Predigt zur "Himmelfahrt Christi" - 29.5.2003

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: Lk. 24, (44 - 49) 50 - 53

Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.

Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, daß Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und sprach zu ihnen: und daß gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem, und seid dafür Zeugen.

Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

 

Liebe Gemeinde am Himmelfahrtstag!

Können sie das glauben, was wir hier hören? Ich meine nicht, was sie jetzt denken: Diese Sache mit der Himmelfahrt... Das zu glauben ist ja noch recht einfach. Wohin soll er denn sonst gegangen sein, der Sohn Gottes, als zurück zu seinem Vater, zurück zu dem, der ihn gesandt hat? Nein, das ist das kleinere Problem. Aber das andere: Sie - die Jünger - kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude... Warum sind sie nicht niedergeschlagen und traurig? Warum weinen sie nicht, weil sie doch jetzt einsam sind und verlassen? Beim besten Willen...worüber haben sie sich denn gefreut? Jetzt waren sie endgültig allein. Er, mit dem sie ihre letzten drei Jahre auf der Wanderschaft verbracht hatten, war fort und viele ihrer Hoffnungen mit ihm. Die Welt war noch die alte. Der Himmel war vielleicht ein kleines Stück aufgegangen mit und durch diesen Jesus, jetzt aber hatte er sich wieder hinter ihm verschlossen. Nichts war verändert und nichts deutete darauf hin, daß ihr weiteres Leben leichter oder besser oder gar schöner werden sollte. Vielmehr mußten sie sich Gedanken machen: Petrus, Jakobus und Johannes - ob sie sich wohl beim Fischfang am See Genezareth wie früher ihren Unterhalt verdienen könnten? Matthäus - ob er seine Stelle am Zoll wohl wieder bekommen würde? Und auch die anderen: Wovon sollten sie denn nun leben, ja, ob sie im alten Geschäft oder Handwerk überhaupt wieder Fuß fassen könnten? Wirklich, wenn wir das einmal so sehen, geht uns das schwer in den Kopf: Sie kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude... Woher kommt diese Freude?

Kommt sie von hierher vielleicht?: Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden... Jetzt wußten sie also, warum Jesus in die Welt gekommen war. Sie begriffen, daß er leiden mußte für die Schuld aller Menschen. Sie erkannten den Sinn seines Todes und daß er hatte auferstehen müssen... Und jetzt sagte ihnen ihr Verstand, daß darin Vergebung der Sünden und Buße für alle Menschen und Völker liegt... - Aber wir spüren das doch: Solche Wahrheiten sprechen allenfalls den Kopf an, aber doch nicht das Herz. Zu wissen schenkt vielleicht Macht und Kenntnis, froh aber kann man daran nicht werden. - Wo also liegt der Keim der Freude?

Ob sie vielleicht mit dem zu tun hat, die Freude, was Jesus ihnen noch mitgibt? ...und er hob die Hände auf und segnete sie. War dieser Segen der Grund der Freude, damals? - Und heute? Auch wir werden nachher von hier fortgehen mit dem "Segen des Herrn". Aber ich frage mich: Kann Segen so stark sein, daß er mitgeht in unser Leben, in unseren Alltag, dorthin, wo wir wohnen, arbeiten, unsere Freizeit und heute diesen Feiertag verbringen? Klebt der Segen sozusagen an uns, wenn wir nachher diesen Ort verlassen? Wird er uns umgeben wie ein Schutz in den kommenden Tagen, ja, wird er auch nur bis zum heutigen Abend frisch sein und halten und sich nicht aufzehren? Wie wird er sich behaupten können, wenn wir nachher zu Mittag unsere Medikamente nehmen und uns vielleicht sorgen müssen, ob sich unser körperlicher Zustand noch einmal bessert? Wie wird der Segen den Ärger im Betrieb überdauern, den es vielleicht schon morgen früh geben wird? Werden wir nicht sehr schnell vergessen, daß wir gesegnete Menschen sind, wenn erst die Sorgen jedes Tages wieder groß vor uns stehen, wenn uns die tägliche Hetze, die Mühe, die trüben Gedanken und bösen Erwartungen wieder am Wickel haben? - Und das soll bei den Jüngern damals anders gewesen sein? Sie soll der Segen Jesu begleitet haben und er soll bei ihnen geblieben sein, bei ihnen, die sich, weiß Gott, Sorgen und Gedanken um ihre Zukunft machen mußten, nachdem Jesus doch nicht mehr bei ihnen war? - Nein, auch von hierher kann sie wohl nicht gekommen sein, die Freude.

Wie ist es damit: ...seid meine Zeugen. Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat, und ihr werdet ausgerüstet werden mit Kraft aus der Höhe.

Zeuge sein...für Jesus...wie wird das damals ausgesehen haben? Wir erfahren von mindestens zwei Arten, Zeuge, Zeugin für ihn zu werden: ...daß gepredigt wird in seinem Namen und daß die Jünger allezeit im Tempel waren und Gott priesen! Und wenn sie dazu nun noch ausgerüstet wurden mit "Kraft aus der Höhe"... Dann könnten wir es uns vielleicht vorstellen: Daß es Freude macht...von Gott zu erzählen, von seinen großen Taten zu predigen, seine frohe Botschaft zu verkündigen... Und ihn preisen...am Sonntag im Gottesdienst, bei einer Zeltmission vielleicht, bei der Einweihung eines kirchlichen Gebäudes und noch manchen anderen Gelegenheiten... Doch, das mag Freude schenken, den Jüngern damals, den Pfarrern und Predigern heute... - Und uns anderen?

Liebe Gemeinde am Himmelfahrtstag, predigen wir nicht alle? Auf unsere Weise? Predigt nicht auch unser Reden, unser Verhalten, unsere griesgrämige oder auch fröhliche Miene und manchmal schon unser Denken? Und predigt das alles nicht auch entweder zum Guten oder zum Schlechten? - Mir fällt da die Frau ein, die im Betrieb, in dem sie arbeitet, klar sagt und zeigt, daß sie Christin ist. Und sie hat nicht diese aufdringliche, oft scheinheilige Art, sich vor den Leuten als fromm darzustellen, diese Art, die doch im Grunde nur gesehen werden will. Nein, sie läßt morgen - vielleicht in der Frühstückspause - einmal ins Gespräch einfließen, daß sie hier heute im Gottesdienst war und ein gutes Wort gehört hat, das sie noch beschäftigt. Und sie senkt über ihrem Mittagsmahl in der Kantine still den Kopf und dankt über den Gaben. Und sie hat es sich angewöhnt, beim Gratulieren zum Geburtstag einer Kollegin, eines Kollegen, zum "Herzlichen Glückwunsch" und "viel Gesundheit" immer noch etwas hinzuzufügen: "Gottes Segen wünsche ich Dir!". Ob ihr das Freude macht? Wenn wir sie fragten, würde sie vielleicht so sprechen: "Am Anfang hat mancher über mich gewitzelt. Unsere 'kleine Heilige' haben sie mich genannt und mehr als einmal kam mir zu Ohren, daß sie mich für eine 'Kanzelschwalbe' halten. Heute würde ich sagen: Meine KollegInnen haben sich daran gewöhnt, daß ich halt bin, wie ich bin. Nein, mehr noch: Viele kommen inzwischen mit ihren Sorgen und Fragen gerade zu mir. 'Mit dir kann man wenigstens darüber reden', sagen sie dann vielleicht. Und es sind oft genug Fragen des Glaubens, Fragen nach dem Sinn und dem Halt im Leben. Doch: Das macht mir Freude! Und es ist schon etwas Wunderbares, wenn man hin und wieder weiterhelfen oder sogar eine Antwort geben kann!" - "...seid meine Zeugen, sagt Jesus. "Und siehe, ihr werdet ausgerüstet werden mit Kraft aus der Höhe."

Und ein sehr kirchlicher Mann und Kirchenvorsteher fällt mir noch ein, Vater eines vor einigen Jahren (hier bei uns) von mir konfirmierten Jungen. Ich weiß von ihm, daß er sich damals nicht damit zufrieden geben konnte - wie so viele andere Väter und Mütter - daß nach der Konfirmation die Kirche und meist ja auch die Sache Gottes erst einmal abgehakt ist für die jungen Leute, oft für viele Jahre und manchmal für immer. Er hat seinen Sohn wieder und wieder an sein Versprechen bei der Einsegnung erinnert. Er hat ihm oft genug in den Ohren gelegen und ist ihm sogar auf die Nerven gegangen mit seinem ewigen Appell: "Du könntest Sonntag doch mal wieder mit mir zum Gottesdienst gehen!" Und er hat sich nicht zufrieden gegeben damit, daß der Junge dann entgegnet hat: "Meine Kameraden gehen doch auch nicht!" Hin und wieder hat er es erreicht; der Sohn ist mitgegangen. Neulich hat er mir erzählt: Inzwischen käme er von selbst, ganz aus freien Stücken. Ja, er hätte sogar gesagt: Es gefalle ihm ganz gut. Er brauche auch immer wieder mal ein Wort, einen Anstoß, einen Gedanken, der ihn erinnert, daß so ein Leben mehr ist als Arbeiten und Freizeit. - Ob ihm das Freude schenkt, diesem Mann? Ich glaube, da müssen wir nicht fragen! "...seid meine Zeugen. Und siehe, ihr werdet ausgerüstet werden mit Kraft aus der Höhe."

Mir sind noch andere in den Sinn gekommen: Menschen, die mit dem, was sie reden und vor allem mit dem, wie sie sich verhalten, ein klares Zeugnis ablegen für ihn, dessen Himmelfahrt wir heute feiern: Menschen, die sich um Christi willen um Gemeinschaft und gute Nachbarschaft mit denen bemühen, die neu in unsere Dörfer ziehen. Menschen, die um seinetwillen zurückstecken können, verzichten können und nach einem Streit die Hand hinstrecken - ganz gleich, wer den Zank verursacht hat. Menschen, die - weil Jesus es so gewollt hat - wirklich anderen dienen: Die Einsamkeit der Alten lindern, Besuche machen, wo jemand krank ist, Fürsprecher sind, wo man sich selbst nicht helfen kann und die, wo sie nur können den Gedanken wachhalten in diesen Tagen, daß unser Leben mehr ist als Schaffen und Schuften, Essen und Trinken, Kaufen und Verbrauchen. - Sie alle sind Zeugen und Zeuginnen dafür, daß damals mit Jesu Himmelfahrt eben nicht alles aus war und vorbei. Sie zeigen, daß seine gute Sache weitergeht und heute lebt. Sie tragen sein Licht hinein in diese sonst so dunkle Welt. Sie befördern seinen heiligen Geist und wecken den Glauben an ihn in einer Zeit, die den Glauben an Jesus Christus, an ein Ziel des Lebens und eine Hoffnung im Sterben so bitter nötig hat. - Sie alle predigen mit ihren Worten und Taten. Sie alle preisen damit Gott, der sie dazu be-geistert und beauftragt hat. Und ich bin sicher, daß sie alle auch von Freude reden könnten, die ihnen von daher zuwächst. Wissen sie, nicht diese laute "Freude", wie sie vielleicht bei einem Lotteriegewinn aufkommt oder bei denen, die meinen, neute wäre der Vatertag. Ich meine die Freude, die unser Herz wärmt und unsere Seele durchströmt, weil uns aufgeht, wie sinnvoll, wie wesentlich und wie unendlich wichtig das ist, was wir da tun. Und ich meine die Freude, die wir damit auch in den Augen unserer Mitmenschen entfachen.

...seid meine Zeugen. Und siehe, ihr werdet ausgerüstet werden mit Kraft aus der Höhe.

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns von Herzen, daß wir mit diesem Auftrag und dieser Verheißung heute von hier fortgehen. Ich wünsche uns, daß wir damit gute Erfahrungen machen dort, wo unser Leben sich abspielt und daß wir wirklich spüren können, daß es wahr ist: Wir kriegen Kraft aus der Höhe! Dann werden wir auch das glauben können, was wir hier hören: Sie kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude...

Ja, das wünsche ich uns heute: Daß wir von diesem Himmelfahrtstag auch zurückkehren in unsere Häuser und Wohnungen, in unser Leben und unsere Gemeinschaften...mit großer Freude! AMEN