Predigt zum Ewigkeitssonntag - 23.11.2014 Textlesung: 2. Petr. 3, (3 - 7) 8 - 13 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden. Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und from- mem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. Liebe Gemeinde! Die unter uns, die im vergehenden Kirchenjahr einen lieben Menschen verloren haben, sprechen diese Worte aus dem 2. Petrusbrief (- die uns heute zu bedenken verordnet sind -) wohl nicht so an. Sie möchten wissen, was denn jetzt aus dem Menschen, um den Sie trauern, geworden ist, wo er ist und ob er wohl eine ewige Zukunft hat und Sie ihn einmal wiedersehen. Und sicher bewegt Sie auch, warum er schon gehen musste, warum auf diese Weise und wie sie jetzt ohne ihn weiterleben sollen. All diese Fragen werden hier nicht beantwortet. Nicht direkt jedenfalls. Dafür erfahren wir manches darüber, wie es sein wird, wenn diese Welt vergeht und warum das bis heute nicht geschehen ist. Immerhin sprechen wir doch in jedem Gottesdienst seit bald 2000 Jahren unser Bekenntnis: „...er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kom- men, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Warum ist ER bis heute nicht gekommen? Warum ist die Welt noch nicht vergangen - so lange nicht, dass viele Christen, wenn sie ehrlich sind, gar nicht mehr daran denken und schon gar nicht damit rechnen, dass dies einmal geschehen könnte. Liebe Gemeinde am Ewigkeitssonntag, lassen wir uns einmal ein auf diese Fragen und die Antwor- ten, die es dazu gibt. Vielleicht liegt ja doch auch ein Trost für alle darin, die um einen Menschen trauern und heute, wenn sie zu seinem Grab gehen, eigentlich ganz andere Fragen stellen. - Warum ist unser Herr noch nicht wiedergekommen? Warum ist die Welt noch nicht vergangen? Machen wir uns nichts vor, die Antwort, die auch Christen am häufigsten geben würden, ist wohl diese: Weil das nicht wahr ist! Jesus Christus mag ja auferstanden sein, aber in den Himmel aufge- fahren, wie wir es in der Apostelgeschichte lesen, ist er nicht. Und er wird auch nicht wiederkom- men, wie es da geschrieben steht. (Apg.1,11) Das ist alles fromme Erfindung. Halt den Vorstellun- gen der ersten Zeit der Christenheit entsprechend. Andere Christen wollen die Wiederkunft Christi als Wahrheit so retten, dass sie sagen: Jeder Mensch erfährt nach seinem Tod, dass Christus „wiederkommt“. Der Herr begegnet ihm dann im Gericht und hier wird jeder Mensch gefragt, wie er es denn mit dem Glauben an Jesus Christus ge- halten hat. Ob er sich allein auf den Herrn verlassen hat und nicht auf eigene Werke und Verdiens- te. Denn Christus allein kann uns durch sein Opfer am Kreuz, durch sein Leiden und Sterben von Sünde und Tod erlösen. Eine originelle Antwort haben die jüdischen Schriftgelehrten gefunden. Sie spricht zwar nicht von Jesus Christus, sondern vom Messias und seinem Kommen, aber wir können das leicht auch auf unsere christliche Vorstellung übertragen: Demnach kommt der Christus sofort, noch am selben Tag, an dem die Menschen, die ihn erwarten auch nur einen Tag lang alle Gebote Gottes ohne Aus- nahme befolgen! Da das bis heute noch nicht eingetreten ist, ist auch der Herr noch nicht wiederge- kommen und die Welt noch nicht vergangen. Ich finde, diese Sicht ist nachdenkenswert! Aber schauen wir jetzt nach den Versen, die ich vorhin vorgelesen habe und was sie uns zu unseren Fragen sagen: „Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zer- gehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.“ Das Wichtigste, was wir hier herauslesen kön- nen, ist wohl nicht das Drumherum dieses Tags des Herrn, das Krachen des Himmels und das Schmelzen der Erde, sondern die Tatsache, dass dieser Tag wie ein Dieb in der Nacht, also plötz- lich und unerwartet kommt und dass danach Gericht gehalten wird. Ich denke, dazu haben wir keine Einwände und es widerspricht auch nicht unserem Glaubensbe- kenntnis. Allerdings ist es auch keine richtige Antwort auf die Fragen: Warum der Herr noch nicht wiedergekommen und die Welt noch nicht vergangen ist? Hier führt uns der erste Satz der Verse aus dem 2. Petrusbrief weiter: „Eins aber sei euch nicht ver- borgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.“ Sicher wäre es ein wenig naiv, wenn wir jetzt sagen: Wenn für Gott ein Zeitraum von tau- send Jahren wie ein Tag ist, dann sind, seit unser Herr über diese Erde ging, ja eigentlich erst zwei Tage vergangen - da können wir nun wirklich nicht davon sprechen, dass seine Wiederkunft lange ausgeblieben wäre. Aber wie gesagt: Das ist naiv und nicht sehr überzeugend. Wir könnten aber auch aus diesem Satz herauslesen, dass Gott überhaupt ein ganz anderes Maß hat, mit dem er die Zeit misst und wohl auch die Geschichte der Menschheit sieht und beurteilt. Und das ist ganz gewiss so! Und das passt auch gut zu dem Wort, das Jesaja schreibt: „Denn meine Ge- danken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, son- dern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ (Jes. 55,8f) Wenn wir mit wachem Blick beobachten, was in der Welt geschieht und was Menschen tun, wie sie in die Irre gehen und wie eigennützig sie handeln, dann wird uns eines doch ganz deutlich: Wir sind und bleiben sehr kleine, sterbliche, fehlbare Menschen und reichen auch nicht entfernt an den großen, ewigen Gott heran! Weder was unseren Verstand, noch was unsere Beurteilung der Welt und ihrer Geschichte angeht. Darum weiß auch Gott allemal besser, wann es dafür Zeit ist, dass sein Sohn wiederkommt, um die Menschheitsgeschichte zu Ende zu bringen und Gericht zu halten. Wenn wir hier noch hinzufügen, was wir wissen, seit Gott seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, uns zu erlösen, dass er uns über alles liebt und das Beste für uns will, dann begreifen wir auch, was Petrus weiter schreibt: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzöge- rung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.“ Liebe Gemeinde, das ist für mich der wichtigste Gedanke zu unseren Fragen, warum Christus bis heute nicht wiedergekommen und die Welt noch nicht vergangen ist: Weil Gott Geduld mit uns hat und will, dass wir zur Buße finden und nicht verloren gehen. Wenn ich da mein eigenes Leben betrachte, muss ich bekennen: Es gab und gibt immer wieder Ta- ge, an denen ich froh war, dass Gottes Tag noch nicht gekommen ist. Immer wieder schiebt man doch Dinge auf, die getan werden müssten, lädt auch Schuld auf sich, die man wieder gut machen möchte und geht ein Stück Wegs, auf dem man unbedingt umkehren müsste. Wenn an einem sol- chen Tag dann das Weltende käme... Wenn ich dann nicht mehr tun könnte, was wichtig wäre, meine Schuld nicht mehr gut machen und nicht mehr umkehren könnte... Schlimm wäre das. Da bin ich doch dankbar, dass Gott geduldig ist und mir noch Zeit gibt. Wenn wir den Versen aus dem Petrusbrief weiter entlang gehen, können wir etwas darüber lesen, wie wir so leben, dass wir immer bereit sind für Christi Wiederkunft: „Wenn nun das alles so zer- gehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt...“ Ich glaube, es ist vernünftig und gut und unse- rem christlichen Glauben angemessen, wenn wir uns um einen heiligen Wandel und ein frommes Wesen bemühen, also unseren Glauben nicht nur auf den Lippen haben, sondern ihn auch leben. Dann wird jedermann erkennen: Unser Herr heißt Jesus Christus. Dabei ist es eigentlich gleichgül- tig, ob wir wirklich zu jeder Zeit das Kommen des Tages Gottes erwarten. Christen, die so leben, wie es ihnen ihr Herr vorgelebt und geboten hat, die bei jeder Entscheidung fragen, was hätte ER getan, an jedem Kreuzweg die Richtung einschlagen, in die ER gegangen wäre und ihre Hilfe allen Menschen zuteil werden lassen, so wie ER das gehalten hat, die sind an jedem Tag und zu jeder Stunde bereit, dass der Tag Gottes anbricht. Und wenn - wie es hier ausgedrückt ist - noch ein „Erstreben“ dieses Tages hinzukommt, also ein Sehnen danach, dass dieser Tag doch endlich erscheint, dann können wir das sicher auch verstehen. Wie viele Menschen haben doch auch in unserem Land kein leichtes Leben. Vielleicht sind sie arm, vielleicht alt, krank und behindert. Aber es gibt auch Menschen, die diese Welt, in der wir immer mehr Kriege, Krisen, Gewalt und Naturkatastrophen erleben und erleiden müssen, gerne hinter sich lassen möchten. Sie freuen sich an der Aussicht auf Gottes neue Welt und das Gericht zuvor schreckt sie nicht, denn sie wissen, dass sie durch den Glauben an Jesus Christus und die Barmher- zigkeit Gottes schon ein Anrecht auf die ewige Zukunft gewonnen haben. Für diese Menschen be- sonders gilt der letzte Satz aus den Worten des Petrusbriefs: „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“ Und wir wer- den nicht vergeblich warten, denn Gott hat es versprochen. Liebe Gemeinde, vielleicht haben wir das ja anders erwartet, aber es ging heute im Text zur Predigt und in der Predigt selbst mehr um uns, die wir noch leben und zu leben haben, als um unsere Ver- storbenen. Aber ist das nicht gut so? Dem Leben der Menschen, um die wir heute trauern, können wir ja doch nichts mehr abziehen und nichts mehr hinzufügen. Wir aber leben noch und können uns auf das einstellen, was uns erwartet. Und vielleicht können uns dabei die Gedanken über den Welt- untergang und die Wiederkunft Christi und warum sie bis heute ausgeblieben sind, doch trösten: Gott schiebt das Ende der Welt aus Geduld immer wieder hinaus. Er gibt uns aus lauter Liebe noch Zeit, denn er will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. AMEN