Predigt zum 2. Christtag - 26.12.2002

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: Joh. 1,1-5 (6-8) 9-14

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.

Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Liebe Gemeinde!

Ein langer schöner Text, den wir eben gehört haben. Und bekannt ist er auch. Viele haben ihn einmal auswendig gelernt, im Konfirmandenunterricht, in der Christenlehre. Schöne Worte, ein uralter Hymnus zum Lobpreis Gottes, wohl das erste Kirchenlied. Wunderbare Verse, gewiß! Aber wer kann das alles fassen:

Im Anfang das Wort, ohne das Wort ist nichts geworden, was ist; in ihm war Leben; das Leben war das Licht; das Licht kam in die Welt; die Welt erkannte ihn nicht; das Wort ward Fleisch; Herrlichkeit voll Gnade und Wahrheit... Zu viele Worte für diesen Tag. Jedes einzelne wäre eine Predigt wert. Zwei Gedanken bilden den Rahmen dieser Verse. Einer steht ganz vorne, einer an Schluß: Im Anfang war das Wort - und - das Wort ward Fleisch. Das ist genug für heute. Lassen wir alles andere beiseite. Denken wir einmal diesen zwei Worten ein wenig nach.

Das Wort ward Fleisch... Die Weihnachtsgeschichte fällt uns ein, das Krippenkind, der Heiland auf Heu und Stroh. Jesus ist Gottes Wort - zu Fleisch geworden; Mensch wie wir, auf Erden gekommen für uns.

Am Anfang war das Wort... Ja, mit Jesus setzt Gott einen Anfang mit den Menschen. Er macht sich uns als Vater bekannt, der nichts anderes will, a1s unser Heil.

Und da sind wir wieder bei der Weihnachtsbotschaft. In diesen Tagen scheinen alle Wege nach Bethlehem zu führen. Und alle Texte sprechen von Kind in Stall. Aber kann das auch wundern? Heute am Christtag! Wir - in Feiertagsstimmung, das "Freude allen Menschen" noch im Ohr, den Glanz des Christbaums in den Augen... Im Anfang war das Wort - das Wort ward Fleisch. Das ist mehr als dieser Festtag. Diese Verse reichen weiter als die Weihnachtsgefühle. Wenn dich morgen der Alltag wieder hat, dann gehen diese Gedanken mit dir!

Im Anfang war das Wort... Das kannst du spüren jeden Tag, wie wahr das ist: Ein Wort, unbedacht gesagt, herausgerutscht im Zorn und Nachbarn schneiden einander, werden zu Feinden. Wenn man sich von weitem sieht, geht man auf die andere Straßenseite. Die Kinder dürfen nicht mehr zusammen spielen. Man traut einander jede Schandtat zu und wünscht sich alles erdenklich Schlechte. "Die Familien liegen in Streit", so weiß es das Gerücht im Ort. Und warum? Im Anfang ein Wort, Unbedacht gesagt, nicht ernst gemeint, aber ernst genommen, herausgerutscht, weil einer einmal eine Wut hatte. Wie mächtig können Worte sein! Ein Satz, was kann er für Folgen haben!

Aber auch das erfährst du: Ein Wort der Versöhnung, nach einem Streit gesprochen. Ehepartner reden wieder miteinander. Ein zaghaftes: Laß uns vergessen... und alles ist wieder im Lot. Es tut mir leid...und man kann wieder miteinander lächeln. Da faßt man wieder Mut zum gemeinsamen Leben. Da glaubt man wieder an das Glück zu zweit. Eine kleine Entschuldigung, vielleicht nur gestammelt, eine Bitte um Verzeihen, ängstlich hervorgebracht... Im Anfang ein Wort. Wieviel kann es bewirken!

Erlebst du nicht auch das, wenigstens einmal im Leben: Das Geständnis der Liebe, ich bin dir gut. Ich möchte bei dir bleiben. Meine Wege sind deine Wege, wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Wie immer man es ausdrückt, es bleibt die selbe Sache: Ich liebe dich, so heißt's allemal. Wer das je gehört hat, der weiß, wieviel in solchen Worten liegen kann. Im Anfang ein Wort. Und zwei bleiben zusammen, teilen ihr Leben, werden glücklich miteinander. Wieviel Macht kann so ein Wort haben!

Und hast du nicht auch das empfunden: Das Wort ward Fleisch... Das Wort des Zorns, eine böse Bemerkung, wie handfest kann das sein. Das verletzt wie eine Waffe, das kränkt und drückt zu Boden, das beschwert, macht uns traurig, erweckt Angst, vielleicht Haß. Das Wort wird Fleisch.

Nicht anders ein Wort der Versöhnung. Da kann man den guten Willen des anderen be-greifen wie ein Ding. Man atmet auf, er nimmt uns eine Last von der Seele, ein Stein fällt uns vom Herzen, wir sind erleichtert und frei. Das Wort wird Fleisch. Es geschieht etwas mit uns, allein durch Worte.

Zuletzt das Wort der Liebe. Ich meine die zwischen zwei Menschen. Keiner sage: Bloß Worte! Da geht einer wie auf Wolken, man fühlt sich wie im siebenten Himmel und der hängt auch noch voller Geigen. Menschen vergessen sich selbst, sind nur noch für den anderen da, denken nur noch an ihn. Das Wort wird Fleisch. Verliebte wissen etwas davon, wie lebendig Worte sein können - und wieviel Leben sie schaffen.

Und da sind wir bei einem anderen Wort, den Schöpfungswort Gottes: Er sprach und es stand da. Er rief und es trat ins Leben, Im Anfang das Wort, mächtig genug, eine Welt zu erschaffen. Im Anfang: Das Wort der Taufe, das Ja Gottes zu einem Menschen, der sein Leben erst beginnt. Ja - du bist mein Kind.. Ja - ich will für dich sorgen. Ja - du bist mein, heute habe ich dich bei deinem Namen gerufen. Dieses Wort Gottes, dieses Ja vor allem menschlichen Verdienst, wieviel kann es uns geben, wieviel Trost kann das schenken! Wenn sich auch alle von mir abwenden, wenn ich auch niemanden mehr habe, ER steht zu mir. ER hat Ja zu mir gesagt - damals, am Anfang meines Lebens sein Wort: Du bist mein! Wie stark kann sich das erweisen.

Das Wort der Vergebung, wenn wir zum Tisch des Herrn kommen, wenn er uns Lasten abnimmt. wenn wir von Schuld frei werden, wenn wir hören: Dir sind deine Sünden erlassen, geh hin in Frieden. Im Anfang dies Wort - und einer kann neu beginnen, er wird los, was ihn quälte.

Und sind die Worte Gottes nicht auch Fleisch?: Sein Schöpferwort, das alles, was ist, erschuf. Sein Befehl: Es werde!, im Baum, in Stein, in der Blume, in den Menschen um uns begreifbar gemacht. Sein Wort bei der Taufe: Durch das Wasser wird faßbar, was geschieht. Da beginnt einer noch einmal neu - eine neue Geburt aus dem Wasser. Der Anfang Gottes mit dem Menschen wird sichtbar, fühlbar im Element des Wassers. Das Wort wird Fleisch. Und wie ist's beim Abendmahl? Brot und Wein verdeutlichen das Wort: Für dich gegeben, für dich vergossen zur Vergebung der Sünden. Das kann man sehen, anfassen und schmecken. Das Wort wird Fleisch.

In Anfang war das Wort...da ist mehr gemeint, als die Geburt Jesu damals in Stall von Bethlehem. Das Wort ward Fleisch...das ist mehr als daß Gott Mensch wird zur Weihnacht.

Die Anfänge, die Worte setzen, geschehen heute noch, alle Tage. Und Worte werden Fleisch, bewirken etwas, haben Kraft zu schaffen und zu verändern, an uns und durch uns.

Das Wort dieser Weihnacht kann ein Anfang sein. Du hörst: Das Wort ward Fleisch, Gott wird Mensch für dich. Und du spürst die Kraft dieses Wortes, wie das frohmacht, wie das von Angst befreit... Und da kannst du miteinmal selbst dieses Wort weitersagen, kannst selbst mächtige Worte sprechen: Worte der Versöhnung - Menschen atmen auf... Worte des Friedens - du schaffst dir Freunde... Worte des Verstehens - einer in deiner Umgebung kann wieder lachen...

Im Anfang dein Wort - durch dich wird's Fleisch. Wie mächtig können Worte sein!