Predigt zum Drittl. Sonnt. des Kirchenjahres - 9.11.2014 (Alternative zum 21. Sonntag nach Trinitatis liegt vor!) Textlesung: 1. Thess. 5, 1 - 6 (7 - 11) Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sa- gen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. Liebe Gemeinde! Vielleicht ist uns das jetzt beim Hören dieser Verse deutlich geworden: Es geht auf das Ende zu. Das Ende des Kirchenjahres, aber auch das Ende der Zeit, der Welt und unseres Lebens hier auf dieser Erde. Das mag uns Angst machen und sicher ist das einigen von uns denn doch ein bisschen zu ernst und zu hart gesprochen. Aber genau das ist das Anliegen der Worte des Paulus: Denkt da- ran, der Herr kommt wieder. Denkt daran, diese Welt hat ihre Zeit und ihr Ende. Denkt daran, unser Leben hier währt nicht ewig. Dass den Thessalonichern das alles wieder einmal deutlich wird, darum hat Paulus diese Worte an sie geschrieben. Und es wird auch uns gut tun, wenn auch wir uns dazu stellen und uns Gedanken dazu machen, auch wenn es vielleicht nicht die angenehmsten Gedanken sind: „Von den Zeiten und Stunden aber, liebe [Schwestern und] Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht.“ - Viele Christen und Angehörige anderer Religionen, auch Sekten darunter, haben sich im Laufe der Jahrhunderte vor dem Hintergrund ihrer Heiligen Schriften und Überlieferungen schon gefragt, wann denn das Weltende sein wird. Bei den Christen war das auch immer der Tag, an dem Christus wieder kommt, wovon wir ja auch im Glaubensbekenntnis sprechen: „...von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Bevor ich es vergesse: Auch Martin Luther hat diesen Tag des Gerichts aus bestimmten Texten des Neuen Testaments herauslesen und das Ende der Welt berechnen wollen. Aber er hat zuvor wohl die Worte des Paulus, die wir heute bedenken, nicht so genau gelesen, denn der Apostel sagt es ganz klar: Wir wissen nicht, wann dieser letzte Tag anbricht. Dieser Tag kommt „wie ein Dieb in der Nacht“. Aber - an dieser Erkenntnis führt nun kein Weg mehr vorbei - dieser Tag kommt! Und wenn wir Paulus weiter zuhören, dann spüren wir, dass er die Thessalonicher warnen will: Der Tag des Herrn wird für viele kein Freudentag werden, vielmehr Gericht und Urteil über die Men- schen bringen, die nicht mehr mit Christi Wiederkunft gerechnet haben. Hören wir doch: „Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen.“ - Gefahr, Ver- derben, schnell wie ein Überfall und nicht fliehen können... Wenn wir den Worten des Paulus bis hierher noch gleichgültig gegenübergestanden haben, jetzt könnte es uns doch angst und bange werden! Und wir wollen das nicht beschönigen: Das ist auch die Absicht des Apostels. Aber anders als bei denen, die damals den Christen von Thessaloniki und uns in dieser Zeit Angst machen wollen, will Paulus damit keine Macht über die Herzen, das Denken und Handeln oder den Geldbeutel erlangen, sondern er will wachrütteln! Er meint mit seiner Warnung solche Christen, die auch einmal darauf gewartet haben, dass Christus wiederkommt. Aber sie sind schläfrig geworden wie die törichten unter den zehn Jungfrauen, die auf den Bräutigam warten, von denen Jesus im Gleichnis spricht. (Mt.25,1-13) Als der Bräutigam schließlich kommt, spät in der Nacht, haben ihre Lampen kein Öl, ihnen den Weg zu beleuchten. Die klugen Jungfrauen aber machen sich auf zur Hochzeit. Hier heißt die Warnung, die Jesus am Ende des Gleichnis’ denen gibt, die nicht mehr auf ihn gewartet haben: „Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Liebe Gemeinde, auch wir wissen nicht den Tag und nicht die Stunde. Aber - und damit will ich mich nun nicht doch an Spekulationen über das Weltende beteiligen - die vielen schlimmen Natur- ereignisse wie Überschwemmungen auf der einen Seite des Globus, Dürre auf der anderen, Vulkan- ausbrüche, Erdbeben, Krisen und Kriege, und besonders der weltweit zunehmende Terrorismus von ungeheurer Brutalität bringen doch vielen Menschen unserer Tagen wieder in Erinnerung, was wir im Glaubensbekenntnis seit bald 2000 Jahren wiederholen - oft genug, ohne es noch wirklich ernst zu nehmen: „...von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Manche Christen gehen sogar so weit, dass sie die immer zahlreicher und zerstörerischer werden- den Naturkatastrophen und die steigende Zahl der Kriege und Krisen doch als einen Hinweis darauf verstehen, dass uns der Tag des Herrn heute näher ist als noch vor Jahrzehnten und Jahrhunderten. Und sie können sich da durchaus auf die Bibel berufen, in der wir bei Matthäus (Mt.24,3ff) aus Je- su Mund einige der Zeichen erfahren, die dem Tag Christi vorausgehen. Ich nenne einmal einige davon und Sie werden sicher zugeben müssen, dass wir diese Zeichen in unseren Tagen überall se- hen können und dass sie sich häufen: „Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. - Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsge- schrei. - Es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. - Dann werden sie euch der Be- drängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. - Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen er- kalten.“ Schließlich sagt Jesus am Ende dieser Aufzählung, als wolle er die Christen bestätigen, die aus den Zeichen der Zeit zu erkennen glauben, dass das Weltende nicht fern ist: „Wenn ihr das al- les seht, so wisst, dass [der jüngste Tag] nahe vor der Tür ist.“ Aber trotzdem sollen wir nicht spekulieren, wann genau dieser Tag kommt! Wohl aber sollen wir immer davon ausgehen, ja, sicher sein, dass er kommt! Denn wer in der Erwartung dieses Tages bleibt, wer immer das Ende der Welt und seines eigenen Lebens vor Augen hat, der lebt anders als jene, die denken und sagen: „Es gibt keinen Tag Christi. Es gibt kein Gericht. Wenn mein Leben zu Ende ist, dann ist für mich alles zu Ende.“ Aber ich fürchte, wenn ihnen Gott selbst nicht die Augen für seine Zukunft öffnet, dann werden sie nicht zum Glauben an die Wiederkunft unseres Herrn kommen! Das allerdings soll nicht unsere Sorge sein. Aber die Gedanken, die Paulus bei den Thessalonichern damals und bei uns heute auslöst, sind nicht alle so düster und ernst. Auch das haben wir vorhin gehört: „Ihr aber, liebe Brüder [und Schwestern], seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr al- le seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages.“ Über die Kinder des Lichts werden der Tag Christi, das Weltende und das Gericht nicht hereinbrechen wie ein Dieb in der Nacht. Denn sie sind „nicht von der Nacht noch von der Finsternis.“ Sie stehen im Glauben an Jesus Christus. Sie er- warten den Tag, an dem er wiederkommt, wie es den Jüngern und uns in der Apostelgeschichte versprochen ist: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (Apg.1,11b) Und vor allem leben sie diesen Glauben: Bei allem, was sie tun und lassen, fragen sie: Kann das vor meinem Herrn bestehen? - Jede Tat an ihren Mitmenschen und jedes Wort, das sie ihnen sagen, ist von der Liebe bestimmt. - Was sie von anderen fordern, sind sie auch selbst bereit zu leisten. - Wer bei ihnen ein Leitungsamt hat, der übt es zum Wohl der Menschen aus, die ihm anbefohlen sind. - Wer zu wenig zum Leben hat, findet Hilfe, wer allein nicht zurecht kommt, findet Unterstüt- zung bei ihnen. - Sie sind der Wahrheit verpflichtet und sprechen sie auch aus, wenn sie ihnen selbst oder anderen nicht gefällt. - Sie setzen sich - jeder nach seinen Gaben und Kräften - für die Gemeinschaft ein. - Sie sind zu jedermann freundlich und ohne Vorurteil. - Wie sie handeln muss niemals das Licht scheuen, es geschieht nie im Dunkeln oder im Verborgenen. Liebe Gemeinde, diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen, aber ich glaube, es ist deutlich ge- worden, was es heißt, „Kinder des Lichtes und des Tages“ zu sein. Überdies glaube ich, dass es gar nicht so schwer ist, ein Leben im Licht zu führen, wie es Paulus meint. Wir müssen nur bei dem bleiben oder wieder dorthin zurückkehren, was, seit unser Herr über diese Erde ging, der Glaube der Christen ist und was wir in unserem Glaubensbekenntnis so aussprechen: „...von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Und mit Blick auf diesen Tag Christi, möchte ich mit dem letzten Satz aus den Versen des Paulus schließen: „So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.“ AMEN