Predigt zum Letzt. So. nach Epiphanias - 2.2.2003

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Textlesung: Mt. 17, 1-9

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!

Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.

Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Liebe Gemeinde!
Eine ungewöhnliche Geschichte von Jesus. Die Theologen aller Jahrhunderte haben sich viel darüber gestritten. Die einen sagen: Diese Verklärung Jesu hat's in seinem Erdenleben nie gegeben. Die Jünger, die sie angeblich erlebt haben, hatten bloß einen Traum. Die leuchtenden Kleider, das strahlende Angesicht Jesu - eine Vision, ein Traumgesicht seiner Anhänger, mehr nicht. Andere meinen: Die Geschichte ist erst nach Ostern geschehen. Der Evangelist Matthäus hat eine Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen an der falschen Stelle erzählt. Sie gehört eigentlich ans Ende seines Evangeliums.

Ich möchte diese Fragen nicht entscheiden. Ich kann es auch gar nicht. Ich finde die Antwort auf diese Fragen auch eher unwichtig. Ich frage heute vielmehr, wie ich es immer tue, wenn ich die Bibel aufschlage; was will uns diese Geschichte sagen, was ist ihre Botschaft an uns heute? Denn dieser Jesus Christus ist jetzt ja auch - nach unserem festen Glauben - mitten unter uns und hat auch jetzt mit dieser Geschichte eine Botschaft an dich und mich, an jede und jeden ganz persönlich. Rufen wir uns darum noch einmal die wichtigsten Stellen der Geschichte in Erinnerung:
Die drei Jünger werden von Jesus auf einen hohen Berg geführt. Oben angekommen verwandelt sich die Gestalt Jesu, Gesicht und Kleider beginnen zu leuchten, den dreien erscheint ihr Herr in einem neuen Licht. Dann sehen sie Jesus im Gespräch mit Moses und Elia, den größten Glaubenshelden ihrer Geschichte. Beeindruckt von dem Erlebnis, wollen sie Hütten bauen, für Jesus, für Mose und Elia. Anders gesagt: Sie wollen den Augenblick für immer festhalten, weil er ihnen so groß erscheint, so gewaltig... Sie wünschen sich: so müßte es immer bleiben!

Die Himmelsstimme, die zu ihnen spricht, ruft sie in die Wirklichkeit zurück: Das ist mein lieber Sohn...auf ihn sollt ihr hören! Als sie wieder vom Berg herabsteigen, gebietet ihnen Jesus, was geschehen ist, niemandem zu sagen, bis er von den Toten auferstanden wäre.

Lassen sie uns diese Geschichte jetzt einmal so verstehen, als wäre sie für uns ganz persönlich erzählt, denn das ist sie. Lesen wir sie als Bild für die Glaubenserfahrung mit diesen Herrn, wie sie jeder von uns erleben kann und vielleicht schon erlebt hat:
Der Glaube an Jesus beginnt in jedem Leben mit einer eigenen Anstrengung. Das wollen wir einmal nicht beschönigen. Der Glaube ist wohl ein Geschenk, aber wenn ich in meinem Leben nur sozusagen an allen höheren Dingen uninteressiert bin und ganz tatenlos bleibe, dann werde ich das Geschenk des Glaubens nicht erhalten! "Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan", hat Jesus gesagt. Wenigstens suchen muß ich also. Wenigstens anklopfen - um bei den biblischen Bildern dafür zu bleiben. Das ist wirklich manchmal auch mühsam, wie wenn man einen hohen Berg besteigt. Wenn Jesus einen Menschen zu sich ruft, beginnt ein vielleicht langer, mühevoller Aufstieg. Man muß sich ja auch erst von allem lösen, was einem unten im Tal halten will: Das Interesse an den weltlichen Freuden etwa, am Geld, am Besitz, am Luxus, am satten Leben in gesicherter Position... Und hinter allem steht die Angst, wir könnten verlieren, was wir uns aufgebaut haben... Aber das alles müssen wir schon zurücklassen, wenn wir hinter Jesus hergehen und seinen Spuren folgen wollen. Unterwegs auf den Berg nimmt's einem den Atem; es ist schwer durchzuhalten. Zweifel fechten uns an, ob es richtig war, für diesen Herrn so viel aufzugeben. Der Weg selbst kostet auch viel Kraft und Schweiß. Mancher kehrt um. Er schafft es nicht. Die Gedanken an das bequeme Leben unten in den Talgründen ziehen ihn zurück. Er macht auf halbem Weg schlapp, noch ehe er den Gipfel gesehen hat. Einige wenige aber bleiben Jesus auf der Spur, immer nach oben. Sie widerstehen der Versuchung, umzukehren. Sie wollen erfahren, wohin dieser Herr sie führt. Angst, Beklemmung und Schwäche werden überwunden. Und einmal, endlich, stehen sie auf dem Gipfel des Berges, dort, wo der Blick weit und das Herz frei wird. Es ist vollbracht. Wer da oben steht und hinunter schaut, dem scheint alles klein, was er da unten zurückgelassen, klein und unbedeutend gegenüber dem, was er gewonnen hat. Dort oben sieht man die Welt mit neuen Augen und bekommt ein neues Verhältnis zu den Dingen. - Eine solche Erfahrung ist der Glaube an Jesus.

Und oben auf dem Gipfel des Berges, auf den er uns rief, kann's dann wohl auch geschehen, daß Jesus selbst uns in einem neuen Licht erscheint. Wir wissen auf einmal, wer er wirklich ist. Wenn wir dort oben den Glanz seines Gesichtes sehen, dann leuchtet auch in uns die Gewißheit auf: Dieser ist Gottes Sohn. Es hat sich gelohnt, ihm zu folgen. Wer seine Herrlichkeit sieht, der weiß, unten im Tal, das war nicht das Leben, zu dem er uns befreien wollte. Hier oben ist das wahre Leben - in seinem Sinn, unter seinem Segen, in seiner Nähe... Und da kann es uns auch gehen wie den Jüngern: daß wir den Augenblick festhalten wollen! Wir möchten immer hier bei diesem Herrn bleiben, dessen wunderbares Licht uns aufgegangen ist: "Wir wollen dir eine Hütte bauen"...wir wollen immer bei dir sein...der Tag, an dem wir deine Herrlichkeit erkannten, soll ewig währen... Aber den Jüngern damals und uns gilt diese Stimme: "Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, auf den hört!" Hören wir, wenn er uns nun wieder ins Tal vorausgeht und uns folgen heißt? Hören wir, wenn er uns mitnehmen will, dorthin, wo er leben, leiden und sterben wird?

Viele, die seine Herrlichkeit erkannt haben, bleiben oben auf dem Berg. Sie recken die Köpfe, sind verzückt vom Anblick des Verklärten. Geblendet von seinem herrlichen Glanz, vergessen sie, daß unten das Leben weitergeht. Aber Jesus ist nicht mehr unter ihnen. Er ist schon hinabgestiegen ins Tal. Eine kleine Schar nur folgt ihm. Das sind die Leute, bei denen der Glaube an Jesus mehr ist, als fromme Betrachtung. Sie leben ihren Glauben. Hinter ihrem Herrn her, finden sie den Weg zu den Einsamen und lernen Zeit zu haben für ihre Not...zu den Kranken und lernen für sie Zuspruch und Gebet...zu den Leidenden und lernen sich dranzugeben für andere... zu den Außenseitern und lernen Taten der Hilfe...zu den Geängsteten und lernen Worte des Trostes.

Liebe Gemeinde, kommen wir jetzt zu uns, denn mir scheint, wir alle waren auf dem Berg bei Jesus. Wir haben seine Herrlichkeit gesehen. Wir bekennen ihn als den Christus, den Sohn Gottes, den Herrn. Wir sind gemeint mit dem: Hört auf ihn... Nein, er kann keine Leute brauchen, die ihm nur dort oben mit glänzenden Augen Hütten bauen wollen. Er ruft uns hinter sich her hinab ins Tal, in dem unser Leben spielt - und seines! Denn er ist uns vorausgegangen in allem, auf bequemen, ebenen Wegen und auf steilem, steinigen Pfad. Er war sich nicht zu gut, sein Leben dranzusetzen, um diese Welt menschlicher zu machen, um unter uns Zeichen zu setzen. Wir Christinnen und Christen glauben, daß am Ende allein seine Art zu leben Recht behält. Wir wissen, daß es hinter ihm her schließlich ins ewige Leben geht.

Das gibt er uns heute mit auf unseren Weg: Ihr habt meine Herrlichkeit gesehen. Ihr wißt, wer ich bin. Aber sagt keinem von diesem Gesicht, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist.

Warum sollen wir schweigen? Warum soll niemand diese gute Nachricht erfahren? - Sag' einem, der nicht mit auf dem Berg bei Jesus war, was du gesehen hast - er wird lachen und sprechen: Eine Vision, du hast geträumt. Hilf einem Menschen, setze dich für ihn ein, weil du weißt, wer der Herr ist - er wird begreifen! "Sagt keinem von diesem Gesicht..."
Liebe Brüder und Schwestern, es geht um Taten, nicht um Worte. Wenn wir mit Jesus auf dem Berg waren, wenn wir ihn erkannt haben als unseren Herrn und als den Grund und das Ziel unseres Lebens, dann hören wir auch auf seine Stimme: Jesus ruft uns hinter sich her hinab ins Tal, dorthin, wo das wirkliche Leben spielt, wo die Mitmenschen leben, leiden und uns brauchen. Die ihm wirklich nachfolgen, leben ihren Glauben. Und um nichts anderes geht es ja beim Glauben überhaupt, daß er gelebt wird! Denn - ist es nicht so? - an leuchtenden Augen allein kann keiner unseren Glauben erkennen und der Glanz in unserem Gesicht kann keinem helfen.

Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!