Predigt am 20. So. nach Trinitatis - 2.11.2003

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Textlesung: Mk. 10,2-9. 10,10-16

Und Pharisäer traten zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach. Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe. Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

Liebe Gemeinde!

Ich finde, diese Worte Jesu sind hart genug am Anfang...und deutlich: Nein, Scheidung soll nicht sein. Das ist nicht Gottes Wille. So wie es die Männer zur Zeit Jesu machten, das war nicht im Sinne Gottes! Sie sagten nur dreimal zu ihrer Frau: Ich verstoße dich..., dann waren sie ihrer ledig. Sie konnten wieder heiraten. Die Frau auch. Nur: so eine Verstoßene nahm keiner mehr!

Nein, Gott will, daß die Menschen, die sich einmal einander versprochen haben, zusammenbleiben. Bis heute! Und wir haben uns bei aller Verweltlichung ein Gefühl dafür erhalten, daß die Scheidung nicht sein soll. Und daß es nicht gut ist, sich scheiden zu lassen. Wir sagen dann immer: Die armen Kinder! Wir könnten genau so sagen: Die armen Menschen, die da auseinander gehen. Denn es ist nicht so, daß sie das einfach wegstecken. Keiner kann das. Ich bin überzeugt davon, daß ein Mensch ein Leben lang daran trägt, daß er sein Versprechen nicht halten wollte oder konnte. Da entsteht immer Schuld. Und Verletzungen auch. Die vernarben langsam und heilen...nie.

Sicher ist es manchmal besser, wenn zwei Menschen überhaupt nicht zusammen passen, wenn sie sich trennen. Noch besser freilich wäre es gewesen, wenn sie sich vorher richtig geprüft hätten. „Geprüft" heißt dabei nicht, daß man erst 10 oder mehr Jahre zusammenleben muß - ohne Ehe. „Geprüft" heißt vielmehr, daß ich mich das ehrlich und mit großem Ernst frage: Will ich mit diesem Menschen mein ganzes Leben verbringen? Reicht meine Liebe dazu? Werde ich treu sein können? Und vor allem dies muß ich mich fragen: Will ich diesen anderen Menschen glücklich machen? Wenn ich dazu nicht von Herzen ein klares Ja sagen kann, sollte ich es nicht sagen! - Aber selbst wo eine solche Verbindung dann zerbricht, die einmal zwei zusammengefügt hat, die nicht zusammen gepaßt haben, selbst da entsteht Schuld. Gott sei Dank, kann Schuld auch vergeben werden!

Warum das so ist? Warum die Ehe nicht so leicht aufzuheben ist durch ein Wort oder eine Geste oder dadurch, daß ich einfach fortgehe... Das sagt Jesus auch: Von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau! Ein Theologe unserer Tage sagt es so: Die Ehe ist eine Schöpfungsordnung (Helmut Thielicke)! Das ist wie mit Tag und Nacht, wie mit Sommer und Winter... Erst beides macht den vollen runden Tag. Erst beides macht das Jahr. Erst Mann und Frau zusammen sind der Mensch. Ich habe einmal ein schönes Bild dafür gelesen: Mann und Frau gehören und passen zusammen wie Schloß und Schlüssel, fehlt eins dann bleibt die Tür verschlossen. Die Tür wozu? Ich weiß nicht mehr, wie genau dieses Bild gedeutet worden ist, aber ich würde es so sagen: Mann und Frau zusammen können die Tür zum vollen, runden Leben öffnen. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Das sind die Gedanken Gottes gewesen, als er den Mann gemacht hat. Dann macht er die Frau...und da erst ist der ganze Mensch in der Welt. Es ist nicht gut, daß der Mensch einen Teil von sich aufgibt, sagt Jesus. Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Und - wie gesagt - wir wissen es, wir spüren es, wir leiden daran, wenn es dazu kommt. Sonst wäre es nicht zu erklären, daß wir immer wieder bestürzt sind und darüber reden, wenn hier im Dorf (in unserer Umgebung) oder in unserer Verwandtschaft, Ehen gebrochen werden und ganz zerbrechen.

Liebe Gemeinde, dabei fällt mir auf, daß wir immer nur über das Scheitern von Ehen reden und darüber traurig sind: „Hast du schon gehört, bei Gitte und Rolf kriselt's?" - „Jutta und Bernd gehen auch auseinander!" - „Der und der hat eine andere - das hätte ich nie für möglich gehalten!"

Wann hören wir einmal davon, daß eine Ehe gelingt, daß zwei Menschen glücklich sind und viel Segen von ihnen ausgeht auf Kinder und Kindeskinder und auf noch viele andere Menschen? Gut, bei der Silbernen oder Goldenen Hochzeit vielleicht. Aber sonst? Ich denke, zu wenig wird davon gesprochen! Und wir selbst, wenn wir den Segen einer dauerhaften, glücklichen Beziehung genießen dürfen, reden auch zu wenig darüber! Warum nicht den Kindern wenigstens sagen: „Du, ich habe euren Papa, eure Mama immer noch so lieb!" Oder dem Freund: „Was hast du und was habe ich, was haben wir mit unseren Frauen doch für ein Glück gehabt!" Oder auch unserem Lebenpartner selbst: „Ich bin Gott von Herzen dankbar, daß er dich mir geschenkt hat!" Ich bin überzeugt, ein solches Reden bliebe nicht ohne Wirkung! Da würden junge Menschen erfahren, daß es das überhaupt heute noch gibt, daß man in Liebe und großer Zufriedenheit mit einem Menschen alt wird! Da würde vielleicht einer, der lange nicht mehr darüber nachgedacht hat, den Wert seiner Beziehung neu entdecken. Da würde - um es so zu sagen - der Ehe gedient, der Ordnung Gottes, die von Anfang der Welt an gilt und immer gelten wird.

Es ist gewiß kein Zufall, daß die Geschichte um Ehe und Scheidung heute so weitergeht: Und sie brachten Kinder zu Jesus, damit er sie anrühre. Die Kinder..., sie sind wahrhaftig der wichtigste Grund, daß Gottes gute Schöpfungsordnung gelten soll, daß die Ehen halten und dauern sollen! Stellen wir uns vor, immer noch mehr Ehen zerbrechen, immer noch mehr Kinder wissen nicht, wo sie hingehören, sind hin- und hergerissen zwischen Papa und Mama...und verstehen doch gar nicht, warum das so hat kommen müssen und haben doch beide lieb. Ja, auch hier entsteht Schuld! Und noch die beste Einigung über die Kinder, bei wem sie leben sollen und wie oft sie oder er sie dann im Monat sehen darf, noch die beste Regelung dieser Fragen ist schlecht! Schlechter allemal als ein Leben in einer intakten Familie. Gott sei Dank aber müssen sich auch hier die Kinder nicht immer ungünstig entwickeln! Aber Leid entsteht allemal. Und Gott hat etwas anderes gewollt.

Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes, sagt Jesus. Mir sagt das, er will es gerade mit den Kindern zu tun haben. Er hat sie besonders lieb, ihm ist an ihrer guten, gesunden Entwicklung gelegen. Deshalb lesen wir hier: Er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie. Und noch etwas sagt mir das: Müßten wir nicht auch hier mindestens ebensoviel davon reden, wie schön das ist, Kinder um sich zu haben, als davon, wie schlimm es Kindern in Scheidungsfällen geht? Dieses Reden könnte wohl auch dazu beitragen, daß wir die Ehe, die Familie wieder neu schätzen lernen und die Schwelle heraufgesetzt wird, sie zu gefährden oder zu zerstören. Und es ist herrlich und wunderbar, Kinder haben zu dürfen, ein neues Leben, das von uns herkommt, unsere Züge trägt und uns so grenzenlos vertraut und es uns warm ums Herz macht, wenn wir unsere Kinder herzen und küssen dürfen, wenn sie zum ersten Mal lächeln, wenn sie unsere Hand ergreifen, das erste Mal Mama...Papa herausbringen...

Wir wollen nie vergessen, was es heißt, einen Lebensgefährten zu haben, einen Menschen, der uns liebt und den wir lieben und glücklich machen dürfen und mit dem zusammen wir ein ganzer Mensch werden. Und wir wollen nie vergessen, wie groß das Geschenk ist, daß Gott uns Kinder anvertraut hat, solche empfänglichen, empfindsamen und verletzlichen Wesen.... Und wir wollen dankbar sein und darum behutsam mit diesen Gottesgeschenken umgehen!