Predigt zum "Gründonnerstag" - 17.4.2003

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(Predigt für einen oder zwei (I - II) SprecherInnen)

(I)Textlesung: Jh. 13, 1 - 15

Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, daß seine Stunde gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Und beim Abendessen, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten, Jesus aber wußte, daß ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging, da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.

Danach goß er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.

Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?

Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.

(II) Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.

Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!

Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.

Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wißt ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

 

(I) Liebe Gemeinde!

In vielen christlichen Kirchen in aller Welt geschieht das heute abend wirklich, wovon wir eben gehört haben: Die Fußwaschung. Und durchaus nicht nur in katholischen Gemeinden! Da bindet sich eine Pfarrerin, ein Pfarrer, ein Priester, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Gemeinde eine Schürze um, da nehmen sie eine Schüssel mit Wasser und gehen die Bankreihen der Kirche entlang und waschen den Menschen die Füße. Selbst der Papst tut heute abend diesen Dienst - und nicht einem Kardinal oder Bischof, nein, einem der Ärmsten von Rom.

Uns mag das befremden. Wir hätten wohl Scheu davor und würden vielleicht dem Petrus dieser Geschichte gleichen und sagen: "Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!"

Warum überwinden andere die Scheu und die Scham? Was ist so wichtig an diesem Zeichen Jesu, daß es nicht nur gehört, sondern eben getan werden muß?

(II) Wir wollen nachher das Mahl unseres Herrn feiern. Wir glauben, daß an seinem Tisch alle Schuld von uns genommen wird und wir ihm und uns untereinander ganz nahe kommen. Wir wissen, daß seit seinem Tod am Kreuz, seit seinem unschuldigen Leiden und Sterben für uns noch die schlimmste Sünde vergeben werden kann und noch der ärgste Verräter bei ihm neu anfangen darf. Warum hören wir das nicht nur vom Altar her? Warum lassen wir uns das nicht nur sagen und davon erbauen und erfreuen? Warum gehen wir nach vorn, stellen uns in den Kreis und empfangen Brot und Wein, die Zeichen seines Leibes und Blutes? Glauben wir doch nicht ganz? Wissen wir es doch nicht so genau? - Oder brauchen wir nicht die Zeichen, um wirklich gewiß zu werden, wirklich zu fühlen und zu empfinden: Ich bin frei geworden, ich bin Jesus und meinen Nächsten nahegekommen? Wir sind eine Gemeinschaft und er ist unser Herr?!

(I) Wenn wir einen Menschen haben, den wir lieben und dessen Liebe wir besitzen oder uns wünschen... Warum geben wir uns nicht zufrieden, wenn er uns das einmal gesagt hat, bei der ersten oder zweiten Begegnung vielleicht und noch einmal bei der Trauung? Genügt das nicht? Warum wünschen wir uns, daß er oder sie das täglich neu sagt und immer wieder und wieder? Ja, warum reicht uns eigentlich selbst das nicht? Soll sie uns nicht auch einmal küssen und zärtlich berühren? Soll er uns nicht auch umarmen und an sich drücken? Braucht nicht die Liebe auch Zeichen, die uns gewiß machen: Es ist so, wie er spricht. Es ist wahr, was sie sagt?

(II) "Braucht nicht die Liebe Zeichen?" Wollen wir nicht auch sehen, schmecken, begreifen, daß die Liebe echt ist und wirklich? "Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren," sagt Jesus. "Erfahren" wollen wir die Liebe: Im Abendmahl, in unseren Beziehungen, und überall, wo sie hinter den Worten steht. Zeichen sind nicht stärker als Worte. Aber Worte brauchen Zeichen, um überzeugen und kräftig werden zu können: Im Trost, zur Vergebung, um Freude zu schenken... Ist nicht ein Gruß, bei dem wir uns die Hand reichen, auch mehr als ein bloßes Hallo? Wäre das eine Taufe, wenn sie nur Worte machte und nicht auch Wasser fließt? Warum breiten wir dem, der lange fort war, die Arme aus und nehmen ihn an unser Herz?

(I) Sie müssen nun nicht befürchten, daß wir uns nun doch die Schürze vorbinden und hinter dem Altar die bereitgestellte Schüssel aufnehmen und uns zu ihnen in die Reihen aufmachen. Wir wollen das nicht tun. Aus Respekt vor der Scham, die wir selbst auch empfinden. Es würde sicher ein starres Zeichen werden, eines das nicht durchdringen kann durch den Panzer der Scheu und der Peinlichkeit. Wir haben keine Übung darin. Darum würden wir in diesem Zeichen keine Befreiung und Freude erfahren. Aber es gibt eben andere Zeichen, die sind nicht minder kräftig und können nicht weniger von Liebe zeugen. Zu diesen Zeichen wollen wir heute einladen und sie bitten, sie dann auch zu üben - nicht unbedingt hier in der Kirche, aber in ihrem Alltag und Leben. Und es sollen Zeichen sein, wie sie die Liebe findet und wie sie unsere Worte unterstützen, wenn wir sagen: Ich liebe dich! Ich bin dein Freund, dein Bruder, deine Schwester, dein Mitmensch, dein Nächster...

(II) "Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe", sagt Jesus. Das erste Zeichen, zu dem wir einladen oder bei dem wir bestärken wollen, sind eigentlich sehr viele Zeichen des Dienens, wie sie mit der Fußwaschung vergleichbar sind. Überall wo wir uns voreinander beugen und uns einen Dienst der Liebe tun, da sind wir Jesus ganz nah und er uns. Vielleicht sind das unsere täglichen Dienste in der Familie? Wenn wir als Mutter oder Vater unseren Lieben das Frühstück bereiten, das Essen kochen oder all die andere notwendigen Hausarbeiten verrichten. Oder am Krankenbett bei den älteren Gliedern unserer Familie: In der Pflege und Aufwartung, wenn unsere Hände zupacken und stark sein müssen. Aber auch in den kleinen Gesten, wie sie die Worte des Trostes oder der Ermutigung begleiten: Wenn wir der Kranken über die Stirn streichen. Wenn wir dem, der Angst hat, die Hand halten. Oder als Nachbarn, wenn wir da sind, wo wir gebraucht werden, wenn wir helfen, wo Hände, Füße oder ein Auto fehlen, wenn wir uns einander an unseren Tisch einladen, miteinander essen und auch einmal feiern. - Sie werden denken: Diese Zeichen, wenn es denn welche sind, tun wir doch ohnedies. War uns aber so ganz klar, daß es Zeichen der Liebe sind, zu denen Jesus uns ausdrücklich beauftragt hat, denn wir sind "Christen"? Haben wir gewußt, daß sie von daher ihren Wert, ihre Würde und ihre Bedeutung beziehen? Und schließlich: Dürfen wir von daher nicht auch sicher sein, daß Jesus, der uns Beispiel und Auftrag dazu gegeben hat, uns auch hilft, daß wir es tun können und die Kraft haben, die wir brauchen?

(I) Andere Zeichen, die wir empfehlen wollen, sind alles das, was zwischen Menschen geschieht, die sich als Eheleute, Partner oder Christen lieben, als Mitmenschen und Nächste achten oder auch "nur" zusammen in einer Dorfgemeinschaft leben. Da ist eben der Gruß, der ja oft zu einem unverständlichen Gemurmel oder einem einzigen Wort verkommen ist: "Tag" oder "n'Abend". Vielleicht können wir - mehr als bis heute! - die Worte wieder deutlicher und bewußter aussprechen: "Ich wünsche dir einen guten Tag", "...einen gesegneten Sonntag"! Und wenn wir diese Worte noch mit einer Geste bekräftigen, wäre das so viel verlangt? Es ist etwas anderes, ob ich nur spreche oder meinem Nachbarn die Hand gebe, die Hand meines Freundes zwischen meine Hände nehme, wenn wir uns begegnen und sie zart umschließe. Und wenn ich einen Menschen haben darf, der mich liebt und ich ihn...warum sind die Gesten der Zärtlichkeit so selten geworden zwischen uns? Wann habe ich meine Frau zum letzten Mal richtig in den Arm genommen? Wann hat ein Kuß bei uns zuletzt mehr gesagt, als tausend Worte? - Ein Beispiel habe ich euch gegeben..., sagt Jesus. Ich glaube fest, daß er uns auch bei diesen Gesten und Zeichen ermutigen wollte, daß wir sie tun und immer wieder üben! Wir haben sie nötig, daß wir für wahr halten und glauben können, was einer sagt: "Ich habe dich gern; ich liebe dich!" Die Zeichen machen uns gewiß darin, daß die Worte nicht trügen.

(II) Wir wollen jetzt das Abendmahl feiern. Vielleicht achten wir dabei einmal mehr als sonst darauf, wie wichtig die Zeichen sind, die es bei sich hat: Brot und Wein... Wir wollen uns dann einmal vorstellen, wenn das überhaupt möglich ist, wir hörten hier am Altar nur die Worte: Für dich gegeben. Für dich vergossen. Und wir bekämen nicht auch dieses Stücklein Brot zum Zerbeißen, und diesen Schluck Wein zu trinken... Es wäre nicht die selbe Feier! Wir blieben unerfüllt und unsicher, ob das denn auch so ist: "Zur Vergebung der Sünden...auf daß wir Frieden haben..." Liebe braucht Zeichen! Die Liebe Gottes hat Zeichen gefunden, sich auszudrücken und uns zu helfen, daß wir die Worte verstehen, die er uns sagen will. "Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist!"

(I) Und wenn wir dann weggehen vom Altar und später aus dieser Kirche, dann laßt uns diesen Gedanken mitnehmen: Liebe braucht Zeichen! Auch unsere Liebe zu unseren Nächsten und den uns ganz nahen Menschen. Und dann laßt uns das zum Vorsatz nehmen, daß wir mehr als bisher darauf achten, daß wir unsere Worte durch glaubhafte und gewiß machende Zeichen verstärken!

Und auch das wollen wir von heute behalten: Ob es nun die Zeichen des Dienens sind oder die des Grüßens und Wahrnehmens unserer Mitmenschen. Jesus selbst hat uns den klaren Auftrag dazu gegeben, nicht nur zu reden, nicht nur Worte zu machen, sondern einander die Zeichen des Dienens und der Liebe wirklich zu tun: Ein Beispiel habe ich euch gegeben... Und dieser Auftrag Jesu hat auch seine Verheißung: Er selbst wird uns stark machen, die Zeichen - gerade wo sie uns schwerfallen! - gern zu tun und von ihm wird der Segen kommen, der in ihnen liegt.