Predigt zum Buß- und Bettag - 19.11.2014 Textlesung: Jes. 1, 10 - 17 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stie- re, der Lämmer und Böcke. Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucher- werk ist mir ein Gräuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festver- sammlung mag ich nicht! Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir ei- ne Last, ich bin’s müde, sie zu tragen. Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache! Liebe Gemeinde! Wir sind gleich mittendrin im Anliegen dieses Prophetenworts: „Höret des HERRN Wort, ihr Her- ren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra!“ Sodom und Gomorra, zwei Städte, die uns im Alten Testament begegnen - und nur da. Ihre Verdorbenheit war sprichwörtlich. Gott wollte die Einwohner umbringen und ihre Städte dem Erdboden gleichmachen. (Gen.18,24ff) Aber Abraham bittet für die Menschen: „Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären?“ Und Gott lässt mit sich reden: „Der Herr sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben.“ Nach und nach handelt Abraham Gott bis auf zehn Gerechte herunter. Und selbst da geht Gott noch mit: „Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.“ Aber wir wissen, wie es schließlich ausgeht: Gott zerstört die Städte und tötet ihre Menschen. Keine zehn Gerechte waren also zu finden. Uns sagt das, wie ernst die Anrede an die Bürger von Jerusalem ist, wenn sie der Prophet mit „ihr Herren von Sodom“ und „Volk von Gomorra“ anspricht. Wir spüren daran, wie zornig Gott über sie ist. Aber der Prophet spricht auch ganz deutlich aus, was Gott nicht gefällt: „Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stie- re, der Lämmer und Böcke. Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, hö- re ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.“ Und wir erfahren auch, was Gott stattdessen erwartet: „Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Un- terdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!“ Liebe Gemeinde, wir ahnen es: Jetzt ist die Frage an uns dran, ob und wie diese harten Worte Got- tes mit uns zu tun haben. Sind sie vielleicht nur wie eine Geschichte aus uralter Zeit zu lesen, die uns über die Frevel und Schandtaten der Menschen vor zweieinhalb Tausend Jahren erzählt. Und sind uns diese Worte gerade heute nicht darum als Predigttext empfohlen, weil heute halt Buß- und Bettag ist und weil zu diesem Tag nun einmal ernste Worte und das Thema Buße gehören? So leicht wollen wir es uns nicht machen. Gewiss müssen wir einiges an diesen harten Propheten- worten in unsere Zeit und unsere christliche Lebenspraxis übertragen. Aber das geht ganz leicht. Und der Ernst geht dabei nicht verloren. Wir kennen keine Brandopfer und bringen auch nicht das Fette von Mastkälbern dar. Auch Speis- opfer sind uns fremd und unsere Hände sind auch nicht vom Blut der Lämmer und Böcke ver- schmiert. Die Unterdrückten, die Waisen und Witwen kommen in unserem Sprachgebrauch heute weniger vor. Allerdings, wenn wir die harte Rede des Propheten auf den Punkt bringen, wird es uns klar, dass diese Worte Gottes auch an uns gerichtet sind: Unsere Opfer, die Ersatz sein sollen dafür, dass wir Gott und seinen Geboten gehorsam sind, lehnt Gott ab. Dabei sind besonders die Gebote gemeint, die uns mit unserer Liebe und Hilfe an unsere Mitmenschen weisen. Aber was sind denn unsere Opfer? - Vielfältig sind sie! Und sehr unterschiedlich. Oft wissen wir gar nicht, dass diese oder jene Tat eigentlich ein Opfer für Gott sein soll. Und selbst Menschen, die nicht an Gott glauben, bringen solche Opfer! Beliebt als ein Opfer für Gott ist das Gebet. Neulich hat ein Mann zu mir ganz unvermittelt gesagt: „Ich bin zwar kein großes Kirchenlicht, aber ich bete. Täglich!“ Es schien mir dabei so, als hätte ich jetzt anworten sollen: „Na, dann ist ja alles in Ordnung!“ Gefragt habe ich mich allerdings: Ob dieser Mann wenigstens auch seine Mitmenschen und ihr Anliegen in seine Gebete aufnimmt? Und gedacht habe ich weiter: Ja, Beten ist wichtig. Gott will es auch haben. Aber noch wichtiger wäre sicher, dass sich der Beter nicht vor der Not des Nächsten verschließt, dass er hilft, wo er kann, dass er zuhört, wenn der Mitmensch Sorgen hat und ihm Trost schenkt, wenn er verzweifelt ist. Wie rasch ist ein Morgen- oder Abendgebet vorüber. Wie schnell ist selbst ein Vaterunser gespro- chen. Wie viel Zeit und Mühe kann es uns dagegen kosten, unseren Nächsten zu begleiten, wenn es ihm schlecht geht, er nicht mehr weiterweiß und vielleicht sogar den Mut und den Willen zum Le- ben verloren hat. Dann gibt es auch noch die Opfer, die Menschen „für Gott“ bringen, die rein materiell sind: Hun- dert Euro an Heiligabend für Brot für die Welt. Die Kleiderspende für Bethel. Der Dauerauftrag für die Kindernothilfe. Nein, das ist nicht schlecht! Das ist gut und lobenswert. Und doch verweisen viele Menschen, wenn wir sie fragen, ob sie Christen sind, zuerst auf solche „Opfer“. Noch einmal: Es ist gut, auch Geld und Güter zu spenden und damit zu teilen, was man selbst von Gott geschenkt bekommen hat. Aber dass einer Christ ist, dass eine sich als Teil der Gemeinde Jesu Christi versteht, das erkennen wir doch an anderen Dingen: Ob wir auch Zeit füreinander haben. Ob wir uns wirklich für das Geschick anderer Menschen interessieren, zum Beispiel für die zur Zeit so zahlreichen Flüchtlinge und Asylbewerber, die oft schrecklichen Lebensbedingungen entronnen sind und bei uns Schutz und Hilfe suchen. Und ob wir bereit sind, uns für diese und andere Men- schen auch mit unseren Händen und Füßen und mit unserer Stimme einzusetzen. Es fällt uns meist leicht, materielle Güter und Geld zu verschenken. Den Menschen das Herz zu öffnen, sich ihre Sache zur eigenen zu machen und dabei zu bleiben, ihnen nahe zu kommen, auch wenn uns solche Nähe eigentlich erschreckt und verunsichert, ist schwerer! Aber - und dass muss jetzt auch gesagt werden - es hat die Verheißung wirklich wesentlicher und oft ganz wunderbarer Erfahrungen. Aber noch ganz anderes gilt für manche Menschen - wenn auch insgeheim und wenn sie es auch gar nicht so sehen - als ein Opfer für Gott. Ich denke da an eine religiöse Grundhaltung, die heute weit verbreitet ist. Menschen mit dieser Haltung würden sagen: Ich bin zwar nicht gläubig, ich bin schon gar kein Christ und weder im Herzen evangelisch oder katholisch, aber ich bin doch in der Kirche geblieben und nicht ausgetreten. Auch würden diese Menschen nie etwas gegen ihre Ange- hörigen oder Freunde sagen, wenn die ihr Christentum auch wirklich üben. Man hält das für naiv und dumm, aber lässt sie gewähren. Sie übernehmen sogar bei den Kindern ihrer Verwandten und Freunde das Patenamt. Immerhin sind sie ja Kirchenmitglieder. Aber diese Haltung hat etwas von Heuchelei, denen gegenüber, die wirklich glauben. Und vor Gott kommen einem diese Menschen vor wie Leute, die meinen barmherzig mit ihm sein zu müssen, weil ihm doch heute immer mehr die Gläubigen abhanden kommen. Dabei mutet es uns vielleicht seltsam an, dass Menschen, die eigentlich nicht an Gott glauben, doch aus Mitleid etwas für ihn tun wollen. Aber das gibt es. Nur hat unser Gott solches Mitleid nicht nö- tig. Es ist vielmehr anmaßend und offenbart, dass die Menschen keine Ehrfurcht und keine Achtung vor dem großen Gott, dem Schöpfer aller Dinge haben. Liebe Gemeinde, das waren heute, am Buß- und Bettag, ernste, harte und deutliche Worte. Und si- cher haben sie uns nicht erfreut. Aber ich glaube, wir haben das immer wieder einmal nötig, dass uns einer sagt, was bei uns nicht in Ordnung ist. Einen Freund, der uns immer nur bestätigt, würde ich nicht Freund nennen. Und Gott, unser Schöpfer, hat vor allen Menschen das Recht, uns auf das hinzuweisen, was sich mit unserem Glauben und einem Leben als Christin und Christ nicht reimt. Nun heißt Buße ja Umkehr und es ist vielleicht ja auch erfreulich, dass uns die Möglichkeit zur Umkehr gewährt wird, jeden Tag neu und heute, am Bußtag, einmal ganz ausdrücklich: Lasst uns Gott die Opfer bringen, die er von uns haben will: Liebe und Hilfe für unsere Mitmenschen. AMEN