkeln eine weihnachtliche Geschichte vorgelesen haben. Da eben ist uns das vielleicht aufgegangen, was hier gemeint sein könnte, wenn es heißt: Gott hat in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. - Aber gehen wir doch einmal hinein in die Weihnachtsgeschichte, dann wird uns sicher deutlich, was uns das sagen will:

Man konnte es schon spüren, als es im Stall noch ganz still war. Das Kind war gerade geboren, die Gäste waren noch nicht da. Vielleicht hatte sich der Engel gerade aufgemacht hinaus zu den Hirten? Und die himmlischen Heerscharen über dem Stall haben noch geprobt, wie sie sich später aufstellen wollten, wenn sie ihr "Ehre sei Gott in der Höhe" anstimmen? Jedenfalls war es da schon zu spüren: Die Armut dieser Geburt, und wie alles an der Szene damit so gut zusammenpasst: Ochs und Esel, Viehstall, Futterkrippe, die armen Eltern ohne festen Wohnsitz...im Reisegepäck nur ein paar Windeln... Als dann die Hirten eintraten, wurde es noch viel deutlicher: War das ein Lumpenpack! Die Außenseiter von Bethlehem. Einer ging an Krücken. Ein anderer hatte nur einen Arm. Ein dritter war vom Aussatz gezeichnet. Wieder einer redete wirr und warf den Kopf immer so zur Seite. Aber das Staunen in diesen Gesichtern! Die Freude! Sie konnten sich ja gar nicht darüber beruhigen, dass ausgerechnet zu ihnen der Engel gekommen war und dass ihnen dieses Wort gelten sollte: Euch ist heute der Heiland geboren! Schließlich - da waren die Hirten gerade wieder im Aufbruch - schließlich kamen die drei Weisen aus dem Morgenland daher. Ach, war das anders, als wir's uns immer vorstellen! Von wegen "geritten auf Pferden und Kamelen"! Zu Fuß waren sie, mit Schwielen an den Fersen. Und bloß Sterndeuter waren sie! Astrologen, um die immer ein Hauch von Geheimnis weht und ein Rüchlein von schwarzer Kunst! Auch mit solchen Magiern hatten die wohlanständigen Leute von Bethlehem nicht so gern zu tun! Aber auch sie passten hier gut ins Bild. Und mit dem bisschen Gold, Weihrauch und Myrrhe, das sie dabei hatten, zog auch nicht gerade der große Reichtum in den Stall ein! Und ein wenig später kamen dann noch ein paar Leute aus der Nachbarschaft. Auch das ganz arme Schlucker, einfache Taglöhner, Handwerker und Hausfrauen. Die Reichen von Bethlehem haben wir nicht gesehen. Die interessierten sich nämlich nicht für diese Arme-Leute-Geburt in einem Viehstall. Die sind hübsch zu Hause geblieben am warmen Herdfeuer, bei weißem Brot, Putenkeule, Oliven und Wein...

Liebe Gemeinde, jetzt will ich, jetzt wollen wir den Ort wechseln. Jetzt gehen wir zurück in unsere Zeit, in die Welt unserer Tage, dorthin, wo wir leben. Wer ist es denn heute, der sich zur Krippe Jesu aufmacht? Wer hört denn die Botschaft: "Euch ist heute der Heiland geboren"? Ja nun, hören können sie alle, denn sie gilt ja allen Menschen und wird von Anfang an allen verkündigt. Aber wer hört denn hin? Wer folgt denn dem Ruf? Wen bewegt er so, dass er aufbricht zur "Krippe", oder eben dorthin, wo er heute Jesus, seiner Sache und seinen Leuten nahekommt? Sind das nicht heute wie damals zuerst die Armen, die Elenden, die Außenseiter, die Geängsteten und Beladenen? Sind das nicht heute wie damals zuerst die Menschen, die schon viele Schläge des Schicksals haben hinnehmen, die vielleicht schon lange den steinigen Weg durch fortschreitende Krankheit gehen oder seit Jahren mit einer Behinderung fertig werden müssen? Sind das nicht heute wie damals zuerst die Menschen, die kein öffentliches Ansehen haben, die nichts gelten und nichts sind, die oft wenig von sich halten und sich selbst nicht helfen können?

Liebe Gemeinde, Sie wie ich stehen seit vielen Jahren immer wieder an der Krippe und wir sind auch dort, wo heute die Menschen nach diesem Jesus Christus fragen, zu ihm kommen und den Glauben an ihn finden und festhalten. Und da müssen wir einfach sagen, es stimmt heute - in unserer Zeit - wie damals im Stall von Bethlehem alles zusammen! Bei diesem Jesus finden sich die Schwachen ein, die Verletzten, die vom Schicksal Beschädigten und von Schuld oder Angst Belasteten. Und weil das so ist, sind wir an seiner Krippe und überhaupt heute in dieser Zeit in seiner Nähe niemals fremd untereinander! Nein, da sind wir alle gleich und dort hat keiner dem anderen etwas voraus. Warum sollte denn auch der "Hirte, der in Lumpen geht" mit dem Finger auf den "Sterndeuter" zeigen, den alle mit Misstrauen betrachten? Oder warum soll der Mensch, der sich in seiner Zukunftsangst schier verzehrt, die Augenbrauen hochziehen, wenn er bei Jesus der zweifelhaften Person begegnet, von der die Gerüchte durch den Ort fliegen?

Und jetzt gehen wir weiter an diesen schwierigen, heiklen Gedanken und Worten entlang, die aber die Antwort auf die Frage sind und der Kern dessen, was "Gott in diesen letzten Tagen zu uns geredet hat durch den Sohn": Denn ist das nicht wunderbar, tröstlich und sehr hilfreich, dass sich bei diesem Jesus eben gerade solche armen und belasteten Menschen sammeln. Dort findet man immer jemanden, der einem versteht, weil er selbst das auch schon durch hat, was uns gerade quält. Dort ist kein Hochmut. Dort gibt es keine Überheblichkeit. Da ist keiner mehr als irgendein anderer. Und zu ihm, der seinen Weg von der Krippe zum Kreuz ging, gehören sie alle und sie gehören in ihm und durch ihn alle zusammen: Eine Gemeinschaft von Gleichen, eine Familie seiner Leute, Geschwister...

Und jetzt will ich den heiklen, schwierigen Gedanken noch den allerletzten und heikelsten aufsetzen: Das gilt auch umgekehrt! Bei ihm finden wir eben nicht oder nur selten die Großen, die Angesehenen, die mit ihrem Reichtum prangen und mit Macht und Stärke blenden. Die sind - damals wie heute - daheim geblieben bei ihrem satten, behaglichen Leben. Und - oft genug - gehören sie der Gemeinschaft dieses Jesus von Nazareth auch bewusst nicht mehr an, haben seine Kirche lange verlassen, brauchen ihn ja nicht und auch nicht jene, die an ihm hängen.

Liebe Gemeinde, wir aber wollen uns das nicht verdunkeln lassen, so dunkel es im Stall von Bethlehem und in unserem Leben heute auch sein mag: Dieser Jesus ist zuerst für die Armen und Elenden in die Welt gekommen. Für uns, die wir an seelischen oder körperlichen Lasten tragen, für uns, die wir uns schwach und klein fühlen, für uns, die in Furcht vergehen und vor Schuld nicht wagen aufzublicken, für uns ist er geboren und in unser armes Leben eingegangen. Wir haben in ihm einen Bruder. Wir sind durch ihn Geschwister. Wir haben durch ihn teil an allen Gaben, die er uns von Gott bringt: Vergebung aller Schuld, Hoffnung und Zuversicht, den festen Halt eines fröhlichen Glaubens, die helle Zukunft eines ewigen Lebens. - Da mögen nun andere in Saus und Braus leben können, sich keine Sorgen machen müssen und den Wohlstand eines gesunden Lebens genießen, in dem es an nichts fehlt - sie müssten uns dennoch beneiden und vielleicht tun sie das ja auch insgeheim, denn solchen wie uns gilt damals wie heute zuerst dieses Wort, das der Engel in der Heiligen Nacht den Hirten zugerufen hat: Euch ist heute der Heiland geboren! AMEN