Predigt zum "Pfingstmontag" - 9.6.2003

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Textlesung: Mt. 16, 13 - 19

Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, daß der Menschensohn sei?

Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.

Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, daß ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

Liebe Gemeinde,

zugegeben, sie ist klein, die Umfrage, von der wir hier hören, aber es ist eine: "Wer sagen die Leute, das ich sei? Wer meint ihr, das ich bin?"

Wenn wir das hören, denken wir vielleicht daran, wie uns neulich in der Fußgängerzone (in Gießen) die junge Frau angehalten, uns in ein nahe gelegenes Büro geschleust und uns dort nach unseren Verbrauchsgewohnheiten bei Frischkäse oder Bohnenkaffee befragt hat?
Wissen sie, wie man diese "Befrager" in Werbekreisen nennt? "Baggerer"! Dieser Ausdruck zeigt auch schon, wie ganz anders die "Befragung" ist, die Jesus unter seinen Jüngern hält. Er will sie nicht für irgend einen Zweck nutzen. Es geht ihm nicht um "Verkaufszahlen" und deren Steigerung, ihm liegt nicht an seiner Person, seiner Popularität oder seinem Ansehen bei den Leuten. Seine Frage meint die Menschen persönlich. Nicht um ihn - um sie geht es!

Wenn Jesus nun diese Frage heute morgen an uns stellte - auch ganz persönlich? "Wer glaubst du, das ich sei?" - Was würden wir antworten?

Aber halt! Nicht so rasch. Und nicht gleich das sagen, was der Frager wohl hören will. Sondern ehrlich! Die Wahrheit - oder doch zumindest die Wirklichkeit, wie sie bei uns halt ist.

Da denke ich mir, es wären wohl einige Antworten dabei, wie ich sie hier einmal zusammengestellt habe. Vielleicht ja nicht genau so, aber doch so ähnlich:

- Wer du für mich bist, Jesus? - Du bist in einer Welt, in der es nur noch Geschäft und Ellenbogen gibt, der Lichtblick, der mir zeigt, wie es eigentlich sein sollte. Du bist so etwas wie die Verschnaufpause am Sonntag, die Rast auf einem sehr anstrengenden, steilen Weg, der Halt, um neue Kräfte zu tanken und Mut für die nächsten Schritte zu kriegen.

- Wer du für mich bist, Jesus? - Du bist für mich die Erinnerung an meine Kindheit. Heute spielst du leider aber doch verständlicherweise nicht mehr die große Rolle in meinem Leben. Aber gern denke ich zurück an die Zeit, als ich noch klein war, als Mutter abends mit mir gebetet, mir die Geschichten von dir erzählt hat... Und auch an die Konfirmandenzeit erinnere ich mich noch gern: Wir hatten viel Spaß miteinander, die Kameraden, und auch der alte Pfarrer war ja ganz nett...

- Wer du für mich bist, Jesus? - Ich halte dich für einen ganz großen Menschen. Einen der viel geleistet hat, zu dem man aufschauen kann und den man sich zum Vorbild nehmen müßte. Ein ganz großer Menschenfreund bist du gewesen. Ähnliche Leute sind für mich nur Albert Schweitzer und Mutter Theresa und vielleicht noch Mahatma Ghandi und Martin Luther King... Und sehr gern würde auch ich mir an dir ein Beispiel nehmen, wenn es nur nicht so verdammt schwer wäre!

Liebe Gemeinde, sind das nun so verkehrte Äußerungen? Könnten wir da nicht zumindest einiges mitsprechen? Will ich sagen, so dürfte man von Jesus nicht denken oder reden? Ist das nicht allemal besser, als wenn er in einem Leben überhaupt keine Rolle mehr spielt?

Nein, ganz klar gesprochen: Gegen keine einzige dieser Antworten will ich etwas einwenden. Alle kann ich gut verstehen und nachvollziehen. Das meiste daran hätte ich wohl auch sagen können vor der Frage Jesu an mich selbst: "Wer bin ich für dich?" Ich glaube, alles was gesagt wurde, war nicht falsch, vielmehr ganz in Ordnung...nur...es war zu wenig!

Die Frage stellt uns Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Herr und der Herr der Christenheit und der Welt! Wenn also einer antwortet: Du bist für mich Lichtblick und Rast in meinem Leben, dann ist das nicht genug! Denn Jesus Christus ist auch der Anspruch an mich, daß ich ihn als Mitte meines Lebens erkenne, seinen Willen höre und tue, mich - wenn es sein muß - unter sein Urteil beuge und mich so verändern lasse, daß ich ihm gefalle. - Er ist der Herr!

Und wenn einer sagt: "Du bist die gute Erinnerung an meine Kindertage", dann fehlt da etwas, das Entscheidende, die Entscheidung! Jesus Christus will heute in meinem Leben die Bedeutung haben, die ihm zusteht. Er will mitgestalten an meinem Alltag, sein Wort soll bestimmen, was ich tue, denke, rede... Und schon gar mein Sonntag - gehört ihm! Da ist auch Besinnung dran. Prüfung der vergangenen Woche vor dem, was er gewollt hätte. Klarer, ehrlicher Blick auch auf das, was ich getan habe. Und schließlich eine neue Ausrichtung: Das muß ich bei mir ändern. Da will ich hin mit meinem Glauben. Hier muß ich an mir arbeiten. - Er ist der Herr!

Und wenn einer sich so äußert: "Du bist Vorbild für mich, Ansporn und gutes Beispiel für ein menschliches Leben", dann reicht das nicht! Dieser Jesus Christus ist kein hervorragender Mensch allein. Er kam von Gott. Er ist bei Gott. Er vertritt Gott für uns - auch in seinem Anspruch an uns, auch in seinem Urteil über uns! Er möchte mehr von uns als nur unsere redliche Mühe, es ihm hier und da - so ein wenig - nach zu tun. Der für uns ans Kreuz ging, ist nicht zufrieden damit, daß wir wie er lieb zu den Menschen sind. Der sich für unsere Schuld geopfert hat, will mehr als unsere Hochachtung vor seiner Charaktergröße. Der uns die Ewigkeit verdient hat, möchte mehr als den Glanz in unseren Augen und das vielleicht ehrfürchtige Verneigen vor ihm. Er will unser Herz und er will es ganz. Er will unser Leben und nicht nur ein Stück davon, hin und wieder, wenn wir's sozusagen übrig haben. - Er ist der Herr!

Und ich denke, das eben hat drin gelegen in dem, was Petrus damals sagt: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Und zu solch einer ehrlichen Antwort müßten wir auch gelangen!

Wie gut, daß wir dazu nicht aus uns selbst kommen müssen: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Gott selbst kann uns diese Antwort in den Mund und vor allem ins Herz legen. Er tut das auf die Weise, die wir gerade an Pfingsten bedenken und feiern: Mit seinem Heiligen Geist spricht er uns an. Sein Heiliger Geist ist es, der uns heute vielleicht auch genau diese Frage stellen wollte: "Wer ist Jesus Christus für dich?" Gottes Heiliger Geist aber ist es auch, der uns dabei hilft, daß wir zu einem Leben finden, das mehr ist als ein Bekenntnis zu Jesus als großem Menschen, Quelle der Kraft und schöner Erinnerung an die Kinderzeit. Gottes Heiliger Geist will in unserem Leben Platz machen für Jesus Christus, will seinem Wort und Willen Gehör verschaffen und so seinem Anspruch und seinem Ziel dienen.

Worum es hier wirklich geht, können wir dem Wort entnehmen, das Jesus am Ende an Petrus richtet: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

Liebe Gemeinde, können sie sich eine größere Aufgabe denken als die, an der Gemeinde Gottes auf Erden mit zu bauen? Können sie sich einen gewaltigeren Auftrag vorstellen als den, mit zu schaffen an Gottes Reich - schon hier und heute - einem Reich, das Tod und Hölle standhalten wird?

Und kann es ein größeres Vorrecht (und eine größere Verantwortung!) für Gottes Menschen geben, als anderen den Himmel öffnen oder verschließen zu können?

Bitten wir Gott um seinen Heiligen Geist, daß wir erkennen, wer Jesus Christus für uns wirklich ist. Bitten wir ihn um Beistand dabei, so werden zu können, daß man unserem Leben ansieht, was die Antwort des Petrus meint, die er Jesus gibt: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!